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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

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Sechsundzwanzigste Vorlesung.
zu dürfen, dass keineswegs A nie oder B stets zu gelten brauche, sondern
dass ganz beliebig Gelegenheiten darunter zu verstehen seien, wo bald A
nicht, bald wo B zutrifft, bald wo beides der Fall ist.

Nunmehr komme ich zum Haupt- und letzten Angelpunkt unserer
Streitfrage, nämlich zu meiner Ableitung des spezifischen Aussagen-
prinzips 3) (A = 1) = A aus dem Satze 4), wie ich sie S. 69, Z. 10
v. u. gegeben. Wer 4) zugegeben, der muss, wofern er nicht auch 3)
anerkennen will, diese Ableitung widerlegen, und zwar direkt, nicht
durch Versuche einer reductio, bei welchen allemal Fehler unterlaufen.
Auch ist die Ableitung nicht so verwickelt, dass nicht ein Fehler,
falls sie einen solchen enthielte, leicht aufzufinden sein müsste:
(A = 1) = (1 A) = 11 + A = 0 + A = A.

Der Aussagenkalkul bleibt hiernach also notwendig auf das Gebiet
der beiden Werte 0 und 1 beschränkt. Kein Mittelding gibt es für
Aussagen zwischen "ewig wahr" und "ewig falsch", und keine Tupfen-
Null 0, wie sie zugunsten der Darstellung zeitlich partikularer Aus-
sagen vorübergehend gebraucht wurde, für welche mein Satz 1)
(A 0) = (A = 1) nicht unerbittlich Geltung forderte.

Damit wird auch ein Vorwurf hinfällig, den mir Herr Husserl1
gemacht. Derselbe meint, ich hätte zuerst die Aussagenäquivalenz etc.
definiren, im Grunde also den Bd. 1 mit Bd. 2 beginnen sollen.

Er selbst glaubt eine Entdeckung gemacht zu haben, indem er die
Klassensubsumtion a b auf eine Aussagensubsumtion (x a) (x b)
zurückführt -- vergl. hiezu S. 83. Was er "seinen Folgerungskalkul"
nennt und 2, 3 als das bessere der Welt vorführt, ist, so weit richtig,
nichts als eine Transskription von Formeln und Deduktionen meines Buches
aufgrund dieses Gedankens. Das alles haben aber McColl und Peirce
schon längst so gemacht, und auch Frau Franklin scheint solche Grund-
lage -- noch -- vorziehen zu wollen.

Ich habe die ganze Theorie auf die breitere Grundlage des Klassen-
kalkuls gestellt, -- solchermassen auch der ersten Entwicklung der
Theorie durch Boole zu ihrem Rechte verhelfend, -- einesteils weil
die letzten Bestandteile der sekundären Aussagen, der hypothetischen
Urteile doch immer kategorische Klassenaussagen sind, sodann aber --
und dies ist ausschlaggebend, -- weil es inbezug auf die eine Hälfte
der kategorischen, nämlich die partikularen Urteile, ohnehin nicht
anders angeht. Auch die besseren Logikbücher, dünkt mich, pflegen
die hypothetischen nicht vor den kategorischen Urteilen zu behandeln.

Leider scheine ich unter den Mitarbeitern an unserer Disziplin
bis jetzt noch der einzige zu sein, der die vorstehenden Thatsachen er-
kannt und gewürdigt hat.

Sechsundzwanzigste Vorlesung.
zu dürfen, dass keineswegs A nie oder B stets zu gelten brauche, sondern
dass ganz beliebig Gelegenheiten darunter zu verstehen seien, wo bald A
nicht, bald wo B zutrifft, bald wo beides der Fall ist.

Nunmehr komme ich zum Haupt- und letzten Angelpunkt unserer
Streitfrage, nämlich zu meiner Ableitung des spezifischen Aussagen-
prinzips 3) (A = 1̇) = A aus dem Satze 4), wie ich sie S. 69, Z. 10
v. u. gegeben. Wer 4) zugegeben, der muss, wofern er nicht auch 3)
anerkennen will, diese Ableitung widerlegen, und zwar direkt, nicht
durch Versuche einer reductio, bei welchen allemal Fehler unterlaufen.
Auch ist die Ableitung nicht so verwickelt, dass nicht ein Fehler,
falls sie einen solchen enthielte, leicht aufzufinden sein müsste:
(A = 1̇) = (1̇ A) = 1̇1 + A = 0 + A = A.

Der Aussagenkalkul bleibt hiernach also notwendig auf das Gebiet
der beiden Werte 0 und 1̇ beschränkt. Kein Mittelding gibt es für
Aussagen zwischen „ewig wahr“ und „ewig falsch“, und keine Tupfen-
Null 0̇, wie sie zugunsten der Darstellung zeitlich partikularer Aus-
sagen vorübergehend gebraucht wurde, für welche mein Satz 1)
(A ≠ 0̇) = (A = 1̇) nicht unerbittlich Geltung forderte.

