Zeit hinauf. So, wenn wir nun mit Bailly den An- fang der Geschichte bis auf das 7te oder 8te Jahrtau- send heruntersetzen, finden sich gleich aus jener Zeit die indische Beobachtung von der Schiefe der Ecliptik und die dazu gehörigen Tafeln der Tageslänge, und andre Arbeiten denen schon Zahlenverhältnisse zu Grunde lie- gen, die wir erst jezt zu verstehen anfangen. Weiter herunter, von Geschlecht zu Geschlecht, sehen wir die eigentliche tiefe Wissenschaft statt zunehmen immer ab- nehmen, und die Völker, welche sowohl in Hinsicht ihres Alters als Charakters der neuen Weltperiode am nächsten verwandt sind, waren wie ich in der nächsten Vorlesung zeigen werde, am unwissendsten darinnen. So erscheint das, was bey uns Wissenschaft ist, in jener ältesten Zeit mehr als Offenbarung eines höheren Geistes an den des Menschen. Denn was wäre das für eine Wissenschaft die gleich oder nahe bey ih- rem Entstehen am vollkommensten, später immer un- vollkommner gefunden würde?
Eine gewöhnliche Ansicht läßt jene alte Ausübung der Astronomie aus ihrem Bedürfniß beym Ackerbau entstehen. Obgleich eine vollständige Widerlegung derselben nicht hieher gehört, sey es doch erlaubt nur Einiges hierüber zu sagen.
Gerade der Ackerbau, zu dessen Gunsten die Astro- nomie erfunden seyn soll, ist offenbar späteren Ur- sprunges, und scheint so wie der Bau des Weines und
Zeit hinauf. So, wenn wir nun mit Bailly den An- fang der Geſchichte bis auf das 7te oder 8te Jahrtau- ſend herunterſetzen, finden ſich gleich aus jener Zeit die indiſche Beobachtung von der Schiefe der Ecliptik und die dazu gehoͤrigen Tafeln der Tageslaͤnge, und andre Arbeiten denen ſchon Zahlenverhaͤltniſſe zu Grunde lie- gen, die wir erſt jezt zu verſtehen anfangen. Weiter herunter, von Geſchlecht zu Geſchlecht, ſehen wir die eigentliche tiefe Wiſſenſchaft ſtatt zunehmen immer ab- nehmen, und die Voͤlker, welche ſowohl in Hinſicht ihres Alters als Charakters der neuen Weltperiode am naͤchſten verwandt ſind, waren wie ich in der naͤchſten Vorleſung zeigen werde, am unwiſſendſten darinnen. So erſcheint das, was bey uns Wiſſenſchaft iſt, in jener aͤlteſten Zeit mehr als Offenbarung eines hoͤheren Geiſtes an den des Menſchen. Denn was waͤre das fuͤr eine Wiſſenſchaft die gleich oder nahe bey ih- rem Entſtehen am vollkommenſten, ſpaͤter immer un- vollkommner gefunden wuͤrde?
Eine gewoͤhnliche Anſicht laͤßt jene alte Ausuͤbung der Aſtronomie aus ihrem Beduͤrfniß beym Ackerbau entſtehen. Obgleich eine vollſtaͤndige Widerlegung derſelben nicht hieher gehoͤrt, ſey es doch erlaubt nur Einiges hieruͤber zu ſagen.
