Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

ger der fest gewordnen Masse, eins über dem andern.
Es war ein Theil der neuentstandenen Materie nach
jenem feurigen Quell des gemeinschaftlichen Ursprungs
gewendet, ein andrer entbehrte dieses Einflusses, und
es wehte von dem letzteren ein gewaltiger Sturm nach
jenem hin. Was zwischen beyden lag war ruhig wie
ein stilles Meer. Da gieng aus dem ewigen Ursprung
ein Hauch von Wärme aus, über die fest gewordnen
Massen, daß die erkalteten Dünste derselben in Tro-
pfen zerronnen, aus welchen sich ein Mensch bildete,
durch die Kraft Dessen, welcher jenen Hauch der Wär-
me gesendet. Der erste Mensch hieß Ymer.

Freylich ist an dieser alten Sage nur Einiges ganz
begreiflich, was mit unsern jetzigen Ansichten von der
Entstehung und Bildung des Planeten wohl überein-
ftimmt. Vor wenig Jahren würde auch dieser Theil
der alten Sage noch wenig verständlich gewesen seyn,
denn länger ist es kaum, seitdem die eigentliche Geo-
gnosie bey uns entstanden. Wir können deshalb kühn
hoffen, daß auch der übrige für uns noch dunkle Theil,
der Zukunft klärer seyn werde. Viel verständlicher
und ausführlicher sollen von der ersten Entstehung der
festen Erdmasse aus den Fluthen, die Sagen der In-
dier reden.

Auch einige andre Naturwissenschaften sind von
nicht geringerem Alter als die schon erwähnten. Ein
uraltes indisches Gedicht enthält schon eine Art von

ger der feſt gewordnen Maſſe, eins uͤber dem andern.
Es war ein Theil der neuentſtandenen Materie nach
jenem feurigen Quell des gemeinſchaftlichen Urſprungs
gewendet, ein andrer entbehrte dieſes Einfluſſes, und
es wehte von dem letzteren ein gewaltiger Sturm nach
jenem hin. Was zwiſchen beyden lag war ruhig wie
ein ſtilles Meer. Da gieng aus dem ewigen Urſprung
ein Hauch von Waͤrme aus, uͤber die feſt gewordnen
Maſſen, daß die erkalteten Duͤnſte derſelben in Tro-
pfen zerronnen, aus welchen ſich ein Menſch bildete,
durch die Kraft Deſſen, welcher jenen Hauch der Waͤr-
me geſendet. Der erſte Menſch hieß Ymer.

Freylich iſt an dieſer alten Sage nur Einiges ganz
begreiflich, was mit unſern jetzigen Anſichten von der
Entſtehung und Bildung des Planeten wohl uͤberein-
ftimmt. Vor wenig Jahren wuͤrde auch dieſer Theil
der alten Sage noch wenig verſtaͤndlich geweſen ſeyn,
denn laͤnger iſt es kaum, ſeitdem die eigentliche Geo-
gnoſie bey uns entſtanden. Wir koͤnnen deshalb kuͤhn
hoffen, daß auch der uͤbrige fuͤr uns noch dunkle Theil,
der Zukunft klaͤrer ſeyn werde. Viel verſtaͤndlicher
und ausfuͤhrlicher ſollen von der erſten Entſtehung der
feſten Erdmaſſe aus den Fluthen, die Sagen der In-
dier reden.

