Gefängniß fällt von oben gerade so viel Licht hinein, als sie zu ihrem Geschäfte braucht, nur daß uns die Scheidewand hindert, jene Strahlen wahrzunehmen!
Jene Thierwelt, die wir in einem früheren Ab- schnitte, als vor dem jetzigen Menschen entstanden, annahmen, das Reich der Mollusken, ist ohne ein eigentliches Cerebralsystem, lebt bloß durch das der Ganglien. Diesen Thieren fehlen zum Theil mit dem Kopfe zugleich, alle Sinnesorgane, sie sind bloß Rumpf, und dennoch erkennen sie Alles, was mit dem Kreise ihrer Lebensbedürfnisse in Beziehung steht, sind sogar noch zu gewissen Aeußerungen des Kunst- triebes und der List fähig, eben so wie der Nacht- wandler und die Somnambüle mit krampfhaft ge- schlossenen und verbundenen Augen dennoch sehen, mit verschlossenem Ohre dennoch hören, weil ihnen ein ganz neuer Sinn im Gangliensystem eröffnet worden. Bey jener Thierwelt, die wir früher als die jüngste anerkannten, bey den Insecten, ist auch ein bloßes Gangliensystem vorhanden, das aber hier ganz in die Rechte des Cerebralsystems getreten ist. Auch diese Thiere sind, wenigstens während ihres Larvenzustan- des, zum Theil ohne Sinnesorgane, und verrathen dennoch einen ungewöhnlich scharfen Sinn für die äußere Umgebung. Bey ihnen stellt sich überhaupt die Ganglienthätigkeit ganz vorzüglich als bildender Trieb dar, in jenen Kunstwerken, welche außer dem Körper zur Bedeckung und Erhaltung desselben auf- geführt werden, und in einer eben solchen genauen physiologischen Beziehung auf die Bedürfnisse dessel- ben stehen, eben so zu dem Kreise desselben gehören,
als
Gefaͤngniß faͤllt von oben gerade ſo viel Licht hinein, als ſie zu ihrem Geſchaͤfte braucht, nur daß uns die Scheidewand hindert, jene Strahlen wahrzunehmen!
Jene Thierwelt, die wir in einem fruͤheren Ab- ſchnitte, als vor dem jetzigen Menſchen entſtanden, annahmen, das Reich der Mollusken, iſt ohne ein eigentliches Cerebralſyſtem, lebt bloß durch das der Ganglien. Dieſen Thieren fehlen zum Theil mit dem Kopfe zugleich, alle Sinnesorgane, ſie ſind bloß Rumpf, und dennoch erkennen ſie Alles, was mit dem Kreiſe ihrer Lebensbeduͤrfniſſe in Beziehung ſteht, ſind ſogar noch zu gewiſſen Aeußerungen des Kunſt- triebes und der Liſt faͤhig, eben ſo wie der Nacht- wandler und die Somnambuͤle mit krampfhaft ge- ſchloſſenen und verbundenen Augen dennoch ſehen, mit verſchloſſenem Ohre dennoch hoͤren, weil ihnen ein ganz neuer Sinn im Ganglienſyſtem eroͤffnet worden. Bey jener Thierwelt, die wir fruͤher als die juͤngſte anerkannten, bey den Inſecten, iſt auch ein bloßes Ganglienſyſtem vorhanden, das aber hier ganz in die Rechte des Cerebralſyſtems getreten iſt. Auch dieſe Thiere ſind, wenigſtens waͤhrend ihres Larvenzuſtan- des, zum Theil ohne Sinnesorgane, und verrathen dennoch einen ungewoͤhnlich ſcharfen Sinn fuͤr die aͤußere Umgebung. Bey ihnen ſtellt ſich uͤberhaupt die Ganglienthaͤtigkeit ganz vorzuͤglich als bildender Trieb dar, in jenen Kunſtwerken, welche außer dem Koͤrper zur Bedeckung und Erhaltung deſſelben auf- gefuͤhrt werden, und in einer eben ſolchen genauen phyſiologiſchen Beziehung auf die Beduͤrfniſſe deſſel- ben ſtehen, eben ſo zu dem Kreiſe deſſelben gehoͤren,
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Gefaͤngniß faͤllt von oben gerade ſo viel Licht hinein,
als ſie zu ihrem Geſchaͤfte braucht, nur daß uns die
Scheidewand hindert, jene Strahlen wahrzunehmen!
Jene Thierwelt, die wir in einem fruͤheren Ab-
ſchnitte, als vor dem jetzigen Menſchen entſtanden,
annahmen, das Reich der Mollusken, iſt ohne ein
eigentliches Cerebralſyſtem, lebt bloß durch das der
Ganglien. Dieſen Thieren fehlen zum Theil mit dem
Kopfe zugleich, alle Sinnesorgane, ſie ſind bloß
Rumpf, und dennoch erkennen ſie Alles, was mit
dem Kreiſe ihrer Lebensbeduͤrfniſſe in Beziehung ſteht,
ſind ſogar noch zu gewiſſen Aeußerungen des Kunſt-
triebes und der Liſt faͤhig, eben ſo wie der Nacht-
wandler und die Somnambuͤle mit krampfhaft ge-
ſchloſſenen und verbundenen Augen dennoch ſehen, mit
verſchloſſenem Ohre dennoch hoͤren, weil ihnen ein
ganz neuer Sinn im Ganglienſyſtem eroͤffnet worden.
Bey jener Thierwelt, die wir fruͤher als die juͤngſte
anerkannten, bey den Inſecten, iſt auch ein bloßes
Ganglienſyſtem vorhanden, das aber hier ganz in die
Rechte des Cerebralſyſtems getreten iſt. Auch dieſe
Thiere ſind, wenigſtens waͤhrend ihres Larvenzuſtan-
des, zum Theil ohne Sinnesorgane, und verrathen
dennoch einen ungewoͤhnlich ſcharfen Sinn fuͤr die
aͤußere Umgebung. Bey ihnen ſtellt ſich uͤberhaupt
die Ganglienthaͤtigkeit ganz vorzuͤglich als bildender
Trieb dar, in jenen Kunſtwerken, welche außer dem
Koͤrper zur Bedeckung und Erhaltung deſſelben auf-
gefuͤhrt werden, und in einer eben ſolchen genauen
phyſiologiſchen Beziehung auf die Beduͤrfniſſe deſſel-
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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/138>, abgerufen am 16.02.2025.
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