Damit wird auch ein Vorwurf hinfällig, den mir Herr Husserl1
gemacht. Derselbe meint, ich hätte zuerst die Aussagenäquivalenz etc.
definiren, im Grunde also den Bd. 1 mit Bd. 2 beginnen sollen.

Er selbst glaubt eine Entdeckung gemacht zu haben, indem er die
Klassensubsumtion a b auf eine Aussagensubsumtion (x a) (x b)
zurückführt — vergl. hiezu S. 83. Was er „seinen Folgerungskalkul“
nennt und 2, 3 als das bessere der Welt vorführt, ist, so weit richtig,
nichts als eine Transskription von Formeln und Deduktionen meines Buches
aufgrund dieses Gedankens. Das alles haben aber McColl und Peirce
schon längst so gemacht, und auch Frau Franklin scheint solche Grund-
lage — noch — vorziehen zu wollen.

Ich habe die ganze Theorie auf die breitere Grundlage des Klassen-
kalkuls gestellt, — solchermassen auch der ersten Entwicklung der
Theorie durch Boole zu ihrem Rechte verhelfend, — einesteils weil
die letzten Bestandteile der sekundären Aussagen, der hypothetischen
Urteile doch immer kategorische Klassenaussagen sind, sodann aber —
und dies ist ausschlaggebend, — weil es inbezug auf die eine Hälfte
der kategorischen, nämlich die partikularen Urteile, ohnehin nicht
anders angeht. Auch die besseren Logikbücher, dünkt mich, pflegen
die hypothetischen nicht vor den kategorischen Urteilen zu behandeln.

Leider scheine ich unter den Mitarbeitern an unserer Disziplin
bis jetzt noch der einzige zu sein, der die vorstehenden Thatsachen er-
kannt und gewürdigt hat.

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[484/0128] Sechsundzwanzigste Vorlesung. zu dürfen, dass keineswegs A nie oder B stets zu gelten brauche, sondern dass ganz beliebig Gelegenheiten darunter zu verstehen seien, wo bald A nicht, bald wo B zutrifft, bald wo beides der Fall ist. Nunmehr komme ich zum Haupt- und letzten Angelpunkt unserer Streitfrage, nämlich zu meiner Ableitung des spezifischen Aussagen- prinzips 3) (A = 1̇) = A aus dem Satze 4), wie ich sie S. 69, Z. 10 v. u. gegeben. Wer 4) zugegeben, der muss, wofern er nicht auch 3) anerkennen will, diese Ableitung widerlegen, und zwar direkt, nicht durch Versuche einer reductio, bei welchen allemal Fehler unterlaufen. Auch ist die Ableitung nicht so verwickelt, dass nicht ein Fehler, falls sie einen solchen enthielte, leicht aufzufinden sein müsste: (A = 1̇) = (1̇ A) = 1̇1 + A = 0 + A = A. Der Aussagenkalkul bleibt hiernach also notwendig auf das Gebiet der beiden Werte 0 und 1̇ beschränkt. Kein Mittelding gibt es für Aussagen zwischen „ewig wahr“ und „ewig falsch“, und keine Tupfen- Null 0̇, wie sie zugunsten der Darstellung zeitlich partikularer Aus- sagen vorübergehend gebraucht wurde, für welche mein Satz 1) (A ≠ 0̇) = (A = 1̇) nicht unerbittlich Geltung forderte. Damit wird auch ein Vorwurf hinfällig, den mir Herr Husserl1 gemacht. Derselbe meint, ich hätte zuerst die Aussagenäquivalenz etc. definiren, im Grunde also den Bd. 1 mit Bd. 2 beginnen sollen. Er selbst glaubt eine Entdeckung gemacht zu haben, indem er die Klassensubsumtion a b auf eine Aussagensubsumtion (x a) (x b) zurückführt — vergl. hiezu S. 83. Was er „seinen Folgerungskalkul“ nennt und 2, 3 als das bessere der Welt vorführt, ist, so weit richtig, nichts als eine Transskription von Formeln und Deduktionen meines Buches aufgrund dieses Gedankens. Das alles haben aber McColl und Peirce schon längst so gemacht, und auch Frau Franklin scheint solche Grund- lage — noch — vorziehen zu wollen. Ich habe die ganze Theorie auf die breitere Grundlage des Klassen- kalkuls gestellt, — solchermassen auch der ersten Entwicklung der Theorie durch Boole zu ihrem Rechte verhelfend, — einesteils weil die letzten Bestandteile der sekundären Aussagen, der hypothetischen Urteile doch immer kategorische Klassenaussagen sind, sodann aber — und dies ist ausschlaggebend, — weil es inbezug auf die eine Hälfte der kategorischen, nämlich die partikularen Urteile, ohnehin nicht anders angeht. Auch die besseren Logikbücher, dünkt mich, pflegen die hypothetischen nicht vor den kategorischen Urteilen zu behandeln. Leider scheine ich unter den Mitarbeitern an unserer Disziplin bis jetzt noch der einzige zu sein, der die vorstehenden Thatsachen er- kannt und gewürdigt hat.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/128>, abgerufen am 27.11.2024.