welche der Mond gegen das Meerwasser ausübt, wo- durch er Ebbe und Fluth bewirkt. *) Die Wahrheit des Gesetzes, die ihm aber für die Ansicht, die sich schon früher in ihm über das 2te von ihm entdeckte Gesetz gebildet hatte, nicht günstig seyn konnte, war ihm demohnerachtet so einleuchtend, daß ihm nach seinem eignen Ausdruck dieser Streit des wahren Ge- setzes gegen eine früher gebildete Ansicht, wirklich quälend war, und daß er ihn deshalb auf alle Wei- se auszuweichen gesucht. Es wird dieses höchst be- greiflich, wenn man sieht, wie der Schluß, den er aus seinem 2ten Gesetz, das sich, wie Neuton gezeigt hat, sehr gut auch aus dem Gesetz der Schwere erklä- ren läßt, gezogen, daß nämlich die durch die Kraft der Sonne bewirkte Geschwindigkeit der Planeten bey ihrem Umlauf um dieselbe, in den verschiednen Thei- len der Bahn, dem einfachen Verhältnis der Entfer- nung folgen müsse, aus der freylich viel weniger künst- lichen von ihm gewählten mathematischen Methode nothwendig folgte. Er hielt sich, indem er das, was er mit tiefen und wahrhaften Schlüssen über das Ge- setz der Schwere gefunden verwarf, nach seiner Ueber- zeugung mehr an das, was ihm die Natur unmittel- bar zu lehren schien, und es würde wohl jeder ächte Naturforscher, wo in einem ähnlichen Fall zwischen
*) Sein Werk über Mars ist bekanntlich eines der früheren. Vielleicht ließen sich aus den späteren Werken noch viel evi- dentere und deutlichere Stellen auswählen.
welche der Mond gegen das Meerwaſſer ausuͤbt, wo- durch er Ebbe und Fluth bewirkt. *) Die Wahrheit des Geſetzes, die ihm aber fuͤr die Anſicht, die ſich ſchon fruͤher in ihm uͤber das 2te von ihm entdeckte Geſetz gebildet hatte, nicht guͤnſtig ſeyn konnte, war ihm demohnerachtet ſo einleuchtend, daß ihm nach ſeinem eignen Ausdruck dieſer Streit des wahren Ge- ſetzes gegen eine fruͤher gebildete Anſicht, wirklich quaͤlend war, und daß er ihn deshalb auf alle Wei- ſe auszuweichen geſucht. Es wird dieſes hoͤchſt be- greiflich, wenn man ſieht, wie der Schluß, den er aus ſeinem 2ten Geſetz, das ſich, wie Neuton gezeigt hat, ſehr gut auch aus dem Geſetz der Schwere erklaͤ- ren laͤßt, gezogen, daß naͤmlich die durch die Kraft der Sonne bewirkte Geſchwindigkeit der Planeten bey ihrem Umlauf um dieſelbe, in den verſchiednen Thei- len der Bahn, dem einfachen Verhaͤltnis der Entfer- nung folgen muͤſſe, aus der freylich viel weniger kuͤnſt- lichen von ihm gewaͤhlten mathematiſchen Methode nothwendig folgte. Er hielt ſich, indem er das, was er mit tiefen und wahrhaften Schluͤſſen uͤber das Ge- ſetz der Schwere gefunden verwarf, nach ſeiner Ueber- zeugung mehr an das, was ihm die Natur unmittel- bar zu lehren ſchien, und es wuͤrde wohl jeder aͤchte Naturforſcher, wo in einem aͤhnlichen Fall zwiſchen
*) Sein Werk uͤber Mars iſt bekanntlich eines der fruͤheren. Vielleicht ließen ſich aus den ſpaͤteren Werken noch viel evi- dentere und deutlichere Stellen auswaͤhlen.
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welche der Mond gegen das Meerwaſſer ausuͤbt, wo-
durch er Ebbe und Fluth bewirkt. *) Die Wahrheit
des Geſetzes, die ihm aber fuͤr die Anſicht, die ſich
ſchon fruͤher in ihm uͤber das 2te von ihm entdeckte
Geſetz gebildet hatte, nicht guͤnſtig ſeyn konnte, war
ihm demohnerachtet ſo einleuchtend, daß ihm nach
ſeinem eignen Ausdruck dieſer Streit des wahren Ge-
ſetzes gegen eine fruͤher gebildete Anſicht, wirklich
quaͤlend war, und daß er ihn deshalb auf alle Wei-
ſe auszuweichen geſucht. Es wird dieſes hoͤchſt be-
greiflich, wenn man ſieht, wie der Schluß, den er
aus ſeinem 2ten Geſetz, das ſich, wie Neuton gezeigt
hat, ſehr gut auch aus dem Geſetz der Schwere erklaͤ-
ren laͤßt, gezogen, daß naͤmlich die durch die Kraft
der Sonne bewirkte Geſchwindigkeit der Planeten bey
ihrem Umlauf um dieſelbe, in den verſchiednen Thei-
len der Bahn, dem einfachen Verhaͤltnis der Entfer-
nung folgen muͤſſe, aus der freylich viel weniger kuͤnſt-
lichen von ihm gewaͤhlten mathematiſchen Methode
nothwendig folgte. Er hielt ſich, indem er das, was
er mit tiefen und wahrhaften Schluͤſſen uͤber das Ge-
ſetz der Schwere gefunden verwarf, nach ſeiner Ueber-
zeugung mehr an das, was ihm die Natur unmittel-
bar zu lehren ſchien, und es wuͤrde wohl jeder aͤchte
Naturforſcher, wo in einem aͤhnlichen Fall zwiſchen
*) Sein Werk uͤber Mars iſt bekanntlich eines der fruͤheren.
Vielleicht ließen ſich aus den ſpaͤteren Werken noch viel evi-
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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/176>, abgerufen am 24.11.2024.
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