Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechsundzwanzigste Vorlesung.
wird. Wer daraus aber, nach dem unbestreitbaren Grundsatz: Gleiches,
summirt, gibt Gleiches, auf
S x = S a
schliessen wollte, beginge einen gröblichen Fehlschluss, da in beiden Summen
wol die ersten Glieder übereinstimmen, darum aber noch nicht notwendig
auch die übrigen. -- Und wer andererseits richtig
S x S a
neben x = a anerkennte, stiesse auf die Paradoxie eines (natürlich nur
scheinbaren) Widerspruches zu obigem Grundsatze, (oder wol auch zu dem
andern Grundsatz, dass Gleiches für Gleiches gesetzt werden dürfe).

All diese Schwierigkeiten entspringen aus dem Umstand, dass eine
Summe durch ihr erstes Glied nur unzulänglich bezeichnet ist.

Das zweite Beispiel -- von Herrn Lüroth -- bezieht sich auf einen
Satz der Differentialrechnung, bei dessen Anwendung der Anfänger Schwierig-
keiten zu finden pflegt; letztere beruhen auf der Unzulänglichkeit der ge-
bräuchlichen Bezeichnung partieller Differentialquotienten. Ist z. B. f eine
Funktion dreier Argumente x, y, z:
f = f (x, y, z),
und werden durch die Substitutionen
x = ph (u, v, w), y = ps (u, v, w), z = kh (u, v, w)
für x, y, z neue Variable u, v, w in
f = f (ph, ps, kh)
eingeführt, so besagt der gedachte Satz:
[Formel 1] und analog für [Formel 2] , [Formel 3] . -- Nimmt man nun beispielsweise
x = u, y = u v, z = w,
so ergibt sich leicht:
[Formel 4] ,
[Formel 5] .

Die letzte Gleichung scheint aus w = z als selbstverständliche zu folgen.
Dem gegenüber enthält jedoch die erste das Paradoxon, dass
[Formel 6] obwol u = x ist, -- entgegen dem evidenten Grundsatze, dass Gleiches nach
Gleichem differenzirt Gleiches geben müsse, oder dass man Gleiches für
Gleiches setzen dürfe. (Daran würde sich nichts ändern, wenn man für

Sechsundzwanzigste Vorlesung.
wird. Wer daraus aber, nach dem unbestreitbaren Grundsatz: Gleiches,
summirt, gibt Gleiches, auf
Σ x = Σ a
schliessen wollte, beginge einen gröblichen Fehlschluss, da in beiden Summen
wol die ersten Glieder übereinstimmen, darum aber noch nicht notwendig
auch die übrigen. — Und wer andererseits richtig
Σ xΣ a
neben x = a anerkennte, stiesse auf die Paradoxie eines (natürlich nur
scheinbaren) Widerspruches zu obigem Grundsatze, (oder wol auch zu dem
andern Grundsatz, dass Gleiches für Gleiches gesetzt werden dürfe).

All diese Schwierigkeiten entspringen aus dem Umstand, dass eine
Summe durch ihr erstes Glied nur unzulänglich bezeichnet ist.

Das zweite Beispiel — von Herrn Lüroth — bezieht sich auf einen
Satz der Differentialrechnung, bei dessen Anwendung der Anfänger Schwierig-
keiten zu finden pflegt; letztere beruhen auf der Unzulänglichkeit der ge-
bräuchlichen Bezeichnung partieller Differentialquotienten. Ist z. B. f eine
Funktion dreier Argumente x, y, z:
f = f (x, y, z),
und werden durch die Substitutionen
x = φ (u, v, w), y = ψ (u, v, w), z = χ (u, v, w)
für x, y, z neue Variable u, v, w in
f = f (φ, ψ, χ)
eingeführt, so besagt der gedachte Satz:
[Formel 1] und analog für [Formel 2] , [Formel 3] . — Nimmt man nun beispielsweise
x = u, y = u v, z = w,
so ergibt sich leicht:
[Formel 4] ,
[Formel 5] .

Die letzte Gleichung scheint aus w = z als selbstverständliche zu folgen.
Dem gegenüber enthält jedoch die erste das Paradoxon, dass
[Formel 6] obwol u = x ist, — entgegen dem evidenten Grundsatze, dass Gleiches nach
Gleichem differenzirt Gleiches geben müsse, oder dass man Gleiches für
Gleiches setzen dürfe. (Daran würde sich nichts ändern, wenn man für

