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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

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§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse.
ständig verfielen, diese Letzteren allemal vollzählig zu nennen und
unzweifelhaft festzustellen, wer eine solche Wahrheit erstmals aus-
gesprochen.

Beispielsweise erscheint als Grundpfeiler unseres Lehrgebäudes Herrn
Peirce's Definition (3). Ich schreibe sie diesem Autor zu, obwol schon
vorher Herr McColl ebendieselben Sätze, die in verbaler Fassung als selbst-
verständliche sicherlich längst Gemeingut aller eine Sprache Sprechenden
waren, auch in der Zeichensprache des Aussagenkalkuls formulirt hatte.
Als das wesentliche Verdienst erscheint mir nämlich die Stellung, welche
Herr Peirce diesen Sätzen im System der Logik anwies, indem er sie eben
zu grundlegenden Definitionen erhob. -- Ebenso glaube ich, den Satz Th. 46),
dass die Negation einer entwickelten Funktion zu gewinnen durch Negiren
der Koeffizienten, mir selbst zusprechen zu dürfen, obwol ich nachträglich
innegeworden, dass für den Fall eines Arguments derselbe beinahe zu-
sammenfällt mit einem von Herrn Peirce schon früher publizirten Satze,
dem Th. k) von Bd. 1, S 376:
(a + x1) (b + x) = a x + b x1;
die aufgrund der Theoreme 36) und 31) naheliegende Anmerkung, dass
hier die linke Seite die Negation von a1 x + b1 x1 vorstellt, ist das noch fehlende
Glied der Kette, die letzte Sprosse zur Leiter der Wahrnehmung meines
Theorems -- abgesehen von der Ausdehnung auf mehr Argumente. --

Immerhin ist ein Übersehen, eine Ungerechtigkeit meinerseits
nicht ausgeschlossen bei der schon so ausgedehnten Literatur über den
Gegenstand, welche nicht nur eine vielsprachige ist im gewöhnlichen
Sinne, sondern auch infolge des Gebrauchs der verschiedenartigen Be-
zeichnungssysteme gleichsam die Entzifferung von mancherlei Geheim-
schriften erfordert, -- ganz abgesehen von Schwierigkeiten anderer Art,
mit denen man zu kämpfen hat, um sich alle Erzeugnisse dieser weit
zerstreuten Literatur überhaupt nur zugänglich zu machen. Die durch-
aus und allseitig befriedigende Bewältigung der damit angedeuteten Auf-
gabe würde nicht nur ein aussergewöhnliches Gedächtniss, sondern auch
eine Sammlung und Musse zur Konzentration des Geistes erfordern,
wie sie die mannigfaltigen Berufsgeschäfte wol selten einem Autor be-
willigen. -- Ich werde jede etwaige Berichtigung dankbar anerkennen
und nach Kräften zur Geltung bringen. Die letzte Hand an das Werk
der ausgleichenden Gerechtigkeit zu legen, wird der Geschichtsschreibung
überlassen bleiben.


§ 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse.
ständig verfielen, diese Letzteren allemal vollzählig zu nennen und
unzweifelhaft festzustellen, wer eine solche Wahrheit erstmals aus-
gesprochen.

Beispielsweise erscheint als Grundpfeiler unseres Lehrgebäudes Herrn
Peirce’s Definition (3). Ich schreibe sie diesem Autor zu, obwol schon
vorher Herr McColl ebendieselben Sätze, die in verbaler Fassung als selbst-
verständliche sicherlich längst Gemeingut aller eine Sprache Sprechenden
waren, auch in der Zeichensprache des Aussagenkalkuls formulirt hatte.
Als das wesentliche Verdienst erscheint mir nämlich die Stellung, welche
Herr Peirce diesen Sätzen im System der Logik anwies, indem er sie eben
zu grundlegenden Definitionen erhob. — Ebenso glaube ich, den Satz Th. 46),
dass die Negation einer entwickelten Funktion zu gewinnen durch Negiren
der Koeffizienten, mir selbst zusprechen zu dürfen, obwol ich nachträglich
innegeworden, dass für den Fall eines Arguments derselbe beinahe zu-
sammenfällt mit einem von Herrn Peirce schon früher publizirten Satze,
dem Th. ϰ) von Bd. 1, S 376:
(a + x1) (b + x) = a x + b x1;
die aufgrund der Theoreme 36) und 31) naheliegende Anmerkung, dass
hier die linke Seite die Negation von a1 x + b1 x1 vorstellt, ist das noch fehlende
Glied der Kette, die letzte Sprosse zur Leiter der Wahrnehmung meines
Theorems — abgesehen von der Ausdehnung auf mehr Argumente. —

