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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891.

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Sechzehnte Vorlesung.
als definirt erachten will um dann zu postuliren die Interpretation
dieses A + B als derjenigen Aussage welche die Geltung von A oder
(von) B statuirt, oder ob man umgekehrt diese letztere Deutung von
A + B hinstellen will als die Begriffserklärung unsrer Aussagensumme
und dann die Geltung der Subsumtionen (3+) als unmittelbar ein-
leuchtende postuliren:

Wenn C gilt wann A oder B gilt, so muss auch C gelten wann
A gilt, zugleich muss C gelten wann B gilt, sowie umgekehrt.

Im letzteren Falle würde die Konzeption einer Alternative (von
Annahmen, resp. Behauptungen) zu einem logischen Urbegriffe ge-
stempelt. -- Von dem auf solche Grundlagen zu stellenden Gebäude
von Sätzen will ich nur weniges einzeln hervorheben.

Durch die Theoreme 12) und 13) wird dargethan, dass bei simul-
tanen sowol als bei alternativen Aussagen die Reihenfolge und Grup-
pirung derselben gleichgültig ist (für ihren logischen Gehalt, ihre
Tragweite). Insbesondere gilt dies auch für solche Aussagen, welche
als Prämissen von Konklusionen zu figuriren haben.

Praktisch unterliegt freilich die Anwendung dieses Satzes gewissen
Einschränkungen, indem gewisse Aussagen, um verständlich zu werden, es
erfordern können, dass gewisse andere ihnen vorausgeschickt seien.

Der Beweis beim Kommutationsgesetze 12x) z. B. scheint auf den
ersten Blick auf eine "Petitio principii" einen Zirkelbeweis hinauszulaufen,
bei welchem von dem Satze den man beweisen will, bereits unterwegs
Gebrauch gemacht wird. Aus A B A und A B B gemäss Th. 6x)
schliesst man ja, dass A B B und A B A, darnach kraft (3x):
A B B A sei (desgleichen umgekehrt). Man gestattet sich demnach
augenscheinlich, auf jene zu Prämissen erhobenen beiden Subsumtionen
in der umgekehrten Ordnung als in welcher sie zuerst sich darboten,
sich zu berufen.

Die Erlaubniss dazu ist in der That aber durch das Prinzip In
schon garantirt, kraft dessen die als wahr zugegebene zweite Subsumtion
auch wieder anerkannt werden muss, wenn man sie -- etwa als erste
-- zu wiederholen beliebt.

Auf die im § 10 dargelegte Weise erst zu beweisen, dass Reihen-
folge und Gruppirung der Prämissen in unser Belieben gestellt ist,
erscheint dann freilich als ein Luxus, indem solches schon unmittelbar
aus Prinzip In hervorgeht.

Gilt z. B. A B C, so gilt auch A B nebst C, sowie A nebst B C
desgleichen gilt dann C B A. Denn muss jede einzelne Prämisse im
Falle des Wiederholtwerdens bei jeder Gelegenheit anerkannt werden,

Sechzehnte Vorlesung.
als definirt erachten will um dann zu postuliren die Interpretation
dieses A + B als derjenigen Aussage welche die Geltung von A oder
(von) B statuirt, oder ob man umgekehrt diese letztere Deutung von
A + B hinstellen will als die Begriffserklärung unsrer Aussagensumme
und dann die Geltung der Subsumtionen (3̅+) als unmittelbar ein-
leuchtende postuliren:

Wenn C gilt wann A oder B gilt, so muss auch C gelten wann
A gilt, zugleich muss C gelten wann B gilt, sowie umgekehrt.

Im letzteren Falle würde die Konzeption einer Alternative (von
Annahmen, resp. Behauptungen) zu einem logischen Urbegriffe ge-
stempelt. — Von dem auf solche Grundlagen zu stellenden Gebäude
von Sätzen will ich nur weniges einzeln hervorheben.

Durch die Theoreme 1̅2̅) und 1̅3̅) wird dargethan, dass bei simul-
tanen sowol als bei alternativen Aussagen die Reihenfolge und Grup-
pirung derselben gleichgültig ist (für ihren logischen Gehalt, ihre
Tragweite). Insbesondere gilt dies auch für solche Aussagen, welche
als Prämissen von Konklusionen zu figuriren haben.

Praktisch unterliegt freilich die Anwendung dieses Satzes gewissen
Einschränkungen, indem gewisse Aussagen, um verständlich zu werden, es
erfordern können, dass gewisse andere ihnen vorausgeschickt seien.

