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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891.

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§. 28. Zum Aussagenkalkul.
sie unvollständig, nur ein Bruckstück der Wahrheit bleibt -- doch
diejenige Auskunft wenigstens, welche die Aussage gibt, von ihr richtig
gegeben sein, d. h. es muss möglich bleiben, mit der Phantasie oder
auf Grund weiterer Forschungen, alles das, was die Aussage un-
erwähnt und darum offen gelassen, sowie auch, was sie allenfalls aus-
drücklich als unbestimmt hinstellte, wahrheitsgemäss noch nachzutragen,
und zwar ohne dass ein Widerspruch zu ihr selbst entsteht. Die Praxis
des Lebens kehrt sich nicht immer hieran, indem sie aus Rücksicht
auf die Schwierigkeiten der Mitteilung, auf die Unmöglichkeit, alles
Erforderliche auf einmal zu sagen, zuweilen gestattet, eine gemachte
Aussage durch nachträgliche Anführung von Einschränkungen oder
Ausnahmen teilweise wieder aufzuheben. In solchen Fällen ist jene
erste Aussage, mag sie auch grammatikalisch bereits abgeschlossen
sein, doch in logischer Hinsicht als eine unfertige anzusehen, welche
erst mit dem Hinzutreten der Einschränkungen ihre Vollendung erhält.

Ich glaube mich hier mit diesen wenigen Andeutungen begnügen zu
dürfen, wenn auch mit dem vollen Bewusstsein ihrer Unzulänglichkeit, indem
ich mir nicht verhehle, dass es wol zu den schwierigsten Aufgaben gehören
möchte, allgemein zu charakterisiren, wann eine Aussage sinnlos ist, wann da-
gegen sie einen vaguen, wann einen ganz bestimmten Sinn besitzt, gleichwie
im letzteren Falle, zu sagen, was es eigentlich heisst, dass sie wahr oder falsch sei.

Sinnlos ist z. B. die in unsrer fränkischen Provinz populäre Wetter-
regel: "Sobald ein Stück blauen Himmels zu erblicken ist, so gross, dass der
Schneider ein Paar Beinkleider daraus fertigen könnte, so gibt es an dem
Tag noch schönes Wetter." Hier nämlich (wie auch, wenn etwa jemand
sagte: "so gross wie eine Ellipse") versagt die scheinbar gegebene Grössen-
bestimmung, und wollte mit solchem Ausspruch der Volkswitz wol nur die
Unsicherheit der Wetterprophezeiung überhaupt persifliren.

Ist die stets in einerlei Sinne verstandene, die Aussage konstanten
Sinnes einmal wahr, so bleibt sie dies auch in alle Ewigkeit und
musste es immer gewesen sein, sie gilt dann stets; ist sie falsch, so
kann ihr auch zu keiner Zeit Wahrheit zukommen, sie ist dann nie-
mals
wahr. Die Gültigkeitsdauer einer derartigen Aussage ist demnach
entweder die Ewigkeit i, oder aber 0.

Wir werden künftig ganze Aussagen nicht selten mittelst Buch-
staben darstellen. Bedeutet a die Aussage: "2 x 2 ist 4", und b die
Aussage: "2 x 2 ist 5", so exemplifizirt uns a die (stets) wahre, b die
(stets) falsche Aussage.

So oft wir eine Aussage in Rechnung setzen, und zwar einerlei, ob
sie dabei durch einen Buchstaben vertreten, oder ob sie vollinhaltlich,
detaillirt (in einer Klammer) angegeben wird, soll sie als ihre Gültig-
keitsdauer
verstanden, ausgelegt werden.

§. 28. Zum Aussagenkalkul.
sie unvollständig, nur ein Bruckstück der Wahrheit bleibt — doch
diejenige Auskunft wenigstens, welche die Aussage gibt, von ihr richtig
gegeben sein, d. h. es muss möglich bleiben, mit der Phantasie oder
auf Grund weiterer Forschungen, alles das, was die Aussage un-
erwähnt und darum offen gelassen, sowie auch, was sie allenfalls aus-
drücklich als unbestimmt hinstellte, wahrheitsgemäss noch nachzutragen,
und zwar ohne dass ein Widerspruch zu ihr selbst entsteht. Die Praxis
des Lebens kehrt sich nicht immer hieran, indem sie aus Rücksicht
auf die Schwierigkeiten der Mitteilung, auf die Unmöglichkeit, alles
Erforderliche auf einmal zu sagen, zuweilen gestattet, eine gemachte
Aussage durch nachträgliche Anführung von Einschränkungen oder
Ausnahmen teilweise wieder aufzuheben. In solchen Fällen ist jene
erste Aussage, mag sie auch grammatikalisch bereits abgeschlossen
sein, doch in logischer Hinsicht als eine unfertige anzusehen, welche
erst mit dem Hinzutreten der Einschränkungen ihre Vollendung erhält.

Ich glaube mich hier mit diesen wenigen Andeutungen begnügen zu
dürfen, wenn auch mit dem vollen Bewusstsein ihrer Unzulänglichkeit, indem
ich mir nicht verhehle, dass es wol zu den schwierigsten Aufgaben gehören
möchte, allgemein zu charakterisiren, wann eine Aussage sinnlos ist, wann da-
gegen sie einen vaguen, wann einen ganz bestimmten Sinn besitzt, gleichwie
im letzteren Falle, zu sagen, was es eigentlich heisst, dass sie wahr oder falsch sei.