Immerhin ist ein Übersehen, eine Ungerechtigkeit meinerseits
nicht ausgeschlossen bei der schon so ausgedehnten Literatur über den
Gegenstand, welche nicht nur eine vielsprachige ist im gewöhnlichen
Sinne, sondern auch infolge des Gebrauchs der verschiedenartigen Be-
zeichnungssysteme gleichsam die Entzifferung von mancherlei Geheim-
schriften erfordert, — ganz abgesehen von Schwierigkeiten anderer Art,
mit denen man zu kämpfen hat, um sich alle Erzeugnisse dieser weit
zerstreuten Literatur überhaupt nur zugänglich zu machen. Die durch-
aus und allseitig befriedigende Bewältigung der damit angedeuteten Auf-
gabe würde nicht nur ein aussergewöhnliches Gedächtniss, sondern auch
eine Sammlung und Musse zur Konzentration des Geistes erfordern,
wie sie die mannigfaltigen Berufsgeschäfte wol selten einem Autor be-
willigen. — Ich werde jede etwaige Berichtigung dankbar anerkennen
und nach Kräften zur Geltung bringen. Die letzte Hand an das Werk
der ausgleichenden Gerechtigkeit zu legen, wird der Geschichtsschreibung
überlassen bleiben.


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[463/0107] § 52. Rückblick nebst Ergänzungen aus dem neueren Literaturzuwachse. ständig verfielen, diese Letzteren allemal vollzählig zu nennen und unzweifelhaft festzustellen, wer eine solche Wahrheit erstmals aus- gesprochen. Beispielsweise erscheint als Grundpfeiler unseres Lehrgebäudes Herrn Peirce’s Definition (3). Ich schreibe sie diesem Autor zu, obwol schon vorher Herr McColl ebendieselben Sätze, die in verbaler Fassung als selbst- verständliche sicherlich längst Gemeingut aller eine Sprache Sprechenden waren, auch in der Zeichensprache des Aussagenkalkuls formulirt hatte. Als das wesentliche Verdienst erscheint mir nämlich die Stellung, welche Herr Peirce diesen Sätzen im System der Logik anwies, indem er sie eben zu grundlegenden Definitionen erhob. — Ebenso glaube ich, den Satz Th. 46), dass die Negation einer entwickelten Funktion zu gewinnen durch Negiren der Koeffizienten, mir selbst zusprechen zu dürfen, obwol ich nachträglich innegeworden, dass für den Fall eines Arguments derselbe beinahe zu- sammenfällt mit einem von Herrn Peirce schon früher publizirten Satze, dem Th. ϰ) von Bd. 1, S 376: (a + x1) (b + x) = a x + b x1; die aufgrund der Theoreme 36) und 31) naheliegende Anmerkung, dass hier die linke Seite die Negation von a1 x + b1 x1 vorstellt, ist das noch fehlende Glied der Kette, die letzte Sprosse zur Leiter der Wahrnehmung meines Theorems — abgesehen von der Ausdehnung auf mehr Argumente. — Immerhin ist ein Übersehen, eine Ungerechtigkeit meinerseits nicht ausgeschlossen bei der schon so ausgedehnten Literatur über den Gegenstand, welche nicht nur eine vielsprachige ist im gewöhnlichen Sinne, sondern auch infolge des Gebrauchs der verschiedenartigen Be- zeichnungssysteme gleichsam die Entzifferung von mancherlei Geheim- schriften erfordert, — ganz abgesehen von Schwierigkeiten anderer Art, mit denen man zu kämpfen hat, um sich alle Erzeugnisse dieser weit zerstreuten Literatur überhaupt nur zugänglich zu machen. Die durch- aus und allseitig befriedigende Bewältigung der damit angedeuteten Auf- gabe würde nicht nur ein aussergewöhnliches Gedächtniss, sondern auch eine Sammlung und Musse zur Konzentration des Geistes erfordern, wie sie die mannigfaltigen Berufsgeschäfte wol selten einem Autor be- willigen. — Ich werde jede etwaige Berichtigung dankbar anerkennen und nach Kräften zur Geltung bringen. Die letzte Hand an das Werk der ausgleichenden Gerechtigkeit zu legen, wird der Geschichtsschreibung überlassen bleiben.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/107>, abgerufen am 27.11.2024.