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0118" n="474"/><fw place="top" type="header">Sechsundzwanzigste Vorlesung.</fw><lb/>
wird. Wer daraus aber, nach dem unbestreitbaren Grundsatz: Gleiches,<lb/>
summirt, gibt Gleiches, auf<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#i">&#x03A3; x</hi> = <hi rendition="#i">&#x03A3; a</hi></hi><lb/>
schliessen wollte, beginge einen gröblichen Fehlschluss, da in beiden Summen<lb/>
wol die ersten Glieder übereinstimmen, darum aber noch nicht notwendig<lb/>
auch die übrigen. &#x2014; Und wer andererseits richtig<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#i">&#x03A3; x</hi> &#x2260; <hi rendition="#i">&#x03A3; a</hi></hi><lb/>
neben <hi rendition="#i">x</hi> = <hi rendition="#i">a</hi> anerkennte, stiesse auf die Paradoxie eines (natürlich nur<lb/>
scheinbaren) Widerspruches zu obigem Grundsatze, (oder wol auch zu dem<lb/>
andern Grundsatz, dass Gleiches für Gleiches gesetzt werden dürfe).</p><lb/>
            <p>All diese Schwierigkeiten entspringen aus dem Umstand, dass eine<lb/>
Summe durch ihr erstes Glied nur unzulänglich bezeichnet ist.</p><lb/>
            <p>Das zweite Beispiel &#x2014; von Herrn <hi rendition="#g">Lüroth</hi> &#x2014; bezieht sich auf einen<lb/>
Satz der Differentialrechnung, bei dessen Anwendung der Anfänger Schwierig-<lb/>
keiten zu finden pflegt; letztere beruhen auf der Unzulänglichkeit der ge-<lb/>
bräuchlichen Bezeichnung partieller Differentialquotienten. Ist z. B. <hi rendition="#i">f</hi> eine<lb/>
Funktion dreier Argumente <hi rendition="#i">x</hi>, <hi rendition="#i">y</hi>, <hi rendition="#i">z</hi>:<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#i">f</hi> = <hi rendition="#i">f</hi> (<hi rendition="#i">x</hi>, <hi rendition="#i">y</hi>, <hi rendition="#i">z</hi>),</hi><lb/>
und werden durch die Substitutionen<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#i">x</hi> = <hi rendition="#i">&#x03C6;</hi> (<hi rendition="#i">u</hi>, <hi rendition="#i">v</hi>, <hi rendition="#i">w</hi>), <hi rendition="#i">y</hi> = <hi rendition="#i">&#x03C8;</hi> (<hi rendition="#i">u</hi>, <hi rendition="#i">v</hi>, <hi rendition="#i">w</hi>), <hi rendition="#i">z</hi> = <hi rendition="#i">&#x03C7;</hi> (<hi rendition="#i">u</hi>, <hi rendition="#i">v</hi>, <hi rendition="#i">w</hi>)</hi><lb/>
für <hi rendition="#i">x</hi>, <hi rendition="#i">y</hi>, <hi rendition="#i">z</hi> neue Variable <hi rendition="#i">u</hi>, <hi rendition="#i">v</hi>, <hi rendition="#i">w</hi> in<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#i">f</hi> = <hi rendition="#i">f</hi> (<hi rendition="#i">&#x03C6;</hi>, <hi rendition="#i">&#x03C8;</hi>, <hi rendition="#i">&#x03C7;</hi>)</hi><lb/>
eingeführt, so besagt der gedachte Satz:<lb/><hi rendition="#c"><formula/></hi> und analog für <formula/>, <formula/>. &#x2014; Nimmt man nun beispielsweise<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#i">x</hi> = <hi rendition="#i">u</hi>, <hi rendition="#i">y</hi> = <hi rendition="#i">u v</hi>, <hi rendition="#i">z</hi> = <hi rendition="#i">w</hi>,</hi><lb/>
so ergibt sich leicht:<lb/><hi rendition="#c"><formula/>,<lb/><formula/>.</hi><lb/>
Die letzte Gleichung scheint aus <hi rendition="#i">w</hi> = <hi rendition="#i">z</hi> als selbstverständliche zu folgen.<lb/>
Dem gegenüber enthält jedoch die erste das Paradoxon, dass<lb/><hi rendition="#c"><formula/></hi> obwol <hi rendition="#i">u</hi> = <hi rendition="#i">x</hi> ist, &#x2014; entgegen dem evidenten Grundsatze, dass Gleiches nach<lb/>
Gleichem differenzirt Gleiches geben müsse, oder dass man Gleiches für<lb/>
Gleiches setzen dürfe. (Daran würde sich nichts ändern, wenn man für<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[474/0118] Sechsundzwanzigste Vorlesung. wird. Wer daraus aber, nach dem unbestreitbaren Grundsatz: Gleiches, summirt, gibt Gleiches, auf Σ x = Σ a schliessen wollte, beginge einen gröblichen Fehlschluss, da in beiden Summen wol die ersten Glieder übereinstimmen, darum aber noch nicht notwendig auch die übrigen. — Und wer andererseits richtig Σ x ≠ Σ a neben x = a anerkennte, stiesse auf die Paradoxie eines (natürlich nur scheinbaren) Widerspruches zu obigem Grundsatze, (oder wol auch zu dem andern Grundsatz, dass Gleiches für Gleiches gesetzt werden dürfe). All diese Schwierigkeiten entspringen aus dem Umstand, dass eine Summe durch ihr erstes Glied nur unzulänglich bezeichnet ist. Das zweite Beispiel — von Herrn Lüroth — bezieht sich auf einen Satz der Differentialrechnung, bei dessen Anwendung der Anfänger Schwierig- keiten zu finden pflegt; letztere beruhen auf der Unzulänglichkeit der ge- bräuchlichen Bezeichnung partieller Differentialquotienten. Ist z. B. f eine Funktion dreier Argumente x, y, z: f = f (x, y, z), und werden durch die Substitutionen x = φ (u, v, w), y = ψ (u, v, w), z = χ (u, v, w) für x, y, z neue Variable u, v, w in f = f (φ, ψ, χ) eingeführt, so besagt der gedachte Satz: [FORMEL] und analog für [FORMEL], [FORMEL]. — Nimmt man nun beispielsweise x = u, y = u v, z = w, so ergibt sich leicht: [FORMEL], [FORMEL]. Die letzte Gleichung scheint aus w = z als selbstverständliche zu folgen. Dem gegenüber enthält jedoch die erste das Paradoxon, dass [FORMEL] obwol u = x ist, — entgegen dem evidenten Grundsatze, dass Gleiches nach Gleichem differenzirt Gleiches geben müsse, oder dass man Gleiches für Gleiches setzen dürfe. (Daran würde sich nichts ändern, wenn man für

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/118
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/118>, abgerufen am 23.11.2024.