verlangten Abführungen. Auch äußerten sie sich über ihre Krankheit auf eine Weise, daß ihre Aerzte damit zufrieden seyn konnten. Doch läßt sich vielleicht für diese Verschiedenheit der Verordnungen der Somnam- bülen ein noch andrer näherer Grund finden. Vielleicht erfinden die magnetisch Schlafenden, trotz der Klarheit, mit welcher sie sich ihrer selber, und alles dessen was sie zunächst angeht, bewußt sind, niemals etwas das über die Gränzen ihres eigenen Wesens hinaus liegt. Ueber ihre eigne Natur und über das was sie zunächst berührt, wissen sie dagegen auf eine bewundernswür- dige Weise Auskunft zu geben, und über die Verände- rungen, welche selbstständig in dieser vorgehen, belehrt sie ein unerklärliches dunkles Gefühl, lange voraus. Dagegen giebt ihnen vielleicht das, was durch eine zu- fällige Kenntniß der entfernt liegenden äußern Natur bey der Heilung hinzugethan wird, eine vorhergegang- ne Erfahrung. Wie schon erwähnt, weiß sich die Somnambüle an alles was sie jemals im wachenden Zustand in Beziehung auf ihre Krankheit erfahren, mit einer besondern Klarheit, und ungemein weit rück- wärts zu erinnern. Sie weiß wohl, wie alle bey ihr angewendeten Mittel gewirkt haben, und vermöge die- ser Kenntniß ihrer Wirkungen, schlägt sie die Arzneyen vor, die bey den körperlichen Umständen deren Annähe- rung sie fühlt, angewendet werden sollen. Deshalb könnte auch jene junge neuerdings auf einer gewissen Academie magnetisirte Bäuerin, stets hartnäckig auf stärkenden Mitteln bestanden haben, weil sie aus
verlangten Abfuͤhrungen. Auch aͤußerten ſie ſich uͤber ihre Krankheit auf eine Weiſe, daß ihre Aerzte damit zufrieden ſeyn konnten. Doch laͤßt ſich vielleicht fuͤr dieſe Verſchiedenheit der Verordnungen der Somnam- buͤlen ein noch andrer naͤherer Grund finden. Vielleicht erfinden die magnetiſch Schlafenden, trotz der Klarheit, mit welcher ſie ſich ihrer ſelber, und alles deſſen was ſie zunaͤchſt angeht, bewußt ſind, niemals etwas das uͤber die Graͤnzen ihres eigenen Weſens hinaus liegt. Ueber ihre eigne Natur und uͤber das was ſie zunaͤchſt beruͤhrt, wiſſen ſie dagegen auf eine bewundernswuͤr- dige Weiſe Auskunft zu geben, und uͤber die Veraͤnde- rungen, welche ſelbſtſtaͤndig in dieſer vorgehen, belehrt ſie ein unerklaͤrliches dunkles Gefuͤhl, lange voraus. Dagegen giebt ihnen vielleicht das, was durch eine zu- faͤllige Kenntniß der entfernt liegenden aͤußern Natur bey der Heilung hinzugethan wird, eine vorhergegang- ne Erfahrung. Wie ſchon erwaͤhnt, weiß ſich die Somnambuͤle an alles was ſie jemals im wachenden Zuſtand in Beziehung auf ihre Krankheit erfahren, mit einer beſondern Klarheit, und ungemein weit ruͤck- waͤrts zu erinnern. Sie weiß wohl, wie alle bey ihr angewendeten Mittel gewirkt haben, und vermoͤge die- ſer Kenntniß ihrer Wirkungen, ſchlaͤgt ſie die Arzneyen vor, die bey den koͤrperlichen Umſtaͤnden deren Annaͤhe- rung ſie fuͤhlt, angewendet werden ſollen. Deshalb koͤnnte auch jene junge neuerdings auf einer gewiſſen Academie magnetiſirte Baͤuerin, ſtets hartnaͤckig auf ſtaͤrkenden Mitteln beſtanden haben, weil ſie aus
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verlangten Abfuͤhrungen. Auch aͤußerten ſie ſich uͤber
ihre Krankheit auf eine Weiſe, daß ihre Aerzte damit
zufrieden ſeyn konnten. Doch laͤßt ſich vielleicht fuͤr
dieſe Verſchiedenheit der Verordnungen der Somnam-
buͤlen ein noch andrer naͤherer Grund finden. Vielleicht
erfinden die magnetiſch Schlafenden, trotz der Klarheit,
mit welcher ſie ſich ihrer ſelber, und alles deſſen was
ſie zunaͤchſt angeht, bewußt ſind, niemals etwas das
uͤber die Graͤnzen ihres eigenen Weſens hinaus liegt.
Ueber ihre eigne Natur und uͤber das was ſie zunaͤchſt
beruͤhrt, wiſſen ſie dagegen auf eine bewundernswuͤr-
dige Weiſe Auskunft zu geben, und uͤber die Veraͤnde-
rungen, welche ſelbſtſtaͤndig in dieſer vorgehen, belehrt
ſie ein unerklaͤrliches dunkles Gefuͤhl, lange voraus.
Dagegen giebt ihnen vielleicht das, was durch eine zu-
faͤllige Kenntniß der entfernt liegenden aͤußern Natur
bey der Heilung hinzugethan wird, eine vorhergegang-
ne Erfahrung. Wie ſchon erwaͤhnt, weiß ſich die
Somnambuͤle an alles was ſie jemals im wachenden
Zuſtand in Beziehung auf ihre Krankheit erfahren,
mit einer beſondern Klarheit, und ungemein weit ruͤck-
waͤrts zu erinnern. Sie weiß wohl, wie alle bey ihr
angewendeten Mittel gewirkt haben, und vermoͤge die-
ſer Kenntniß ihrer Wirkungen, ſchlaͤgt ſie die Arzneyen
vor, die bey den koͤrperlichen Umſtaͤnden deren Annaͤhe-
rung ſie fuͤhlt, angewendet werden ſollen. Deshalb
koͤnnte auch jene junge neuerdings auf einer gewiſſen
Academie magnetiſirte Baͤuerin, ſtets hartnaͤckig auf
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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/361>, abgerufen am 22.11.2024.
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