Sinnlos ist z. B. die in unsrer fränkischen Provinz populäre Wetter-
regel: „Sobald ein Stück blauen Himmels zu erblicken ist, so gross, dass der
Schneider ein Paar Beinkleider daraus fertigen könnte, so gibt es an dem
Tag noch schönes Wetter.“ Hier nämlich (wie auch, wenn etwa jemand
sagte: „so gross wie eine Ellipse“) versagt die scheinbar gegebene Grössen-
bestimmung, und wollte mit solchem Ausspruch der Volkswitz wol nur die
Unsicherheit der Wetterprophezeiung überhaupt persifliren.

Ist die stets in einerlei Sinne verstandene, die Aussage konstanten
Sinnes einmal wahr, so bleibt sie dies auch in alle Ewigkeit und
musste es immer gewesen sein, sie gilt dann stets; ist sie falsch, so
kann ihr auch zu keiner Zeit Wahrheit zukommen, sie ist dann nie-
mals
wahr. Die Gültigkeitsdauer einer derartigen Aussage ist demnach
entweder die Ewigkeit i, oder aber 0.

Wir werden künftig ganze Aussagen nicht selten mittelst Buch-
staben darstellen. Bedeutet a die Aussage: „2 × 2 ist 4“, und b die
Aussage: „2 × 2 ist 5“, so exemplifizirt uns a die (stets) wahre, b die
(stets) falsche Aussage.

So oft wir eine Aussage in Rechnung setzen, und zwar einerlei, ob
sie dabei durch einen Buchstaben vertreten, oder ob sie vollinhaltlich,
detaillirt (in einer Klammer) angegeben wird, soll sie als ihre Gültig-
keitsdauer
verstanden, ausgelegt werden.

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[9/0033] §. 28. Zum Aussagenkalkul. sie unvollständig, nur ein Bruckstück der Wahrheit bleibt — doch diejenige Auskunft wenigstens, welche die Aussage gibt, von ihr richtig gegeben sein, d. h. es muss möglich bleiben, mit der Phantasie oder auf Grund weiterer Forschungen, alles das, was die Aussage un- erwähnt und darum offen gelassen, sowie auch, was sie allenfalls aus- drücklich als unbestimmt hinstellte, wahrheitsgemäss noch nachzutragen, und zwar ohne dass ein Widerspruch zu ihr selbst entsteht. Die Praxis des Lebens kehrt sich nicht immer hieran, indem sie aus Rücksicht auf die Schwierigkeiten der Mitteilung, auf die Unmöglichkeit, alles Erforderliche auf einmal zu sagen, zuweilen gestattet, eine gemachte Aussage durch nachträgliche Anführung von Einschränkungen oder Ausnahmen teilweise wieder aufzuheben. In solchen Fällen ist jene erste Aussage, mag sie auch grammatikalisch bereits abgeschlossen sein, doch in logischer Hinsicht als eine unfertige anzusehen, welche erst mit dem Hinzutreten der Einschränkungen ihre Vollendung erhält. Ich glaube mich hier mit diesen wenigen Andeutungen begnügen zu dürfen, wenn auch mit dem vollen Bewusstsein ihrer Unzulänglichkeit, indem ich mir nicht verhehle, dass es wol zu den schwierigsten Aufgaben gehören möchte, allgemein zu charakterisiren, wann eine Aussage sinnlos ist, wann da- gegen sie einen vaguen, wann einen ganz bestimmten Sinn besitzt, gleichwie im letzteren Falle, zu sagen, was es eigentlich heisst, dass sie wahr oder falsch sei. Sinnlos ist z. B. die in unsrer fränkischen Provinz populäre Wetter- regel: „Sobald ein Stück blauen Himmels zu erblicken ist, so gross, dass der Schneider ein Paar Beinkleider daraus fertigen könnte, so gibt es an dem Tag noch schönes Wetter.“ Hier nämlich (wie auch, wenn etwa jemand sagte: „so gross wie eine Ellipse“) versagt die scheinbar gegebene Grössen- bestimmung, und wollte mit solchem Ausspruch der Volkswitz wol nur die Unsicherheit der Wetterprophezeiung überhaupt persifliren. Ist die stets in einerlei Sinne verstandene, die Aussage konstanten Sinnes einmal wahr, so bleibt sie dies auch in alle Ewigkeit und musste es immer gewesen sein, sie gilt dann stets; ist sie falsch, so kann ihr auch zu keiner Zeit Wahrheit zukommen, sie ist dann nie- mals wahr. Die Gültigkeitsdauer einer derartigen Aussage ist demnach entweder die Ewigkeit i, oder aber 0. Wir werden künftig ganze Aussagen nicht selten mittelst Buch- staben darstellen. Bedeutet a die Aussage: „2 × 2 ist 4“, und b die Aussage: „2 × 2 ist 5“, so exemplifizirt uns a die (stets) wahre, b die (stets) falsche Aussage. So oft wir eine Aussage in Rechnung setzen, und zwar einerlei, ob sie dabei durch einen Buchstaben vertreten, oder ob sie vollinhaltlich, detaillirt (in einer Klammer) angegeben wird, soll sie als ihre Gültig- keitsdauer verstanden, ausgelegt werden.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/33>, abgerufen am 21.11.2024.