Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.Von J. Lüroth. gern nannte, folgen. In diesen "Vorlesungen über die Algebra derLogik" gibt uns Schröder eine ausführliche systematische Dar- stellung der ganzen Theorie, in der er die Forschungen der Engländer und Amerikaner, insbesondere von Charles S. Peirce, in einheitlichem Gewande, vermehrt durch zahlreiche eigene Untersuchungen vorträgt. Wie in seinem früheren Schriftchen, beschränkt er sich hier auf die Logik des Umfangs. Während er aber früher die Beweise und Definitionen auf die Betrachtung der Individuen gründete, stellt er jetzt in rein formaler Weise Definitionen an die Spitze, die einen Kalkul darstellen, den er als "identischen" bezeichnet. In dieser Weise wird zunächst die Subsumtion definirt, oder wie Schröder sagt, die Ein- ordnung, dann die Summe und das Produkt. Um die Formeln all- gemein gültig zu machen und gewisse Ausnahmen zu vermeiden, be- nutzt er mit Boole die durch das Symbol 0 bezeichnete Nullklasse, zu der im Gegensatz die Klasse 1 steht, die allen anderen übergeordnet ist und den ganzen Denkbereich umfasst. Es gelingt mit Hilfe von diesen Definitionen, eine ganze Anzahl der Rechnungsregeln des identischen Kalkuls zu beweisen. Insbesondere auch den einen Teil des Distributions- gesetzes a b + a c a (b + c). Dagegen gelingt es nicht, auch dessen zweiten Teil a (b + c) a b + a c abzuleiten; und in einem Anhang an das Buch gibt sogar Schröder einen strengen Beweis dafür, dass dies unmöglich ist, indem er eine Gruppe von Operationen aufzeigt, welche die Gesetze des identischen Kalkuls erfüllen, ohne dass der zweite Teil des Distributionsgesetzes gilt. Die genannten Deduktionen werden unterbrochen durch eine Untersuchung über die Deutung der Operationen, über die Übersetzung aus der Wortsprache in die Zeichensprache, wobei besonders die verschiedene Bedeutung von "oder" genau studirt wird. Um nun auch den zweiten Teil des Distributionsgesetzes zu beweisen, benutzt Schröder die Negation und setzt jenen zweiten Teil für einen speziellen Fall voraus. DieNegation an einer Klasse a, die Schröder das Negat von a nannte und "a-Strich" aussprach, definirt Schröder ebenfalls rein formal und zeigt dann ihre Identität mit denjenigen Dingen des Denkbereiches auf, die zur Klasse a nicht gehören. Die Frage, wie Urteile, die eine Ver- neinung enthalten, in die Zeichensprache zu übersetzen seien, macht eine genauere Untersuchung nötig über die Bedeutung eines Urteils, das eine Negation enthält; er entscheidet sich dafür, "a ist nicht b" zu übersetzen durch a = bn, womit er sich an die Ansicht von Aristoteles und Wundt anschliesst. Die Negation erlaubt, die Subtraktion und die Division, welche die englischen Logiker noch benutzt hatten, ganz zu umgehen und damit gewisse Schwierigkeiten zu vermeiden, die sich sonst einstellen. Die Be- Von J. Lüroth. gern nannte, folgen. In diesen „Vorlesungen über die Algebra derLogik“ gibt uns Schröder eine ausführliche systematische Dar- stellung der ganzen Theorie, in der er die Forschungen der Engländer und Amerikaner, insbesondere von Charles S. Peirce, in einheitlichem Gewande, vermehrt durch zahlreiche eigene Untersuchungen vorträgt. Wie in seinem früheren Schriftchen, beschränkt er sich hier auf die Logik des Umfangs. Während er aber früher die Beweise und Definitionen auf die Betrachtung der Individuen gründete, stellt er jetzt in rein formaler Weise Definitionen an die Spitze, die einen Kalkul darstellen, den er als „identischen“ bezeichnet. In dieser Weise wird zunächst die Subsumtion definirt, oder wie Schröder sagt, die Ein- ordnung, dann die Summe und das Produkt. Um die Formeln all- gemein gültig zu machen und gewisse Ausnahmen zu vermeiden, be- nutzt er mit Boole die durch das Symbol 0 bezeichnete Nullklasse, zu der im Gegensatz die Klasse 1 steht, die allen anderen übergeordnet ist und den ganzen Denkbereich umfasst. Es gelingt mit Hilfe von diesen Definitionen, eine ganze Anzahl der Rechnungsregeln des identischen Kalkuls zu beweisen. Insbesondere auch den einen Teil des Distributions- gesetzes a b + a c a (b + c). Dagegen gelingt es nicht, auch dessen zweiten Teil a (b + c) a b + a c abzuleiten; und in einem Anhang an das Buch gibt sogar Schröder einen strengen Beweis dafür, dass dies unmöglich ist, indem er eine Gruppe von Operationen aufzeigt, welche die Gesetze des identischen Kalkuls erfüllen, ohne dass der zweite Teil des Distributionsgesetzes gilt. Die genannten Deduktionen werden