Der Beweis beim Kommutationsgesetze 1̅2̅×) z. B. scheint auf den
ersten Blick auf eine „Petitio principii“ einen Zirkelbeweis hinauszulaufen,
bei welchem von dem Satze den man beweisen will, bereits unterwegs
Gebrauch gemacht wird. Aus A B A und A B B gemäss Th. 6̅×)
schliesst man ja, dass A B B und A B A, darnach kraft (3̅×):
A B B A sei (desgleichen umgekehrt). Man gestattet sich demnach
augenscheinlich, auf jene zu Prämissen erhobenen beiden Subsumtionen
in der umgekehrten Ordnung als in welcher sie zuerst sich darboten,
sich zu berufen.

Die Erlaubniss dazu ist in der That aber durch das Prinzip Ī
schon garantirt, kraft dessen die als wahr zugegebene zweite Subsumtion
auch wieder anerkannt werden muss, wenn man sie — etwa als erste
— zu wiederholen beliebt.

Auf die im § 10 dargelegte Weise erst zu beweisen, dass Reihen-
folge und Gruppirung der Prämissen in unser Belieben gestellt ist,
erscheint dann freilich als ein Luxus, indem solches schon unmittelbar
aus Prinzip Ī hervorgeht.

Gilt z. B. A B C, so gilt auch A B nebst C, sowie A nebst B C
desgleichen gilt dann C B A. Denn muss jede einzelne Prämisse im
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[56/0080] Sechzehnte Vorlesung. als definirt erachten will um dann zu postuliren die Interpretation dieses A + B als derjenigen Aussage welche die Geltung von A oder (von) B statuirt, oder ob man umgekehrt diese letztere Deutung von A + B hinstellen will als die Begriffserklärung unsrer Aussagensumme und dann die Geltung der Subsumtionen (3̅+) als unmittelbar ein- leuchtende postuliren: Wenn C gilt wann A oder B gilt, so muss auch C gelten wann A gilt, zugleich muss C gelten wann B gilt, sowie umgekehrt. Im letzteren Falle würde die Konzeption einer Alternative (von Annahmen, resp. Behauptungen) zu einem logischen Urbegriffe ge- stempelt. — Von dem auf solche Grundlagen zu stellenden Gebäude von Sätzen will ich nur weniges einzeln hervorheben. Durch die Theoreme 1̅2̅) und 1̅3̅) wird dargethan, dass bei simul- tanen sowol als bei alternativen Aussagen die Reihenfolge und Grup- pirung derselben gleichgültig ist (für ihren logischen Gehalt, ihre Tragweite). Insbesondere gilt dies auch für solche Aussagen, welche als Prämissen von Konklusionen zu figuriren haben. Praktisch unterliegt freilich die Anwendung dieses Satzes gewissen Einschränkungen, indem gewisse Aussagen, um verständlich zu werden, es erfordern können, dass gewisse andere ihnen vorausgeschickt seien. Der Beweis beim Kommutationsgesetze 1̅2̅×) z. B. scheint auf den ersten Blick auf eine „Petitio principii“ einen Zirkelbeweis hinauszulaufen, bei welchem von dem Satze den man beweisen will, bereits unterwegs Gebrauch gemacht wird. Aus A B  A und A B  B gemäss Th. 6̅×) schliesst man ja, dass A B  B und A B  A, darnach kraft (3̅×): A B  B A sei (desgleichen umgekehrt). Man gestattet sich demnach augenscheinlich, auf jene zu Prämissen erhobenen beiden Subsumtionen in der umgekehrten Ordnung als in welcher sie zuerst sich darboten, sich zu berufen. Die Erlaubniss dazu ist in der That aber durch das Prinzip Ī schon garantirt, kraft dessen die als wahr zugegebene zweite Subsumtion auch wieder anerkannt werden muss, wenn man sie — etwa als erste — zu wiederholen beliebt. Auf die im § 10 dargelegte Weise erst zu beweisen, dass Reihen- folge und Gruppirung der Prämissen in unser Belieben gestellt ist, erscheint dann freilich als ein Luxus, indem solches schon unmittelbar aus Prinzip Ī hervorgeht. Gilt z. B. A B C, so gilt auch A B nebst C, sowie A nebst B C desgleichen gilt dann C B A. Denn muss jede einzelne Prämisse im Falle des Wiederholtwerdens bei jeder Gelegenheit anerkannt werden,

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/80>, abgerufen am 25.11.2024.