Wir finden, daß gerade das höchste Streben in uns, jenes Sehnen, das sich bey Einigen an mehr, bey Ande- ren an minder würdigem Gegenstand, an gröberem oder geistigerem Genuß erschöpft, uns zum Grabe führet; auf daß wir aus diesem zu immer höherem Streben, immer höherem Sehnen wiedergebohren würden. Die Gluth aber jener höchsten Augenblicke, welche das Vergängliche an uns verzehrt, weil dieses das Ewige nicht fassen können, ist das einzige Unvergängliche in uns. Diese schwebt heilig und schön über dem zerflos- senem Angesicht der Gruft, und sie gehet mit uns hin- über, durch die Thore eines neuen, höheren Aufgangs. Das andre Alles ist vergangen, den Glanz jener heili- gen Augenblicke, welche uns zugleich geläutert und zerstört, bringen wir mit uns hinauf. Wir halten die Weihe eines wahrhaft guten und heiligen Strebens, mit dem Leben nicht zu theuer bezahlt, und finden in dem Gelingen eines göttlichen Werkes, einen seeligen Untergang. Auf diese Weise pflegt ein kühnes Gemüth mit der Flamme zu scherzen, welche es verzehrt, und es erkennet in seinem Untergange den Aufgang eines neuen, immer besseren Strebens, in dem Grabe die höhere Wiedergeburt unsres unvergänglichen Sehnens.
F
Wir finden, daß gerade das hoͤchſte Streben in uns, jenes Sehnen, das ſich bey Einigen an mehr, bey Ande- ren an minder wuͤrdigem Gegenſtand, an groͤberem oder geiſtigerem Genuß erſchoͤpft, uns zum Grabe fuͤhret; auf daß wir aus dieſem zu immer hoͤherem Streben, immer hoͤherem Sehnen wiedergebohren wuͤrden. Die Gluth aber jener hoͤchſten Augenblicke, welche das Vergaͤngliche an uns verzehrt, weil dieſes das Ewige nicht faſſen koͤnnen, iſt das einzige Unvergaͤngliche in uns. Dieſe ſchwebt heilig und ſchoͤn uͤber dem zerfloſ- ſenem Angeſicht der Gruft, und ſie gehet mit uns hin- uͤber, durch die Thore eines neuen, hoͤheren Aufgangs. Das andre Alles iſt vergangen, den Glanz jener heili- gen Augenblicke, welche uns zugleich gelaͤutert und zerſtoͤrt, bringen wir mit uns hinauf. Wir halten die Weihe eines wahrhaft guten und heiligen Strebens, mit dem Leben nicht zu theuer bezahlt, und finden in dem Gelingen eines goͤttlichen Werkes, einen ſeeligen Untergang. Auf dieſe Weiſe pflegt ein kuͤhnes Gemuͤth mit der Flamme zu ſcherzen, welche es verzehrt, und es erkennet in ſeinem Untergange den Aufgang eines neuen, immer beſſeren Strebens, in dem Grabe die hoͤhere Wiedergeburt unſres unvergaͤnglichen Sehnens.
F
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0095"n="81"/><p>Wir finden, daß gerade das hoͤchſte Streben in uns,<lb/>
jenes Sehnen, das ſich bey Einigen an mehr, bey Ande-<lb/>
ren an minder wuͤrdigem Gegenſtand, an groͤberem oder<lb/>
geiſtigerem Genuß erſchoͤpft, uns zum Grabe fuͤhret;<lb/>
auf daß wir aus dieſem zu immer hoͤherem Streben,<lb/>
immer hoͤherem Sehnen wiedergebohren wuͤrden. Die<lb/>
Gluth aber jener hoͤchſten Augenblicke, welche das<lb/>
Vergaͤngliche an uns verzehrt, weil dieſes das Ewige<lb/>
nicht faſſen koͤnnen, iſt das einzige Unvergaͤngliche in<lb/>
uns. Dieſe ſchwebt heilig und ſchoͤn uͤber dem zerfloſ-<lb/>ſenem Angeſicht der Gruft, und ſie gehet mit uns hin-<lb/>
uͤber, durch die Thore eines neuen, hoͤheren Aufgangs.<lb/>
Das andre Alles iſt vergangen, den Glanz jener heili-<lb/>
gen Augenblicke, welche uns zugleich gelaͤutert und<lb/>
zerſtoͤrt, bringen wir mit uns hinauf. Wir halten<lb/>
die Weihe eines wahrhaft guten und heiligen Strebens,<lb/>
mit dem Leben nicht zu theuer bezahlt, und finden in<lb/>
dem Gelingen eines goͤttlichen Werkes, einen ſeeligen<lb/>
Untergang. Auf dieſe Weiſe pflegt ein kuͤhnes Gemuͤth<lb/>
mit der Flamme zu ſcherzen, welche es verzehrt, und<lb/>
es erkennet in ſeinem Untergange den Aufgang eines<lb/>
neuen, immer beſſeren Strebens, in dem Grabe die<lb/>
hoͤhere Wiedergeburt unſres unvergaͤnglichen Sehnens.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><fwplace="bottom"type="sig">F</fw><lb/></body></text></TEI>
[81/0095]
Wir finden, daß gerade das hoͤchſte Streben in uns,
jenes Sehnen, das ſich bey Einigen an mehr, bey Ande-
ren an minder wuͤrdigem Gegenſtand, an groͤberem oder
geiſtigerem Genuß erſchoͤpft, uns zum Grabe fuͤhret;
auf daß wir aus dieſem zu immer hoͤherem Streben,
immer hoͤherem Sehnen wiedergebohren wuͤrden. Die
Gluth aber jener hoͤchſten Augenblicke, welche das
Vergaͤngliche an uns verzehrt, weil dieſes das Ewige
nicht faſſen koͤnnen, iſt das einzige Unvergaͤngliche in
uns. Dieſe ſchwebt heilig und ſchoͤn uͤber dem zerfloſ-
ſenem Angeſicht der Gruft, und ſie gehet mit uns hin-
uͤber, durch die Thore eines neuen, hoͤheren Aufgangs.
Das andre Alles iſt vergangen, den Glanz jener heili-
gen Augenblicke, welche uns zugleich gelaͤutert und
zerſtoͤrt, bringen wir mit uns hinauf. Wir halten
die Weihe eines wahrhaft guten und heiligen Strebens,
mit dem Leben nicht zu theuer bezahlt, und finden in
dem Gelingen eines goͤttlichen Werkes, einen ſeeligen
Untergang. Auf dieſe Weiſe pflegt ein kuͤhnes Gemuͤth
mit der Flamme zu ſcherzen, welche es verzehrt, und
es erkennet in ſeinem Untergange den Aufgang eines
neuen, immer beſſeren Strebens, in dem Grabe die
hoͤhere Wiedergeburt unſres unvergaͤnglichen Sehnens.
F
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/95>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.