ger der fest gewordnen Masse, eins über dem andern. Es war ein Theil der neuentstandenen Materie nach jenem feurigen Quell des gemeinschaftlichen Ursprungs gewendet, ein andrer entbehrte dieses Einflusses, und es wehte von dem letzteren ein gewaltiger Sturm nach jenem hin. Was zwischen beyden lag war ruhig wie ein stilles Meer. Da gieng aus dem ewigen Ursprung ein Hauch von Wärme aus, über die fest gewordnen Massen, daß die erkalteten Dünste derselben in Tro- pfen zerronnen, aus welchen sich ein Mensch bildete, durch die Kraft Dessen, welcher jenen Hauch der Wär- me gesendet. Der erste Mensch hieß Ymer.
Freylich ist an dieser alten Sage nur Einiges ganz begreiflich, was mit unsern jetzigen Ansichten von der Entstehung und Bildung des Planeten wohl überein- ftimmt. Vor wenig Jahren würde auch dieser Theil der alten Sage noch wenig verständlich gewesen seyn, denn länger ist es kaum, seitdem die eigentliche Geo- gnosie bey uns entstanden. Wir können deshalb kühn hoffen, daß auch der übrige für uns noch dunkle Theil, der Zukunft klärer seyn werde. Viel verständlicher und ausführlicher sollen von der ersten Entstehung der festen Erdmasse aus den Fluthen, die Sagen der In- dier reden.
Auch einige andre Naturwissenschaften sind von nicht geringerem Alter als die schon erwähnten. Ein uraltes indisches Gedicht enthält schon eine Art von
ger der feſt gewordnen Maſſe, eins uͤber dem andern. Es war ein Theil der neuentſtandenen Materie nach jenem feurigen Quell des gemeinſchaftlichen Urſprungs gewendet, ein andrer entbehrte dieſes Einfluſſes, und es wehte von dem letzteren ein gewaltiger Sturm nach jenem hin. Was zwiſchen beyden lag war ruhig wie ein ſtilles Meer. Da gieng aus dem ewigen Urſprung ein Hauch von Waͤrme aus, uͤber die feſt gewordnen Maſſen, daß die erkalteten Duͤnſte derſelben in Tro- pfen zerronnen, aus welchen ſich ein Menſch bildete, durch die Kraft Deſſen, welcher jenen Hauch der Waͤr- me geſendet. Der erſte Menſch hieß Ymer.
Freylich iſt an dieſer alten Sage nur Einiges ganz begreiflich, was mit unſern jetzigen Anſichten von der Entſtehung und Bildung des Planeten wohl uͤberein- ftimmt. Vor wenig Jahren wuͤrde auch dieſer Theil der alten Sage noch wenig verſtaͤndlich geweſen ſeyn, denn laͤnger iſt es kaum, ſeitdem die eigentliche Geo- gnoſie bey uns entſtanden. Wir koͤnnen deshalb kuͤhn hoffen, daß auch der uͤbrige fuͤr uns noch dunkle Theil, der Zukunft klaͤrer ſeyn werde. Viel verſtaͤndlicher und ausfuͤhrlicher ſollen von der erſten Entſtehung der feſten Erdmaſſe aus den Fluthen, die Sagen der In- dier reden.
Auch einige andre Naturwiſſenſchaften ſind von nicht geringerem Alter als die ſchon erwaͤhnten. Ein uraltes indiſches Gedicht enthaͤlt ſchon eine Art von
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ger der feſt gewordnen Maſſe, eins uͤber dem andern.
Es war ein Theil der neuentſtandenen Materie nach
jenem feurigen Quell des gemeinſchaftlichen Urſprungs
gewendet, ein andrer entbehrte dieſes Einfluſſes, und
es wehte von dem letzteren ein gewaltiger Sturm nach
jenem hin. Was zwiſchen beyden lag war ruhig wie
ein ſtilles Meer. Da gieng aus dem ewigen Urſprung
ein Hauch von Waͤrme aus, uͤber die feſt gewordnen
Maſſen, daß die erkalteten Duͤnſte derſelben in Tro-
pfen zerronnen, aus welchen ſich ein Menſch bildete,
durch die Kraft Deſſen, welcher jenen Hauch der Waͤr-
me geſendet. Der erſte Menſch hieß Ymer.
Freylich iſt an dieſer alten Sage nur Einiges ganz
begreiflich, was mit unſern jetzigen Anſichten von der
Entſtehung und Bildung des Planeten wohl uͤberein-
ftimmt. Vor wenig Jahren wuͤrde auch dieſer Theil
der alten Sage noch wenig verſtaͤndlich geweſen ſeyn,
denn laͤnger iſt es kaum, ſeitdem die eigentliche Geo-
gnoſie bey uns entſtanden. Wir koͤnnen deshalb kuͤhn
hoffen, daß auch der uͤbrige fuͤr uns noch dunkle Theil,
der Zukunft klaͤrer ſeyn werde. Viel verſtaͤndlicher
und ausfuͤhrlicher ſollen von der erſten Entſtehung der
feſten Erdmaſſe aus den Fluthen, die Sagen der In-
dier reden.
Auch einige andre Naturwiſſenſchaften ſind von
nicht geringerem Alter als die ſchon erwaͤhnten. Ein
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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/61>, abgerufen am 27.11.2024.
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