Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.dig. Man hat hier überhaupt nicht zunächst auf das In einem solchen mehr oder minder ironischen Ver- mei- *) Die beruhigende, zum Theil einschläfernde und die Seele
in die Region der dunklen Gefühle und des Traumes führende Wirkung des Metrums, macht uns dasselbe hier noch in anderer Beziehung merkwürdig. dig. Man hat hier uͤberhaupt nicht zunaͤchſt auf das In einem ſolchen mehr oder minder ironiſchen Ver- mei- *) Die beruhigende, zum Theil einſchlaͤfernde und die Seele
in die Region der dunklen Gefuͤhle und des Traumes fuͤhrende Wirkung des Metrums, macht uns daſſelbe hier noch in anderer Beziehung merkwuͤrdig. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0026" n="16"/> dig. Man hat hier uͤberhaupt nicht zunaͤchſt auf das<lb/> Metrum zu ſehen, obgleich auch der Rhythmus <note place="foot" n="*)">Die beruhigende, zum Theil einſchlaͤfernde und die Seele<lb/> in die Region der dunklen Gefuͤhle und des Traumes<lb/> fuͤhrende Wirkung des Metrums, macht uns daſſelbe<lb/> hier noch in anderer Beziehung merkwuͤrdig.</note> ein<lb/> urſpruͤnglicher Begleiter der aͤlteſten Voͤlkerſprache ge-<lb/> weſen. Uebrigens hat jene pythiſche Begeiſterung mit<lb/> dem Zuſtande des lebhafteren Traumes die Art der<lb/> Sprache, und den eigenthuͤmlichen dunkleu, ſcheinbar<lb/> zweydeutigen Charakter gemein; abgeſehen davon, daß<lb/> ein Theil der Orakel in Traͤumen ertheilt wurde. Die<lb/> zerriſſene Weinrebe, wodurch das Orakel dem nach ſei-<lb/> ner Ruͤckkehr in die Heimath fragenden Feldherrn den<lb/> nahen Tod, fern von den Seinen, andeutet; die hoͤl-<lb/> zerne Mauer, worunter Schiffe; Schiffe, unter de-<lb/> ren beſtimmter Zahl die Zahl der Lebensjahre; das<lb/> Meer, worunter die Maſſe der zu beherrſchenden Voͤlker<lb/> verſtanden werden u. ſ. f., ſind ganz im Sprachgebrauch<lb/> des Traumes. Eben ſo die dem gemeinen Sprach-<lb/> gebrauch oͤfters ganz entgegengeſetzte, gleichſam ironiſche<lb/> Bedeutung der Orakelſpruͤche, wie z. B. jener dem<lb/> Croͤſus ertheilte: <cit><quote>„er werde, wenn er uͤber den Halys<lb/> ginge, ein großes Reich ſtuͤrzen‟</quote></cit> was Croͤſus als Vor-<lb/> herverkuͤndigung des nahen Sieges genommen, waͤhrend<lb/> das Reich das er ſtuͤrzte, ſein eigenes war.</p><lb/> <p>In einem ſolchen mehr oder minder ironiſchen Ver-<lb/> haͤltniſſe zu der Region des alltaͤglichen, gemeineren Be-<lb/> ſtrebens und Beduͤrfniſſes, ſtehet uͤberhaupt die ganze<lb/> Welt der Poeſie, und ſchon die Lebensſchickſale der<lb/> <fw place="bottom" type="catch">mei-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0026]
dig. Man hat hier uͤberhaupt nicht zunaͤchſt auf das
Metrum zu ſehen, obgleich auch der Rhythmus *) ein
urſpruͤnglicher Begleiter der aͤlteſten Voͤlkerſprache ge-
weſen. Uebrigens hat jene pythiſche Begeiſterung mit
dem Zuſtande des lebhafteren Traumes die Art der
Sprache, und den eigenthuͤmlichen dunkleu, ſcheinbar
zweydeutigen Charakter gemein; abgeſehen davon, daß
ein Theil der Orakel in Traͤumen ertheilt wurde. Die
zerriſſene Weinrebe, wodurch das Orakel dem nach ſei-
ner Ruͤckkehr in die Heimath fragenden Feldherrn den
nahen Tod, fern von den Seinen, andeutet; die hoͤl-
zerne Mauer, worunter Schiffe; Schiffe, unter de-
ren beſtimmter Zahl die Zahl der Lebensjahre; das
Meer, worunter die Maſſe der zu beherrſchenden Voͤlker
verſtanden werden u. ſ. f., ſind ganz im Sprachgebrauch
des Traumes. Eben ſo die dem gemeinen Sprach-
gebrauch oͤfters ganz entgegengeſetzte, gleichſam ironiſche
Bedeutung der Orakelſpruͤche, wie z. B. jener dem
Croͤſus ertheilte: „er werde, wenn er uͤber den Halys
ginge, ein großes Reich ſtuͤrzen‟ was Croͤſus als Vor-
herverkuͤndigung des nahen Sieges genommen, waͤhrend
das Reich das er ſtuͤrzte, ſein eigenes war.
In einem ſolchen mehr oder minder ironiſchen Ver-
haͤltniſſe zu der Region des alltaͤglichen, gemeineren Be-
ſtrebens und Beduͤrfniſſes, ſtehet uͤberhaupt die ganze
Welt der Poeſie, und ſchon die Lebensſchickſale der
mei-
*) Die beruhigende, zum Theil einſchlaͤfernde und die Seele
in die Region der dunklen Gefuͤhle und des Traumes
fuͤhrende Wirkung des Metrums, macht uns daſſelbe
hier noch in anderer Beziehung merkwuͤrdig.
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Zitationshilfe: | Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/26>, abgerufen am 16.07.2024. |