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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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was auf ihre wache und wahre Persönlichkeit Bezie-
hung hatte, zeigte aber übrigens eine mehr als ge-
wöhnlich erhöhte Geistesthätigkeit. Beym Erwachen
wußte sie nichts von Allem was sie in jener erdichte-
ten Persönlichkeit gethan und gesprochen, wohl aber
erinnerte sie sich deutlich an Alles, was sich in der
ganzen Reihe jener Zustände mit ihr zugetragen hat-
te, sobald sie wieder hinein gerieth. Beyde Zustände
waren daher in sich selber zusammenhängend, jeder
einzelne aber mit dem andern außer Zusammenhang.

Aehnliche Fälle finden sich häufig von Aerzten
aufgezeichnet *) Unter andern sind sich auch die Nacht-
wandler außer dem Anfall, dessen nicht bewußt, was
während desselben mit ihnen vorging, und können wie-
derum in dem Anfall, wo sie sich deutlich auf Alles
besinnen, was in ähnlichen Zuständen mit ihnen ge-
schehen, nicht begreifen, daß sie auch noch zu anderer
Zeit einer andern, wachen Persönlichkeit genießen. Sie
sind und glauben sich im Anfalle eine ganz andere
Person als im Wachen und umgekehrt. Ein solches
Gefühl scheinbar doppelter Persönlichkeit wird auch
nach langen Krankheiten empfunden, und sie ist im
Wahnsinne mit lichten Intervallen und im Traume
wirklich vorhanden. Die Zustände unserer Träume
stehen häufig unter einander durch deutliche Rückerin-
nerung in Zusammenhang, und wir sind im Traume
selbst dem Charakter nach öfters eine ganz andere Per-
son, als im Wachen, der von Natur Sanftmüthige

ist
*) M. s. Reil a. a. O.

was auf ihre wache und wahre Perſoͤnlichkeit Bezie-
hung hatte, zeigte aber uͤbrigens eine mehr als ge-
woͤhnlich erhoͤhte Geiſtesthaͤtigkeit. Beym Erwachen
wußte ſie nichts von Allem was ſie in jener erdichte-
ten Perſoͤnlichkeit gethan und geſprochen, wohl aber
erinnerte ſie ſich deutlich an Alles, was ſich in der
ganzen Reihe jener Zuſtaͤnde mit ihr zugetragen hat-
te, ſobald ſie wieder hinein gerieth. Beyde Zuſtaͤnde
waren daher in ſich ſelber zuſammenhaͤngend, jeder
einzelne aber mit dem andern außer Zuſammenhang.

Aehnliche Faͤlle finden ſich haͤufig von Aerzten
aufgezeichnet *) Unter andern ſind ſich auch die Nacht-
wandler außer dem Anfall, deſſen nicht bewußt, was
waͤhrend deſſelben mit ihnen vorging, und koͤnnen wie-
derum in dem Anfall, wo ſie ſich deutlich auf Alles
beſinnen, was in aͤhnlichen Zuſtaͤnden mit ihnen ge-
ſchehen, nicht begreifen, daß ſie auch noch zu anderer
Zeit einer andern, wachen Perſoͤnlichkeit genießen. Sie
ſind und glauben ſich im Anfalle eine ganz andere
Perſon als im Wachen und umgekehrt. Ein ſolches
Gefuͤhl ſcheinbar doppelter Perſoͤnlichkeit wird auch
nach langen Krankheiten empfunden, und ſie iſt im
Wahnſinne mit lichten Intervallen und im Traume
wirklich vorhanden. Die Zuſtaͤnde unſerer Traͤume
ſtehen haͤufig unter einander durch deutliche Ruͤckerin-
nerung in Zuſammenhang, und wir ſind im Traume
ſelbſt dem Charakter nach oͤfters eine ganz andere Per-
ſon, als im Wachen, der von Natur Sanftmuͤthige

iſt
*) M. ſ. Reil a. a. O.
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[110/0120] was auf ihre wache und wahre Perſoͤnlichkeit Bezie- hung hatte, zeigte aber uͤbrigens eine mehr als ge- woͤhnlich erhoͤhte Geiſtesthaͤtigkeit. Beym Erwachen wußte ſie nichts von Allem was ſie in jener erdichte- ten Perſoͤnlichkeit gethan und geſprochen, wohl aber erinnerte ſie ſich deutlich an Alles, was ſich in der ganzen Reihe jener Zuſtaͤnde mit ihr zugetragen hat- te, ſobald ſie wieder hinein gerieth. Beyde Zuſtaͤnde waren daher in ſich ſelber zuſammenhaͤngend, jeder einzelne aber mit dem andern außer Zuſammenhang. Aehnliche Faͤlle finden ſich haͤufig von Aerzten aufgezeichnet *) Unter andern ſind ſich auch die Nacht- wandler außer dem Anfall, deſſen nicht bewußt, was waͤhrend deſſelben mit ihnen vorging, und koͤnnen wie- derum in dem Anfall, wo ſie ſich deutlich auf Alles beſinnen, was in aͤhnlichen Zuſtaͤnden mit ihnen ge- ſchehen, nicht begreifen, daß ſie auch noch zu anderer Zeit einer andern, wachen Perſoͤnlichkeit genießen. Sie ſind und glauben ſich im Anfalle eine ganz andere Perſon als im Wachen und umgekehrt. Ein ſolches Gefuͤhl ſcheinbar doppelter Perſoͤnlichkeit wird auch nach langen Krankheiten empfunden, und ſie iſt im Wahnſinne mit lichten Intervallen und im Traume wirklich vorhanden. Die Zuſtaͤnde unſerer Traͤume ſtehen haͤufig unter einander durch deutliche Ruͤckerin- nerung in Zuſammenhang, und wir ſind im Traume ſelbſt dem Charakter nach oͤfters eine ganz andere Per- ſon, als im Wachen, der von Natur Sanftmuͤthige iſt *) M. ſ. Reil a. a. O.

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/120>, abgerufen am 22.11.2024.