der den untern oder negativen des nächstfolgenden her- vorruft. Dieselbe Oscillation, die sich in der Bewe- gung der beyden thierischen Hälften ausdrückt, wird in dem Bau jener Spiralgefäße wiedergefunden.
So scheint sich, was sich im Thier noch überdies als Bewegung äußert, in der Pflanze schon allein im Wachsthum auszusprechen. Nur bey einigen weni- gen Pflanzen tritt dieser lebendige Geist, der sich sonst nur in dem stillen Werk des Vegetirens erschöpft, auch als wirkliche, nach außen sichtbare Bewegung auf. Zu diesen gehört vorzüglich das merkwürdige Hedisa- rum gyrans, welches in unsern Gewächshäusern nicht eben selten ist. Man sieht die größern Blätter dieser Pflanze, ohne daß sie das leiseste Lüftchen berührt, ganz von selber und mit einander abwechselnd, bald sich erheben bald wieder sinken, während andere kleinere Blätter sich unaufhörlich in kreisförmiger Bewegung schwingen. Die Bewegung der Blätter nach jedem äußern Reiz, ist, wie schon erwähnt, nicht allein bey den Mimosen, sondern auch bey einigen andern Pflan- zen nichts seltnes. Noch weniger ist es jene Bewe- gung der Blüthen, die sich nach dem Stand der Son- ne richtet.
Ja gerade bey einer der unvollkommensten Pflan- zenarten, bey den Conferven, einem kleinen fast durchsichtigen Wesen, das öfters nur aus einigen zar- ten Fädchen besteht, und an feuchten Orten wächst,
der den untern oder negativen des naͤchſtfolgenden her- vorruft. Dieſelbe Oscillation, die ſich in der Bewe- gung der beyden thieriſchen Haͤlften ausdruͤckt, wird in dem Bau jener Spiralgefaͤße wiedergefunden.
So ſcheint ſich, was ſich im Thier noch uͤberdies als Bewegung aͤußert, in der Pflanze ſchon allein im Wachsthum auszuſprechen. Nur bey einigen weni- gen Pflanzen tritt dieſer lebendige Geiſt, der ſich ſonſt nur in dem ſtillen Werk des Vegetirens erſchoͤpft, auch als wirkliche, nach außen ſichtbare Bewegung auf. Zu dieſen gehoͤrt vorzuͤglich das merkwuͤrdige Hediſa- rum gyrans, welches in unſern Gewaͤchshaͤuſern nicht eben ſelten iſt. Man ſieht die groͤßern Blaͤtter dieſer Pflanze, ohne daß ſie das leiſeſte Luͤftchen beruͤhrt, ganz von ſelber und mit einander abwechſelnd, bald ſich erheben bald wieder ſinken, waͤhrend andere kleinere Blaͤtter ſich unaufhoͤrlich in kreisfoͤrmiger Bewegung ſchwingen. Die Bewegung der Blaͤtter nach jedem aͤußern Reiz, iſt, wie ſchon erwaͤhnt, nicht allein bey den Mimoſen, ſondern auch bey einigen andern Pflan- zen nichts ſeltnes. Noch weniger iſt es jene Bewe- gung der Bluͤthen, die ſich nach dem Stand der Son- ne richtet.
Ja gerade bey einer der unvollkommenſten Pflan- zenarten, bey den Conferven, einem kleinen faſt durchſichtigen Weſen, das oͤfters nur aus einigen zar- ten Faͤdchen beſteht, und an feuchten Orten waͤchſt,
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der den untern oder negativen des naͤchſtfolgenden her-
vorruft. Dieſelbe Oscillation, die ſich in der Bewe-
gung der beyden thieriſchen Haͤlften ausdruͤckt, wird in
dem Bau jener Spiralgefaͤße wiedergefunden.
So ſcheint ſich, was ſich im Thier noch uͤberdies
als Bewegung aͤußert, in der Pflanze ſchon allein im
Wachsthum auszuſprechen. Nur bey einigen weni-
gen Pflanzen tritt dieſer lebendige Geiſt, der ſich ſonſt
nur in dem ſtillen Werk des Vegetirens erſchoͤpft, auch
als wirkliche, nach außen ſichtbare Bewegung auf.
Zu dieſen gehoͤrt vorzuͤglich das merkwuͤrdige Hediſa-
rum gyrans, welches in unſern Gewaͤchshaͤuſern nicht
eben ſelten iſt. Man ſieht die groͤßern Blaͤtter dieſer
Pflanze, ohne daß ſie das leiſeſte Luͤftchen beruͤhrt,
ganz von ſelber und mit einander abwechſelnd, bald ſich
erheben bald wieder ſinken, waͤhrend andere kleinere
Blaͤtter ſich unaufhoͤrlich in kreisfoͤrmiger Bewegung
ſchwingen. Die Bewegung der Blaͤtter nach jedem
aͤußern Reiz, iſt, wie ſchon erwaͤhnt, nicht allein bey
den Mimoſen, ſondern auch bey einigen andern Pflan-
zen nichts ſeltnes. Noch weniger iſt es jene Bewe-
gung der Bluͤthen, die ſich nach dem Stand der Son-
ne richtet.
Ja gerade bey einer der unvollkommenſten Pflan-
zenarten, bey den Conferven, einem kleinen faſt
durchſichtigen Weſen, das oͤfters nur aus einigen zar-
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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/269>, abgerufen am 26.11.2024.
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