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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895.

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Zehnte Vorlesung.
bleiben, ein binäres Relativ a durch die Systeme a ; 1, a j 0, an ; 1 und
an j 0 und deren Konverse auszudrücken, aus diesen allein schon es
abzuleiten!

Der Umstand, dass mit dieser Festsetzung (71) wenn nicht Aus-
nahmen geschaffen, so doch eine Nötigung zur Beobachtung besondrer
Vorsichten beim Rechnen eingeführt wird, würde es unter dem rech-
nerischen Gesichtspunkte fraglich erscheinen lassen, ob überhaupt es
in der Algebra sich empfehle, besagte Festsetzung zu treffen. Dem
steht indess gegenüber, dass die im gewöhnlichen Denken so häufig
vollzogene Umwandlung von relativen Begriffen in die absoluten uns
belehrt, dass für die Zwecke der Interpretation, und Anwendung unsrer
Algebra auf das verbale Denken, besagter Prozess doch nicht ohne
Wichtigkeit sein kann:

Gemäss (71) -- indem man von ai j blos ai beibehält -- den
zweiten Index jedes Relativkoeffizienten fallen zu lassen, somit bei a
vom Korrelate zu abstrahiren
, und das ist imgrunde: das binäre Relativ a
in das System a
; 1 verwandeln, heisst nichts andres als wie: den rela-
tiven Begriff
"a von-" in den absoluten "a" umzudeuten, von jenem auf
diesen schliessen -- ein Prozess, den ich in der ersten Vorlesung als
eine Zurückdeutung des Relativs a aus dem zweiten in den ersten
Denkbereich bezeichnet habe.

Da durch ein gegebnes a ; 1 noch keineswegs a bestimmt erscheint,
so lässt sich beim Wiedervordeuten das ursprüngliche Relativ nicht
mehr zurückgewinnen -- wie man denn von jemand, von dem blos
bekannt ist, dass er "Liebender" ist, d. h. dass es Personen gibt, die
er liebt, damit allein noch nicht wissen wird, welche Personen es sind,
die er liebt.

Dazu, dass die linkseitige Formel 74) nicht als Gleichung gilt,
haben wir implizite schon S. 81 ein Beispiel erörtert (wobei blos
"jemand" für den "Dienenden" zu sagen). Es sei zum Schlusse auch
noch der Formel 73) eine exemplifizirende Betrachtung gewidmet.

Mit dem gleichen Rechte, wie bei der Exemplifikation unter (71)
haben wir als "Nichtliebenden" alles, einen jeden zu bezeichnen, der
überhaupt irgendetwas, gewisse Personen nicht liebt. Ebendieser kann
sehr wohl (gewisse andre) Personen auch lieben; er kann zugleich
auch "Liebender" sein. Die absoluten Begriffe Liebender und Nicht-
liebender schliessen sich also keineswegs aus, sind nicht disjunkt; sie
stehen nicht einmal in konträrem Gegensatz zu einander, geschweige
in kontradiktorischem. Wenn i nicht ein Liebender ist, so -- be-
sagt 73) -- ist i jedenfalls ein Nichtliebender, aber nicht umgekehrt!

Zehnte Vorlesung.
bleiben, ein binäres Relativ a durch die Systeme a ; 1, a ɟ 0, ; 1 und
ɟ 0 und deren Konverse auszudrücken, aus diesen allein schon es
abzuleiten!

Der Umstand, dass mit dieser Festsetzung (71) wenn nicht Aus-
nahmen geschaffen, so doch eine Nötigung zur Beobachtung besondrer
Vorsichten beim Rechnen eingeführt wird, würde es unter dem rech-
nerischen Gesichtspunkte fraglich erscheinen lassen, ob überhaupt es
in der Algebra sich empfehle, besagte Festsetzung zu treffen. Dem
steht indess gegenüber, dass die im gewöhnlichen Denken so häufig
vollzogene Umwandlung von relativen Begriffen in die absoluten uns
belehrt, dass für die Zwecke der Interpretation, und Anwendung unsrer
Algebra auf das verbale Denken, besagter Prozess doch nicht ohne
Wichtigkeit sein kann:

Gemäss (71) — indem man von ai j blos ai beibehält — den
zweiten Index jedes Relativkoeffizienten fallen zu lassen, somit bei a
vom Korrelate zu abstrahiren
, und das ist imgrunde: das binäre Relativ a
in das System a
; 1 verwandeln, heisst nichts andres als wie: den rela-
tiven Begriff
a von-“ in den absolutenaumzudeuten, von jenem auf
diesen schliessen — ein Prozess, den ich in der ersten Vorlesung als
eine Zurückdeutung des Relativs a aus dem zweiten in den ersten
Denkbereich bezeichnet habe.