Gerade der Ackerbau, zu deſſen Gunſten die Aſtro- nomie erfunden ſeyn ſoll, iſt offenbar ſpaͤteren Ur- ſprunges, und ſcheint ſo wie der Bau des Weines und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0064"n="50"/>
Zeit hinauf. So, wenn wir nun mit Bailly den An-<lb/>
fang der Geſchichte bis auf das 7te oder 8te Jahrtau-<lb/>ſend herunterſetzen, finden ſich gleich aus jener Zeit die<lb/>
indiſche Beobachtung von der Schiefe der Ecliptik und<lb/>
die dazu gehoͤrigen Tafeln der Tageslaͤnge, und andre<lb/>
Arbeiten denen ſchon Zahlenverhaͤltniſſe zu Grunde lie-<lb/>
gen, die wir erſt jezt zu verſtehen anfangen. Weiter<lb/>
herunter, von Geſchlecht zu Geſchlecht, ſehen wir die<lb/>
eigentliche tiefe Wiſſenſchaft ſtatt zunehmen immer ab-<lb/>
nehmen, und die Voͤlker, welche ſowohl in Hinſicht<lb/>
ihres Alters als Charakters der neuen Weltperiode am<lb/>
naͤchſten verwandt ſind, waren wie ich in der naͤchſten<lb/>
Vorleſung zeigen werde, am unwiſſendſten darinnen.<lb/>
So erſcheint das, was bey uns Wiſſenſchaft iſt, in<lb/>
jener aͤlteſten Zeit mehr als Offenbarung eines hoͤheren<lb/>
Geiſtes an den des Menſchen. Denn was waͤre das<lb/>
fuͤr eine <hirendition="#g">Wiſſenſchaft</hi> die gleich oder nahe bey ih-<lb/>
rem Entſtehen am vollkommenſten, ſpaͤter immer un-<lb/>
vollkommner gefunden wuͤrde?</p><lb/><p>Eine gewoͤhnliche Anſicht laͤßt jene alte Ausuͤbung<lb/>
der Aſtronomie aus ihrem Beduͤrfniß beym Ackerbau<lb/>
entſtehen. Obgleich eine vollſtaͤndige Widerlegung<lb/>
derſelben nicht hieher gehoͤrt, ſey es doch erlaubt nur<lb/>
Einiges hieruͤber zu ſagen.</p><lb/><p>Gerade der Ackerbau, zu deſſen Gunſten die Aſtro-<lb/>
nomie erfunden ſeyn ſoll, iſt offenbar ſpaͤteren Ur-<lb/>ſprunges, und ſcheint ſo wie der Bau des Weines und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[50/0064]
Zeit hinauf. So, wenn wir nun mit Bailly den An-
fang der Geſchichte bis auf das 7te oder 8te Jahrtau-
ſend herunterſetzen, finden ſich gleich aus jener Zeit die
indiſche Beobachtung von der Schiefe der Ecliptik und
die dazu gehoͤrigen Tafeln der Tageslaͤnge, und andre
Arbeiten denen ſchon Zahlenverhaͤltniſſe zu Grunde lie-
gen, die wir erſt jezt zu verſtehen anfangen. Weiter
herunter, von Geſchlecht zu Geſchlecht, ſehen wir die
eigentliche tiefe Wiſſenſchaft ſtatt zunehmen immer ab-
nehmen, und die Voͤlker, welche ſowohl in Hinſicht
ihres Alters als Charakters der neuen Weltperiode am
naͤchſten verwandt ſind, waren wie ich in der naͤchſten
Vorleſung zeigen werde, am unwiſſendſten darinnen.
So erſcheint das, was bey uns Wiſſenſchaft iſt, in
jener aͤlteſten Zeit mehr als Offenbarung eines hoͤheren
Geiſtes an den des Menſchen. Denn was waͤre das
fuͤr eine Wiſſenſchaft die gleich oder nahe bey ih-
rem Entſtehen am vollkommenſten, ſpaͤter immer un-
vollkommner gefunden wuͤrde?
Eine gewoͤhnliche Anſicht laͤßt jene alte Ausuͤbung
der Aſtronomie aus ihrem Beduͤrfniß beym Ackerbau
entſtehen. Obgleich eine vollſtaͤndige Widerlegung
derſelben nicht hieher gehoͤrt, ſey es doch erlaubt nur
Einiges hieruͤber zu ſagen.
Gerade der Ackerbau, zu deſſen Gunſten die Aſtro-
nomie erfunden ſeyn ſoll, iſt offenbar ſpaͤteren Ur-
ſprunges, und ſcheint ſo wie der Bau des Weines und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/64>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.