Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

von den damaligen Christen mit jenem krankhaften
Wahnsinn verglichen, welchen sie Dämonismus ge-
nannt; beyde zeigten dieselben Symptome, und wur-
den auf dieselbe Weise geheilt. Ja selbst Lucan be-
schreibt die Begeisterung der Pythia wie einen dem epi-
leptischen nicht unähnlichen Zustand, während derselbe
bey Virgil freylich unter einem edleren, erhabneren
Bilde erscheint, obgleich der übereinstimmende Bericht
aller Schriftsteller der damaligen Kirche, näher mit Lu-
cans Beschreibung übereintrifft.

Einige Erscheinungen aus der Geschichte der Ora-
kel, sind gewissen bey dem Somnambulismus beobach-
teten nicht unähnlich. Es gehört hieher selbst die aller-
dings merkwürdige Gewalt der ersten Christen über
Dämonische und über die von Apoll Erfüllten. Die-
se merkwürdige Thatsache läßt sich schwerlich läugnen,
da sich die damaligen Kirchenväter hierauf so häufig
wie auf etwas allgemein Bekanntes berufen, die Hei-
den selber zu Zeugen auffordern, und eine Menge vor
aller Augen geschehene Thatsachen, welche hieher ge-
hören, auführen. So hält Tertullian die Gewalt
über Dämonische und Begeisterte von der erwähnten
Art, für eine so unausbleibliche Eigenschaft der Christen,
daß er verlangte, diejenigen (als schlechte ungläubige
Christen) mit dem Tode zu bestrafen, denen jene Ge-
walt fehlte. Wir finden diese Eigenschaft der Christen
bey Lactantius auf die vom Apoll Erfüllten angewen-
det, und Minutius Felix erwähnt gegen die Heiden

von den damaligen Chriſten mit jenem krankhaften
Wahnſinn verglichen, welchen ſie Daͤmonismus ge-
nannt; beyde zeigten dieſelben Symptome, und wur-
den auf dieſelbe Weiſe geheilt. Ja ſelbſt Lucan be-
ſchreibt die Begeiſterung der Pythia wie einen dem epi-
leptiſchen nicht unaͤhnlichen Zuſtand, waͤhrend derſelbe
bey Virgil freylich unter einem edleren, erhabneren
Bilde erſcheint, obgleich der uͤbereinſtimmende Bericht
aller Schriftſteller der damaligen Kirche, naͤher mit Lu-
cans Beſchreibung uͤbereintrifft.