Da durch ein gegebnes a ; 1 noch keineswegs a bestimmt erscheint,
so lässt sich beim Wiedervordeuten das ursprüngliche Relativ nicht
mehr zurückgewinnen — wie man denn von jemand, von dem blos
bekannt ist, dass er „Liebender“ ist, d. h. dass es Personen gibt, die
er liebt, damit allein noch nicht wissen wird, welche Personen es sind,
die er liebt.

Dazu, dass die linkseitige Formel 74) nicht als Gleichung gilt,
haben wir implizite schon S. 81 ein Beispiel erörtert (wobei blos
„jemand“ für den „Dienenden“ zu sagen). Es sei zum Schlusse auch
noch der Formel 73) eine exemplifizirende Betrachtung gewidmet.

Mit dem gleichen Rechte, wie bei der Exemplifikation unter (71)
haben wir als „Nichtliebenden“ alles, einen jeden zu bezeichnen, der
überhaupt irgendetwas, gewisse Personen nicht liebt. Ebendieser kann
sehr wohl (gewisse andre) Personen auch lieben; er kann zugleich
auch „Liebender“ sein. Die absoluten Begriffe Liebender und Nicht-
liebender schliessen sich also keineswegs aus, sind nicht disjunkt; sie
stehen nicht einmal in konträrem Gegensatz zu einander, geschweige
in kontradiktorischem. Wenn i nicht ein Liebender ist, so — be-
sagt 73) — ist i jedenfalls ein Nichtliebender, aber nicht umgekehrt!

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[466/0480] Zehnte Vorlesung. bleiben, ein binäres Relativ a durch die Systeme a ; 1, a ɟ 0, ā ; 1 und ā ɟ 0 und deren Konverse auszudrücken, aus diesen allein schon es abzuleiten! Der Umstand, dass mit dieser Festsetzung (71) wenn nicht Aus- nahmen geschaffen, so doch eine Nötigung zur Beobachtung besondrer Vorsichten beim Rechnen eingeführt wird, würde es unter dem rech- nerischen Gesichtspunkte fraglich erscheinen lassen, ob überhaupt es in der Algebra sich empfehle, besagte Festsetzung zu treffen. Dem steht indess gegenüber, dass die im gewöhnlichen Denken so häufig vollzogene Umwandlung von relativen Begriffen in die absoluten uns belehrt, dass für die Zwecke der Interpretation, und Anwendung unsrer Algebra auf das verbale Denken, besagter Prozess doch nicht ohne Wichtigkeit sein kann: Gemäss (71) — indem man von ai j blos ai beibehält — den zweiten Index jedes Relativkoeffizienten fallen zu lassen, somit bei a vom Korrelate zu abstrahiren, und das ist imgrunde: das binäre Relativ a in das System a ; 1 verwandeln, heisst nichts andres als wie: den rela- tiven Begriff „a von-“ in den absoluten „a“ umzudeuten, von jenem auf diesen schliessen — ein Prozess, den ich in der ersten Vorlesung als eine Zurückdeutung des Relativs a aus dem zweiten in den ersten Denkbereich bezeichnet habe. Da durch ein gegebnes a ; 1 noch keineswegs a bestimmt erscheint, so lässt sich beim Wiedervordeuten das ursprüngliche Relativ nicht mehr zurückgewinnen — wie man denn von jemand, von dem blos bekannt ist, dass er „Liebender“ ist, d. h. dass es Personen gibt, die er liebt, damit allein noch nicht wissen wird, welche Personen es sind, die er liebt. Dazu, dass die linkseitige Formel 74) nicht als Gleichung gilt, haben wir implizite schon S. 81 ein Beispiel erörtert (wobei blos „jemand“ für den „Dienenden“ zu sagen). Es sei zum Schlusse auch noch der Formel 73) eine exemplifizirende Betrachtung gewidmet. Mit dem gleichen Rechte, wie bei der Exemplifikation unter (71) haben wir als „Nichtliebenden“ alles, einen jeden zu bezeichnen, der überhaupt irgendetwas, gewisse Personen nicht liebt. Ebendieser kann sehr wohl (gewisse andre) Personen auch lieben; er kann zugleich auch „Liebender“ sein. Die absoluten Begriffe Liebender und Nicht- liebender schliessen sich also keineswegs aus, sind nicht disjunkt; sie stehen nicht einmal in konträrem Gegensatz zu einander, geschweige in kontradiktorischem. Wenn i nicht ein Liebender ist, so — be- sagt 73) — ist i jedenfalls ein Nichtliebender, aber nicht umgekehrt!

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895/480>, abgerufen am 23.11.2024.