genthümlichen Daseyn gelangen. Die Schieferartig geschichteten Gebirgsarten, welche in der ersten Hälf- te der Urzeit so häufig sind, zeigen den großen und fast ausschließenden Einfluß der Schwere auf die Bil- dung derselben, während sich erst in der zweyten Hälf- te der Urzeit die Gebirge zu etwas freyeren und selbst- ständigeren Formen erheben, überhaupt aber in der jüng- sten Hauptperiode, in der der Flözzeit, diese freyeren und kühneren Formen am häufigsten werden. So zeichnet auch die Pflanzenwelt im Ganzen vor dem Thierreich ihre Abhängigkeit von dem Planeten, und die Einheit mit demselben aus. Erst das Thier wird vom Boden frey und selbstständig be- weglich, während die Pflanze gleichsam nur noch ein Theil des Bodens ist, in welchem sie wurzelt. Es geht also auch in der organischen Welt jener passivere Zustand, wo das Einzelne nur noch in unmittelbarer Vereinigung mit seinem Ganzen besteht, jenem vor- aus, wo das Einzelne ein Ganzes in sich, und unab- hängig wird. Endlich haben wir im Thierreich, und zwar vorzüglich in der Klasse der Säugethiere sowohl der Zeit nach als dem Gange der allmäligen Ausbil- dung der Formen, eine Reihe vorausgehen sehen, wo die Geschlechter durch ihre größere Körpermasse und Schwerfälligkeit, durch die Langsamkeit ihrer Bewe- gungen, ja wie zum Beyspiel die untergegangenen Rie- senthiere von dem Bau der Faulthiere, durch die Un- fähigkeit zum eigentlichen Gehen, statt dessen nur ein mühsames Kriechen möglich war, von dem Boden ab-
genthuͤmlichen Daſeyn gelangen. Die Schieferartig geſchichteten Gebirgsarten, welche in der erſten Haͤlf- te der Urzeit ſo haͤufig ſind, zeigen den großen und faſt ausſchließenden Einfluß der Schwere auf die Bil- dung derſelben, waͤhrend ſich erſt in der zweyten Haͤlf- te der Urzeit die Gebirge zu etwas freyeren und ſelbſt- ſtaͤndigeren Formen erheben, uͤberhaupt aber in der juͤng- ſten Hauptperiode, in der der Floͤzzeit, dieſe freyeren und kuͤhneren Formen am haͤufigſten werden. So zeichnet auch die Pflanzenwelt im Ganzen vor dem Thierreich ihre Abhaͤngigkeit von dem Planeten, und die Einheit mit demſelben aus. Erſt das Thier wird vom Boden frey und ſelbſtſtaͤndig be- weglich, waͤhrend die Pflanze gleichſam nur noch ein Theil des Bodens iſt, in welchem ſie wurzelt. Es geht alſo auch in der organiſchen Welt jener paſſivere Zuſtand, wo das Einzelne nur noch in unmittelbarer Vereinigung mit ſeinem Ganzen beſteht, jenem vor- aus, wo das Einzelne ein Ganzes in ſich, und unab- haͤngig wird. Endlich haben wir im Thierreich, und zwar vorzuͤglich in der Klaſſe der Saͤugethiere ſowohl der Zeit nach als dem Gange der allmaͤligen Ausbil- dung der Formen, eine Reihe vorausgehen ſehen, wo die Geſchlechter durch ihre groͤßere Koͤrpermaſſe und Schwerfaͤlligkeit, durch die Langſamkeit ihrer Bewe- gungen, ja wie zum Beyſpiel die untergegangenen Rie- ſenthiere von dem Bau der Faulthiere, durch die Un- faͤhigkeit zum eigentlichen Gehen, ſtatt deſſen nur ein muͤhſames Kriechen moͤglich war, von dem Boden ab-
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genthuͤmlichen Daſeyn gelangen. Die Schieferartig
geſchichteten Gebirgsarten, welche in der erſten Haͤlf-
te der Urzeit ſo haͤufig ſind, zeigen den großen und
faſt ausſchließenden Einfluß der Schwere auf die Bil-
dung derſelben, waͤhrend ſich erſt in der zweyten Haͤlf-
te der Urzeit die Gebirge zu etwas freyeren und ſelbſt-
ſtaͤndigeren Formen erheben, uͤberhaupt aber in der juͤng-
ſten Hauptperiode, in der der Floͤzzeit, dieſe freyeren
und kuͤhneren Formen am haͤufigſten werden. So
zeichnet auch die Pflanzenwelt im Ganzen vor dem
Thierreich ihre Abhaͤngigkeit von dem Planeten,
und die Einheit mit demſelben aus. Erſt das
Thier wird vom Boden frey und ſelbſtſtaͤndig be-
weglich, waͤhrend die Pflanze gleichſam nur noch ein
Theil des Bodens iſt, in welchem ſie wurzelt. Es
geht alſo auch in der organiſchen Welt jener paſſivere
Zuſtand, wo das Einzelne nur noch in unmittelbarer
Vereinigung mit ſeinem Ganzen beſteht, jenem vor-
aus, wo das Einzelne ein Ganzes in ſich, und unab-
haͤngig wird. Endlich haben wir im Thierreich, und
zwar vorzuͤglich in der Klaſſe der Saͤugethiere ſowohl
der Zeit nach als dem Gange der allmaͤligen Ausbil-
dung der Formen, eine Reihe vorausgehen ſehen, wo
die Geſchlechter durch ihre groͤßere Koͤrpermaſſe und
Schwerfaͤlligkeit, durch die Langſamkeit ihrer Bewe-
gungen, ja wie zum Beyſpiel die untergegangenen Rie-
ſenthiere von dem Bau der Faulthiere, durch die Un-
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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/312>, abgerufen am 24.11.2024.
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