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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

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jene schlanken Bäume mit dunkelgrünen Zweigen sich
umfassen, schlingt die jugendliche Liebe ihren Arm um
uns. Da bedarf der alsdann vollkommen seelige
Sinn nicht mehr der Welt außer sich, wir träumen nur
von der stillen einsamen Hütte auf grünem Hügel, von
dem ländlichen Liede der Turteltaube, und dem einsa-
men Thale; vergessen ist auf Augenblicke alles fernere
Streben, und wir ruhen zum ersten, und vielleicht
wohl zum letzten Male aus, in einer gänzlich seeligen
Gnüge. Denn siehe unter den Rosen und Lilien, stund
auch die hohe Sonnenblume, welche mit treuem Haupt
dem Gange des ewigen Lichtes folgt. Ein tieferes Seh-
nen in uns ward noch nicht befriedigt, und mit ernstem
Ruf weckt es das ewige Ideal von neuem auf.

Da gieng unter dem vielfältigen Streben, die Stun-
de des Mittags vorüber, vorüber die Zeit der Rosen
und Lilien. Der Abend läßt die Flur in ihrer letzten,
kräftigsten Gestalt, in der Zeit der Reife sehen. Die
Blüthen, welche einst das Gemüth erfreuten, sind vor-
über, nur einige haben Früchte getragen, die meisten
waren fruchtlos, und auf dem herbstlichen Boden blü-
het nur noch einsam, mit der Farbe des Abendroths,
die späte Zeitlose, deren Früchte erst in einem andern
Frühling reifen. Die Träume von stillen Hütten auf
blühenden Hügel, das Lied der Turteltauben, hat das
wüste Geräusch der Stadt verdrängt. *) Endlich aber

*) Im Kindesalter sieht man am grünen Quell noch bloß
Blüthengehüsche, im Jünglingsalter jenseit des Flusses
U

jene ſchlanken Baͤume mit dunkelgruͤnen Zweigen ſich
umfaſſen, ſchlingt die jugendliche Liebe ihren Arm um
uns. Da bedarf der alsdann vollkommen ſeelige
Sinn nicht mehr der Welt außer ſich, wir traͤumen nur
von der ſtillen einſamen Huͤtte auf gruͤnem Huͤgel, von
dem laͤndlichen Liede der Turteltaube, und dem einſa-
men Thale; vergeſſen iſt auf Augenblicke alles fernere
Streben, und wir ruhen zum erſten, und vielleicht
wohl zum letzten Male aus, in einer gaͤnzlich ſeeligen
Gnuͤge. Denn ſiehe unter den Roſen und Lilien, ſtund
auch die hohe Sonnenblume, welche mit treuem Haupt
dem Gange des ewigen Lichtes folgt. Ein tieferes Seh-
nen in uns ward noch nicht befriedigt, und mit ernſtem
Ruf weckt es das ewige Ideal von neuem auf.

Da gieng unter dem vielfaͤltigen Streben, die Stun-
de des Mittags voruͤber, voruͤber die Zeit der Roſen
und Lilien. Der Abend laͤßt die Flur in ihrer letzten,
kraͤftigſten Geſtalt, in der Zeit der Reife ſehen. Die
Bluͤthen, welche einſt das Gemuͤth erfreuten, ſind vor-
uͤber, nur einige haben Fruͤchte getragen, die meiſten
waren fruchtlos, und auf dem herbſtlichen Boden bluͤ-
het nur noch einſam, mit der Farbe des Abendroths,
die ſpaͤte Zeitloſe, deren Fruͤchte erſt in einem andern
Fruͤhling reifen. Die Traͤume von ſtillen Huͤtten auf
bluͤhenden Huͤgel, das Lied der Turteltauben, hat das
wuͤſte Geraͤuſch der Stadt verdraͤngt. *) Endlich aber

*) Im Kindesalter ſieht man am gruͤnen Quell noch bloß
Bluͤthengehuͤſche, im Juͤnglingsalter jenſeit des Fluſſes
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[305/0319] jene ſchlanken Baͤume mit dunkelgruͤnen Zweigen ſich umfaſſen, ſchlingt die jugendliche Liebe ihren Arm um uns. Da bedarf der alsdann vollkommen ſeelige Sinn nicht mehr der Welt außer ſich, wir traͤumen nur von der ſtillen einſamen Huͤtte auf gruͤnem Huͤgel, von dem laͤndlichen Liede der Turteltaube, und dem einſa- men Thale; vergeſſen iſt auf Augenblicke alles fernere Streben, und wir ruhen zum erſten, und vielleicht wohl zum letzten Male aus, in einer gaͤnzlich ſeeligen Gnuͤge. Denn ſiehe unter den Roſen und Lilien, ſtund auch die hohe Sonnenblume, welche mit treuem Haupt dem Gange des ewigen Lichtes folgt. Ein tieferes Seh- nen in uns ward noch nicht befriedigt, und mit ernſtem Ruf weckt es das ewige Ideal von neuem auf. Da gieng unter dem vielfaͤltigen Streben, die Stun- de des Mittags voruͤber, voruͤber die Zeit der Roſen und Lilien. Der Abend laͤßt die Flur in ihrer letzten, kraͤftigſten Geſtalt, in der Zeit der Reife ſehen. Die Bluͤthen, welche einſt das Gemuͤth erfreuten, ſind vor- uͤber, nur einige haben Fruͤchte getragen, die meiſten waren fruchtlos, und auf dem herbſtlichen Boden bluͤ- het nur noch einſam, mit der Farbe des Abendroths, die ſpaͤte Zeitloſe, deren Fruͤchte erſt in einem andern Fruͤhling reifen. Die Traͤume von ſtillen Huͤtten auf bluͤhenden Huͤgel, das Lied der Turteltauben, hat das wuͤſte Geraͤuſch der Stadt verdraͤngt. *) Endlich aber *) Im Kindesalter ſieht man am gruͤnen Quell noch bloß Bluͤthengehuͤſche, im Juͤnglingsalter jenſeit des Fluſſes U

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/319>, abgerufen am 24.11.2024.