Einige Erſcheinungen aus der Geſchichte der Ora-
kel, ſind gewiſſen bey dem Somnambulismus beobach-
teten nicht unaͤhnlich. Es gehoͤrt hieher ſelbſt die aller-
dings merkwuͤrdige Gewalt der erſten Chriſten uͤber
Daͤmoniſche und uͤber die von Apoll Erfuͤllten. Die-
ſe merkwuͤrdige Thatſache laͤßt ſich ſchwerlich laͤugnen,
da ſich die damaligen Kirchenvaͤter hierauf ſo haͤufig
wie auf etwas allgemein Bekanntes berufen, die Hei-
den ſelber zu Zeugen auffordern, und eine Menge vor
aller Augen geſchehene Thatſachen, welche hieher ge-
hoͤren, aufuͤhren. So haͤlt Tertullian die Gewalt
uͤber Daͤmoniſche und Begeiſterte von der erwaͤhnten
Art, fuͤr eine ſo unausbleibliche Eigenſchaft der Chriſten,
daß er verlangte, diejenigen (als ſchlechte unglaͤubige
Chriſten) mit dem Tode zu beſtrafen, denen jene Ge-
walt fehlte. Wir finden dieſe Eigenſchaft der Chriſten
bey Lactantius auf die vom Apoll Erfuͤllten angewen-
det, und Minutius Felix erwaͤhnt gegen die Heiden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0107" n="93"/>
von den damaligen Chri&#x017F;ten mit jenem krankhaften<lb/>
Wahn&#x017F;inn verglichen, welchen &#x017F;ie Da&#x0364;monismus ge-<lb/>
nannt; beyde zeigten die&#x017F;elben Symptome, und wur-<lb/>
den auf die&#x017F;elbe Wei&#x017F;e geheilt. Ja &#x017F;elb&#x017F;t Lucan be-<lb/>
&#x017F;chreibt die Begei&#x017F;terung der Pythia wie einen dem epi-<lb/>
lepti&#x017F;chen nicht una&#x0364;hnlichen Zu&#x017F;tand, wa&#x0364;hrend der&#x017F;elbe<lb/>
bey Virgil freylich unter einem edleren, erhabneren<lb/>
Bilde er&#x017F;cheint, obgleich der u&#x0364;berein&#x017F;timmende Bericht<lb/>
aller Schrift&#x017F;teller der damaligen Kirche, na&#x0364;her mit Lu-<lb/>
cans Be&#x017F;chreibung u&#x0364;bereintrifft.</p><lb/>
        <p>Einige Er&#x017F;cheinungen aus der Ge&#x017F;chichte der Ora-<lb/>
kel, &#x017F;ind gewi&#x017F;&#x017F;en bey dem Somnambulismus beobach-<lb/>
teten nicht una&#x0364;hnlich. Es geho&#x0364;rt hieher &#x017F;elb&#x017F;t die aller-<lb/>
dings merkwu&#x0364;rdige Gewalt der er&#x017F;ten Chri&#x017F;ten u&#x0364;ber<lb/>
Da&#x0364;moni&#x017F;che und u&#x0364;ber die von Apoll Erfu&#x0364;llten. Die-<lb/>
&#x017F;e merkwu&#x0364;rdige That&#x017F;ache la&#x0364;ßt &#x017F;ich &#x017F;chwerlich la&#x0364;ugnen,<lb/>
da &#x017F;ich die damaligen Kirchenva&#x0364;ter hierauf &#x017F;o ha&#x0364;ufig<lb/>
wie auf etwas allgemein Bekanntes berufen, die Hei-<lb/>
den &#x017F;elber zu Zeugen auffordern, und eine Menge vor<lb/>
aller Augen ge&#x017F;chehene That&#x017F;achen, welche hieher ge-<lb/>
ho&#x0364;ren, aufu&#x0364;hren. So ha&#x0364;lt Tertullian die Gewalt<lb/>
u&#x0364;ber Da&#x0364;moni&#x017F;che und Begei&#x017F;terte von der erwa&#x0364;hnten<lb/>
Art, fu&#x0364;r eine &#x017F;o unausbleibliche Eigen&#x017F;chaft der Chri&#x017F;ten,<lb/>
daß er verlangte, diejenigen (als &#x017F;chlechte ungla&#x0364;ubige<lb/>
Chri&#x017F;ten) mit dem Tode zu be&#x017F;trafen, denen jene Ge-<lb/>
walt fehlte. Wir finden die&#x017F;e Eigen&#x017F;chaft der Chri&#x017F;ten<lb/>
bey Lactantius auf die vom Apoll Erfu&#x0364;llten angewen-<lb/>
det, und Minutius Felix erwa&#x0364;hnt gegen die Heiden<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0107] von den damaligen Chriſten mit jenem krankhaften Wahnſinn verglichen, welchen ſie Daͤmonismus ge- nannt; beyde zeigten dieſelben Symptome, und wur- den auf dieſelbe Weiſe geheilt. Ja ſelbſt Lucan be- ſchreibt die Begeiſterung der Pythia wie einen dem epi- leptiſchen nicht unaͤhnlichen Zuſtand, waͤhrend derſelbe bey Virgil freylich unter einem edleren, erhabneren Bilde erſcheint, obgleich der uͤbereinſtimmende Bericht aller Schriftſteller der damaligen Kirche, naͤher mit Lu- cans Beſchreibung uͤbereintrifft. Einige Erſcheinungen aus der Geſchichte der Ora- kel, ſind gewiſſen bey dem Somnambulismus beobach- teten nicht unaͤhnlich. Es gehoͤrt hieher ſelbſt die aller- dings merkwuͤrdige Gewalt der erſten Chriſten uͤber Daͤmoniſche und uͤber die von Apoll Erfuͤllten. Die- ſe merkwuͤrdige Thatſache laͤßt ſich ſchwerlich laͤugnen, da ſich die damaligen Kirchenvaͤter hierauf ſo haͤufig wie auf etwas allgemein Bekanntes berufen, die Hei- den ſelber zu Zeugen auffordern, und eine Menge vor aller Augen geſchehene Thatſachen, welche hieher ge- hoͤren, aufuͤhren. So haͤlt Tertullian die Gewalt uͤber Daͤmoniſche und Begeiſterte von der erwaͤhnten Art, fuͤr eine ſo unausbleibliche Eigenſchaft der Chriſten, daß er verlangte, diejenigen (als ſchlechte unglaͤubige Chriſten) mit dem Tode zu beſtrafen, denen jene Ge- walt fehlte. Wir finden dieſe Eigenſchaft der Chriſten bey Lactantius auf die vom Apoll Erfuͤllten angewen- det, und Minutius Felix erwaͤhnt gegen die Heiden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/107
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/107>, abgerufen am 23.11.2024.