Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber noch spricht (weihe ihr nur ein reines Organ!)
die ewige Liebe mit dir die erste, ursprüngliche Spra-
che, noch rührt der lebendige Hauch die Saiten der
Lyra, und mit den unreinen müssen auch zugleich die
reinen tönen. Und wenn (vielleicht bald) der Geist
unsers Geschlechts das Aeußerste jener Verlassenheit,
jenes Mangels erreicht, wo nun auch die letzten Le-
bensstrahlen von ihm weichen, so wird die ihm am
fernsten zu stehen, die er vergebens zu suchen schien,
die ewige Liebe ihm am nächsten seyn, der dunklen
Nacht der Morgen.

Jenen Entwickelungsgang der Sprache und Wis-
senschaft, von ihrem ursprünglichen Stand in der gött-
lichen Liebe, bis zu dem jetzigen der mehrseitigen Er-
starrung, spricht irgendwo sehr sinnvoll der bekannte
Schwedenborg aus, dessen Zustand dem Pag. 12 erwähr-
ten tieferen Grad des Traumes sehr ähnlich, und von
diesem nur durch die Verknüpfung mit dem Bewußt-
seyn des Wachens verschieden war.

"Einstens, erzählt er, als ich in Unterredung
mit einem Geiste war, welcher denkwürdige Dinge,
in einem Zustande, welcher dem des Schlafes glich,
zu reden schien, kamen Geister zu uns an, welche un-
ter einander sprachen, es verstunden aber weder
die Geister um mich herum noch ich, was sie
redeten. Ich wurde belehrt, daß es Geister aus dem
Erdball des Mars wären, welche also unter einan-
der sprechen konnten, daß die anwesenden Geister
nichts davon verstünden. Ich verwunderte mich, daß
es eine solche Sprache geben könnte, da alle Geister
Eine

Aber noch ſpricht (weihe ihr nur ein reines Organ!)
die ewige Liebe mit dir die erſte, urſpruͤngliche Spra-
che, noch ruͤhrt der lebendige Hauch die Saiten der
Lyra, und mit den unreinen muͤſſen auch zugleich die
reinen toͤnen. Und wenn (vielleicht bald) der Geiſt
unſers Geſchlechts das Aeußerſte jener Verlaſſenheit,
jenes Mangels erreicht, wo nun auch die letzten Le-
bensſtrahlen von ihm weichen, ſo wird die ihm am
fernſten zu ſtehen, die er vergebens zu ſuchen ſchien,
die ewige Liebe ihm am naͤchſten ſeyn, der dunklen
Nacht der Morgen.

Jenen Entwickelungsgang der Sprache und Wiſ-
ſenſchaft, von ihrem urſpruͤnglichen Stand in der goͤtt-
lichen Liebe, bis zu dem jetzigen der mehrſeitigen Er-
ſtarrung, ſpricht irgendwo ſehr ſinnvoll der bekannte
Schwedenborg aus, deſſen Zuſtand dem Pag. 12 erwaͤhr-
ten tieferen Grad des Traumes ſehr aͤhnlich, und von
dieſem nur durch die Verknuͤpfung mit dem Bewußt-
ſeyn des Wachens verſchieden war.

