aufgehoben ist. Jene Fälle, wo ein weit entfernter Freund, einen Geliebten, dessen Seele sich in der To- desstunde oder anderen wichtigen Augenblicken lebhaft mit ihm beschäftigte, eigentlich vor sich stehen zu se- hen, die Stimme des Abschiednehmenden oder Fra- genden wirklich zu hören glaubte, obgleich er in jenem Augenblick an etwas ganz Anders dachte, und von der Krankheit der geliebten Person nicht das mindeste wußte, sind doch zum Theil von zu nüchternen Beob- achtern erzählt, als baß man sie ganz läugnen könnte. *) Ein gewisser, mir nahe verwandter, ehrwürdiger Mann, dessen frommer Ernst keine Selbsitäuschung zuließ, hat eine ähnlichr Erfahrung in der Todesstunde seiner weit entfernten Mutter gemacht. Freylich vermögen wir uns nur selten beym Erwachen aus jenen tieferen Träumen oder Zuständen der Ohnmacht, an das zu er- innern, was während der Zeit unsern innern Sinn bewegt hat. Merkwürdig ist es aber, daß Somnam- bulen in dem Zustand des Hellsehens alles das genau wußten, was während sie in Ohnmacht oder Catalep- sie lagen, um sie und mit ihnen vorgegangen. **) So merkwürdig schon alle jene Erscheinungen sind, so sehr auch schon sie an ein höheres Vermögen im Menschen erinnern, sind sie dennoch nur erst ein Schatten von dem, was dieser höhere Sinn, wenn er zuweilen noch in den Grenzen des jetzigen Daseyns auf eine gesunde und natürliche Weise im Menschen erwacht, umfasset
und
*) Hieher gehörige Litteratur bey Kluge P. 372.
**)Kluge, a. a. O. S. 206.
aufgehoben iſt. Jene Faͤlle, wo ein weit entfernter Freund, einen Geliebten, deſſen Seele ſich in der To- desſtunde oder anderen wichtigen Augenblicken lebhaft mit ihm beſchaͤftigte, eigentlich vor ſich ſtehen zu ſe- hen, die Stimme des Abſchiednehmenden oder Fra- genden wirklich zu hoͤren glaubte, obgleich er in jenem Augenblick an etwas ganz Anders dachte, und von der Krankheit der geliebten Perſon nicht das mindeſte wußte, ſind doch zum Theil von zu nuͤchternen Beob- achtern erzaͤhlt, als baß man ſie ganz laͤugnen koͤnnte. *) Ein gewiſſer, mir nahe verwandter, ehrwuͤrdiger Mann, deſſen frommer Ernſt keine Selbſitaͤuſchung zuließ, hat eine aͤhnlichr Erfahrung in der Todesſtunde ſeiner weit entfernten Mutter gemacht. Freylich vermoͤgen wir uns nur ſelten beym Erwachen aus jenen tieferen Traͤumen oder Zuſtaͤnden der Ohnmacht, an das zu er- innern, was waͤhrend der Zeit unſern innern Sinn bewegt hat. Merkwuͤrdig iſt es aber, daß Somnam- bulen in dem Zuſtand des Hellſehens alles das genau wußten, was waͤhrend ſie in Ohnmacht oder Catalep- ſie lagen, um ſie und mit ihnen vorgegangen. **) So merkwuͤrdig ſchon alle jene Erſcheinungen ſind, ſo ſehr auch ſchon ſie an ein hoͤheres Vermoͤgen im Menſchen erinnern, ſind ſie dennoch nur erſt ein Schatten von dem, was dieſer hoͤhere Sinn, wenn er zuweilen noch in den Grenzen des jetzigen Daſeyns auf eine geſunde und natuͤrliche Weiſe im Menſchen erwacht, umfaſſet
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*) Hieher gehoͤrige Litteratur bey Kluge P. 372.
**)Kluge, a. a. O. S. 206.
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aufgehoben iſt. Jene Faͤlle, wo ein weit entfernter
Freund, einen Geliebten, deſſen Seele ſich in der To-
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mit ihm beſchaͤftigte, eigentlich vor ſich ſtehen zu ſe-
hen, die Stimme des Abſchiednehmenden oder Fra-
genden wirklich zu hoͤren glaubte, obgleich er in jenem
Augenblick an etwas ganz Anders dachte, und von der
Krankheit der geliebten Perſon nicht das mindeſte
wußte, ſind doch zum Theil von zu nuͤchternen Beob-
achtern erzaͤhlt, als baß man ſie ganz laͤugnen koͤnnte. *)
Ein gewiſſer, mir nahe verwandter, ehrwuͤrdiger Mann,
deſſen frommer Ernſt keine Selbſitaͤuſchung zuließ,
hat eine aͤhnlichr Erfahrung in der Todesſtunde ſeiner
weit entfernten Mutter gemacht. Freylich vermoͤgen
wir uns nur ſelten beym Erwachen aus jenen tieferen
Traͤumen oder Zuſtaͤnden der Ohnmacht, an das zu er-
innern, was waͤhrend der Zeit unſern innern Sinn
bewegt hat. Merkwuͤrdig iſt es aber, daß Somnam-
bulen in dem Zuſtand des Hellſehens alles das genau
wußten, was waͤhrend ſie in Ohnmacht oder Catalep-
ſie lagen, um ſie und mit ihnen vorgegangen. **) So
merkwuͤrdig ſchon alle jene Erſcheinungen ſind, ſo ſehr
auch ſchon ſie an ein hoͤheres Vermoͤgen im Menſchen
erinnern, ſind ſie dennoch nur erſt ein Schatten von
dem, was dieſer hoͤhere Sinn, wenn er zuweilen noch
in den Grenzen des jetzigen Daſeyns auf eine geſunde
und natuͤrliche Weiſe im Menſchen erwacht, umfaſſet
und
*) Hieher gehoͤrige Litteratur bey Kluge P. 372.
**) Kluge, a. a. O. S. 206.
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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/146>, abgerufen am 16.02.2025.
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