Auch einige andre Naturwiſſenſchaften ſind von
nicht geringerem Alter als die ſchon erwaͤhnten. Ein
uraltes indiſches Gedicht enthaͤlt ſchon eine Art von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0061" n="47"/>
ger der fe&#x017F;t gewordnen Ma&#x017F;&#x017F;e, eins u&#x0364;ber dem andern.<lb/>
Es war ein Theil der neuent&#x017F;tandenen Materie nach<lb/>
jenem feurigen Quell des gemein&#x017F;chaftlichen Ur&#x017F;prungs<lb/>
gewendet, ein andrer entbehrte die&#x017F;es Einflu&#x017F;&#x017F;es, und<lb/>
es wehte von dem letzteren ein gewaltiger Sturm nach<lb/>
jenem hin. Was zwi&#x017F;chen beyden lag war ruhig wie<lb/>
ein &#x017F;tilles Meer. Da gieng aus dem ewigen Ur&#x017F;prung<lb/>
ein Hauch von Wa&#x0364;rme aus, u&#x0364;ber die fe&#x017F;t gewordnen<lb/>
Ma&#x017F;&#x017F;en, daß die erkalteten Du&#x0364;n&#x017F;te der&#x017F;elben in Tro-<lb/>
pfen zerronnen, aus welchen &#x017F;ich ein Men&#x017F;ch bildete,<lb/>
durch die Kraft De&#x017F;&#x017F;en, welcher jenen Hauch der Wa&#x0364;r-<lb/>
me ge&#x017F;endet. Der er&#x017F;te Men&#x017F;ch hieß Ymer.</p><lb/>
        <p>Freylich i&#x017F;t an die&#x017F;er alten Sage nur Einiges ganz<lb/>
begreiflich, was mit un&#x017F;ern jetzigen An&#x017F;ichten von der<lb/>
Ent&#x017F;tehung und Bildung des Planeten wohl u&#x0364;berein-<lb/>
ftimmt. Vor wenig Jahren wu&#x0364;rde auch die&#x017F;er Theil<lb/>
der alten Sage noch wenig ver&#x017F;ta&#x0364;ndlich gewe&#x017F;en &#x017F;eyn,<lb/>
denn la&#x0364;nger i&#x017F;t es kaum, &#x017F;eitdem die eigentliche Geo-<lb/>
gno&#x017F;ie bey uns ent&#x017F;tanden. Wir ko&#x0364;nnen deshalb ku&#x0364;hn<lb/>
hoffen, daß auch der u&#x0364;brige fu&#x0364;r uns noch dunkle Theil,<lb/>
der Zukunft kla&#x0364;rer &#x017F;eyn werde. Viel ver&#x017F;ta&#x0364;ndlicher<lb/>
und ausfu&#x0364;hrlicher &#x017F;ollen von der er&#x017F;ten Ent&#x017F;tehung der<lb/>
fe&#x017F;ten Erdma&#x017F;&#x017F;e aus den Fluthen, die Sagen der In-<lb/>
dier reden.</p><lb/>
        <p>Auch einige andre Naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften &#x017F;ind von<lb/>
nicht geringerem Alter als die &#x017F;chon erwa&#x0364;hnten. Ein<lb/>
uraltes indi&#x017F;ches Gedicht entha&#x0364;lt &#x017F;chon eine Art von<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0061] ger der feſt gewordnen Maſſe, eins uͤber dem andern. Es war ein Theil der neuentſtandenen Materie nach jenem feurigen Quell des gemeinſchaftlichen Urſprungs gewendet, ein andrer entbehrte dieſes Einfluſſes, und es wehte von dem letzteren ein gewaltiger Sturm nach jenem hin. Was zwiſchen beyden lag war ruhig wie ein ſtilles Meer. Da gieng aus dem ewigen Urſprung ein Hauch von Waͤrme aus, uͤber die feſt gewordnen Maſſen, daß die erkalteten Duͤnſte derſelben in Tro- pfen zerronnen, aus welchen ſich ein Menſch bildete, durch die Kraft Deſſen, welcher jenen Hauch der Waͤr- me geſendet. Der erſte Menſch hieß Ymer. Freylich iſt an dieſer alten Sage nur Einiges ganz begreiflich, was mit unſern jetzigen Anſichten von der Entſtehung und Bildung des Planeten wohl uͤberein- ftimmt. Vor wenig Jahren wuͤrde auch dieſer Theil der alten Sage noch wenig verſtaͤndlich geweſen ſeyn, denn laͤnger iſt es kaum, ſeitdem die eigentliche Geo- gnoſie bey uns entſtanden. Wir koͤnnen deshalb kuͤhn hoffen, daß auch der uͤbrige fuͤr uns noch dunkle Theil, der Zukunft klaͤrer ſeyn werde. Viel verſtaͤndlicher und ausfuͤhrlicher ſollen von der erſten Entſtehung der feſten Erdmaſſe aus den Fluthen, die Sagen der In- dier reden. Auch einige andre Naturwiſſenſchaften ſind von nicht geringerem Alter als die ſchon erwaͤhnten. Ein uraltes indiſches Gedicht enthaͤlt ſchon eine Art von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/61
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/61>, abgerufen am 27.11.2024.