unterbrochen durch eine Untersuchung über die Deutung der Operationen, über die Übersetzung aus der Wortsprache in die Zeichensprache, wobei besonders die verschiedene Bedeutung von „oder“ genau studirt wird. Um nun auch den zweiten Teil des Distributionsgesetzes zu beweisen, benutzt Schröder die Negation und setzt jenen zweiten Teil für einen speziellen Fall voraus. DieNegation ā einer Klasse a, die Schröder das Negat von a nannte und „a-Strich“ aussprach, definirt Schröder ebenfalls rein formal und zeigt dann ihre Identität mit denjenigen Dingen des Denkbereiches auf, die zur Klasse a nicht gehören. Die Frage, wie Urteile, die eine Ver- neinung enthalten, in die Zeichensprache zu übersetzen seien, macht eine genauere Untersuchung nötig über die Bedeutung eines Urteils, das eine Negation enthält; er entscheidet sich dafür, „a ist nicht b“ zu übersetzen durch a = b̄, womit er sich an die Ansicht von Aristoteles und Wundt anschliesst. Die Negation erlaubt, die Subtraktion und die Division, welche die englischen Logiker noch benutzt hatten, ganz zu umgehen und damit gewisse Schwierigkeiten zu vermeiden, die sich sonst einstellen. Die Be- <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0023" n="XI"/><fw place="top" type="header">Von J. Lüroth.</fw><lb/> gern nannte, folgen. In diesen „Vorlesungen über die Algebra der<lb/> Logik“ gibt uns <hi rendition="#g">Schröder</hi> eine ausführliche systematische Dar-<lb/> stellung der ganzen Theorie, in der er die Forschungen der Engländer<lb/> und Amerikaner, insbesondere von <hi rendition="#g">Charles</hi> S. <hi rendition="#g">Peirce</hi>, in einheitlichem<lb/> Gewande, vermehrt durch zahlreiche eigene Untersuchungen vorträgt.<lb/> Wie in seinem früheren Schriftchen, beschränkt er sich hier auf<lb/> die Logik des Umfangs. 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Von J. Lüroth.
gern nannte, folgen. In diesen „Vorlesungen über die Algebra der
Logik“ gibt uns Schröder eine ausführliche systematische Dar-
stellung der ganzen Theorie, in der er die Forschungen der Engländer
und Amerikaner, insbesondere von Charles S. Peirce, in einheitlichem
Gewande, vermehrt durch zahlreiche eigene Untersuchungen vorträgt.
Wie in seinem früheren Schriftchen, beschränkt er sich hier auf
die Logik des Umfangs. Während er aber früher die Beweise und
Definitionen auf die Betrachtung der Individuen gründete, stellt er jetzt
in rein formaler Weise Definitionen an die Spitze, die einen Kalkul
darstellen, den er als „identischen“ bezeichnet. In dieser Weise wird
zunächst die Subsumtion definirt, oder wie Schröder sagt, die Ein-
ordnung, dann die Summe und das Produkt. Um die Formeln all-
gemein gültig zu machen und gewisse Ausnahmen zu vermeiden, be-
nutzt er mit Boole die durch das Symbol 0 bezeichnete Nullklasse,
zu der im Gegensatz die Klasse 1 steht, die allen anderen übergeordnet
ist und den ganzen Denkbereich umfasst. Es gelingt mit Hilfe von
diesen Definitionen, eine ganze Anzahl der Rechnungsregeln des identischen
Kalkuls zu beweisen. Insbesondere auch den einen Teil des Distributions-
gesetzes a b + a c a (b + c). Dagegen gelingt es nicht, auch dessen
zweiten Teil a (b + c) a b + a c abzuleiten; und in einem Anhang an
das Buch gibt sogar Schröder einen strengen Beweis dafür, dass dies
unmöglich ist, indem er eine Gruppe von Operationen aufzeigt, welche
die Gesetze des identischen Kalkuls erfüllen, ohne dass der zweite Teil
des Distributionsgesetzes gilt. Die genannten Deduktionen werden
unterbrochen durch eine Untersuchung über die Deutung der Operationen,
über die Übersetzung aus der Wortsprache in die Zeichensprache, wobei
besonders die verschiedene Bedeutung von „oder“ genau studirt wird. Um
nun auch den zweiten Teil des Distributionsgesetzes zu beweisen, benutzt
Schröder die Negation und setzt jenen zweiten Teil für einen speziellen
Fall voraus. DieNegation ā einer Klasse a, die Schröder das Negat von a
nannte und „a-Strich“ aussprach, definirt Schröder ebenfalls rein formal
und zeigt dann ihre Identität mit denjenigen Dingen des Denkbereiches
auf, die zur Klasse a nicht gehören. Die Frage, wie Urteile, die eine Ver-
neinung enthalten, in die Zeichensprache zu übersetzen seien, macht eine
genauere Untersuchung nötig über die Bedeutung eines Urteils, das eine
Negation enthält; er entscheidet sich dafür, „a ist nicht b“ zu übersetzen
durch a = b̄, womit er sich an die Ansicht von Aristoteles und Wundt
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