„Einſtens, erzaͤhlt er, als ich in Unterredung
mit einem Geiſte war, welcher denkwuͤrdige Dinge,
in einem Zuſtande, welcher dem des Schlafes glich,
zu reden ſchien, kamen Geiſter zu uns an, welche un-
ter einander ſprachen, es verſtunden aber weder
die Geiſter um mich herum noch ich, was ſie
redeten. Ich wurde belehrt, daß es Geiſter aus dem
Erdball des Mars waͤren, welche alſo unter einan-
der ſprechen konnten, daß die anweſenden Geiſter
nichts davon verſtuͤnden. Ich verwunderte mich, daß
es eine ſolche Sprache geben koͤnnte, da alle Geiſter
Eine
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0103" n="93"/>
Aber noch &#x017F;pricht (weihe ihr nur ein reines Organ!)<lb/>
die ewige Liebe mit dir die er&#x017F;te, ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche Spra-<lb/>
che, noch ru&#x0364;hrt der lebendige Hauch die Saiten der<lb/>
Lyra, und mit den unreinen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en auch zugleich die<lb/>
reinen to&#x0364;nen. Und wenn (vielleicht bald) der Gei&#x017F;t<lb/>
un&#x017F;ers Ge&#x017F;chlechts das Aeußer&#x017F;te jener Verla&#x017F;&#x017F;enheit,<lb/>
jenes Mangels erreicht, wo nun auch die letzten Le-<lb/>
bens&#x017F;trahlen von ihm weichen, &#x017F;o wird die ihm am<lb/>
fern&#x017F;ten zu &#x017F;tehen, die er vergebens zu &#x017F;uchen &#x017F;chien,<lb/>
die ewige Liebe ihm am na&#x0364;ch&#x017F;ten &#x017F;eyn, der dunklen<lb/>
Nacht der Morgen.</p><lb/>
        <p>Jenen Entwickelungsgang der Sprache und Wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en&#x017F;chaft, von ihrem ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen Stand in der go&#x0364;tt-<lb/>
lichen Liebe, bis zu dem jetzigen der mehr&#x017F;eitigen Er-<lb/>
&#x017F;tarrung, &#x017F;pricht irgendwo &#x017F;ehr &#x017F;innvoll der bekannte<lb/>
Schwedenborg aus, de&#x017F;&#x017F;en Zu&#x017F;tand dem Pag. 12 erwa&#x0364;hr-<lb/>
ten tieferen Grad des Traumes &#x017F;ehr a&#x0364;hnlich, und von<lb/>
die&#x017F;em nur durch die Verknu&#x0364;pfung mit dem Bewußt-<lb/>
&#x017F;eyn des Wachens ver&#x017F;chieden war.</p><lb/>
        <cit>
          <quote>&#x201E;Ein&#x017F;tens, erza&#x0364;hlt er, als ich in Unterredung<lb/>
mit einem Gei&#x017F;te war, welcher denkwu&#x0364;rdige Dinge,<lb/>
in einem Zu&#x017F;tande, welcher dem des Schlafes glich,<lb/>
zu reden &#x017F;chien, kamen Gei&#x017F;ter zu uns an, welche un-<lb/>
ter einander &#x017F;prachen, es ver&#x017F;tunden aber weder<lb/>
die Gei&#x017F;ter um mich herum noch ich, was &#x017F;ie<lb/>
redeten. Ich wurde belehrt, daß es Gei&#x017F;ter aus dem<lb/>
Erdball des Mars wa&#x0364;ren, welche al&#x017F;o unter einan-<lb/>
der &#x017F;prechen konnten, daß die anwe&#x017F;enden Gei&#x017F;ter<lb/>
nichts davon ver&#x017F;tu&#x0364;nden. Ich verwunderte mich, daß<lb/>
es eine &#x017F;olche Sprache geben ko&#x0364;nnte, da alle Gei&#x017F;ter<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Eine</fw><lb/></quote>
        </cit>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0103] Aber noch ſpricht (weihe ihr nur ein reines Organ!) die ewige Liebe mit dir die erſte, urſpruͤngliche Spra- che, noch ruͤhrt der lebendige Hauch die Saiten der Lyra, und mit den unreinen muͤſſen auch zugleich die reinen toͤnen. Und wenn (vielleicht bald) der Geiſt unſers Geſchlechts das Aeußerſte jener Verlaſſenheit, jenes Mangels erreicht, wo nun auch die letzten Le- bensſtrahlen von ihm weichen, ſo wird die ihm am fernſten zu ſtehen, die er vergebens zu ſuchen ſchien, die ewige Liebe ihm am naͤchſten ſeyn, der dunklen Nacht der Morgen. Jenen Entwickelungsgang der Sprache und Wiſ- ſenſchaft, von ihrem urſpruͤnglichen Stand in der goͤtt- lichen Liebe, bis zu dem jetzigen der mehrſeitigen Er- ſtarrung, ſpricht irgendwo ſehr ſinnvoll der bekannte Schwedenborg aus, deſſen Zuſtand dem Pag. 12 erwaͤhr- ten tieferen Grad des Traumes ſehr aͤhnlich, und von dieſem nur durch die Verknuͤpfung mit dem Bewußt- ſeyn des Wachens verſchieden war. „Einſtens, erzaͤhlt er, als ich in Unterredung mit einem Geiſte war, welcher denkwuͤrdige Dinge, in einem Zuſtande, welcher dem des Schlafes glich, zu reden ſchien, kamen Geiſter zu uns an, welche un- ter einander ſprachen, es verſtunden aber weder die Geiſter um mich herum noch ich, was ſie redeten. Ich wurde belehrt, daß es Geiſter aus dem Erdball des Mars waͤren, welche alſo unter einan- der ſprechen konnten, daß die anweſenden Geiſter nichts davon verſtuͤnden. Ich verwunderte mich, daß es eine ſolche Sprache geben koͤnnte, da alle Geiſter Eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/103
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/103>, abgerufen am 22.11.2024.