mente von ungleicher Größe sind, das Pistill den auch zu ungleicher Zeit reifenden Antheren, wenigstens durch allmälige Ausdehnung entgegen.
Ja es zeigen bey vielen vollkommneren Pflanzen selbst noch die Behältnisse der reifen Früchte eine sol- che thierische Reizbarkeit. So bey der Impatiens, wo die einzelnen Kapseln bey der leisesten Berührung die Früchte in weiter Entfernung ausstreuen, bey eini- gen Geranien, und selbst bey der gemeinen Gerste, de- ren Bart sich bey feuchtem Wetter ausdehnt, und so die Früchte aus dem Boden ihres Behältnisses hervor- zieht, bey trocknem Wetter sich verkürzt, und sie so zurückhält. Ueberhaupt finden wir bey allen diesen, dem Anscheine nach reizbaren Fruchtbehältnissen, jene hygrometrische Beschaffenheit, vermöge welcher sie, gerade nur in feuchtem Wetter, wo die ausgesäeten Früchte allein einen günstigen Boden finden, das Ausstreuen derselben befördern, bey trocknem sich ver- schlossen halten.
Es sind diese Erscheinungen, in der Geschichte des allgemeinen Lebens von einer tiefen Bedeutung. Ge- rade in dem höchsten Moment des Blühens, welcher auch zugleich der des Verwelkens und des Todes ist, zeigt sich im Pflanzengeschlecht eine Vorahndung des höheren thierischen Daseyns. Es erwacht auf einmal eine vollkommnere Naturkraft, als Empfindlichkeit und Bewegung sich äußernd, welche bisher nie an der
mente von ungleicher Groͤße ſind, das Piſtill den auch zu ungleicher Zeit reifenden Antheren, wenigſtens durch allmaͤlige Ausdehnung entgegen.
Ja es zeigen bey vielen vollkommneren Pflanzen ſelbſt noch die Behaͤltniſſe der reifen Fruͤchte eine ſol- che thieriſche Reizbarkeit. So bey der Impatiens, wo die einzelnen Kapſeln bey der leiſeſten Beruͤhrung die Fruͤchte in weiter Entfernung ausſtreuen, bey eini- gen Geranien, und ſelbſt bey der gemeinen Gerſte, de- ren Bart ſich bey feuchtem Wetter ausdehnt, und ſo die Fruͤchte aus dem Boden ihres Behaͤltniſſes hervor- zieht, bey trocknem Wetter ſich verkuͤrzt, und ſie ſo zuruͤckhaͤlt. Ueberhaupt finden wir bey allen dieſen, dem Anſcheine nach reizbaren Fruchtbehaͤltniſſen, jene hygrometriſche Beſchaffenheit, vermoͤge welcher ſie, gerade nur in feuchtem Wetter, wo die ausgeſaͤeten Fruͤchte allein einen guͤnſtigen Boden finden, das Ausſtreuen derſelben befoͤrdern, bey trocknem ſich ver- ſchloſſen halten.
Es ſind dieſe Erſcheinungen, in der Geſchichte des allgemeinen Lebens von einer tiefen Bedeutung. Ge- rade in dem hoͤchſten Moment des Bluͤhens, welcher auch zugleich der des Verwelkens und des Todes iſt, zeigt ſich im Pflanzengeſchlecht eine Vorahndung des hoͤheren thieriſchen Daſeyns. Es erwacht auf einmal eine vollkommnere Naturkraft, als Empfindlichkeit und Bewegung ſich aͤußernd, welche bisher nie an der
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mente von ungleicher Groͤße ſind, das Piſtill den auch
zu ungleicher Zeit reifenden Antheren, wenigſtens durch
allmaͤlige Ausdehnung entgegen.
Ja es zeigen bey vielen vollkommneren Pflanzen
ſelbſt noch die Behaͤltniſſe der reifen Fruͤchte eine ſol-
che thieriſche Reizbarkeit. So bey der Impatiens,
wo die einzelnen Kapſeln bey der leiſeſten Beruͤhrung
die Fruͤchte in weiter Entfernung ausſtreuen, bey eini-
gen Geranien, und ſelbſt bey der gemeinen Gerſte, de-
ren Bart ſich bey feuchtem Wetter ausdehnt, und ſo
die Fruͤchte aus dem Boden ihres Behaͤltniſſes hervor-
zieht, bey trocknem Wetter ſich verkuͤrzt, und ſie ſo
zuruͤckhaͤlt. Ueberhaupt finden wir bey allen dieſen,
dem Anſcheine nach reizbaren Fruchtbehaͤltniſſen, jene
hygrometriſche Beſchaffenheit, vermoͤge welcher ſie,
gerade nur in feuchtem Wetter, wo die ausgeſaͤeten
Fruͤchte allein einen guͤnſtigen Boden finden, das
Ausſtreuen derſelben befoͤrdern, bey trocknem ſich ver-
ſchloſſen halten.
Es ſind dieſe Erſcheinungen, in der Geſchichte des
allgemeinen Lebens von einer tiefen Bedeutung. Ge-
rade in dem hoͤchſten Moment des Bluͤhens, welcher
auch zugleich der des Verwelkens und des Todes iſt,
zeigt ſich im Pflanzengeſchlecht eine Vorahndung des
hoͤheren thieriſchen Daſeyns. Es erwacht auf einmal
eine vollkommnere Naturkraft, als Empfindlichkeit und
Bewegung ſich aͤußernd, welche bisher nie an der
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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/263>, abgerufen am 25.11.2024.
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