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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891.

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Einundzwanzigste Vorlesung.
symbole gesetzt wird: jene Ungleichheit wäre eine ganz selbstverständliche,
analytische, und sie zu konstatiren: "nichtssagend". -- Wir wollen in dieser
Richtung nicht weiterfahren: das Gesagte wird bereits genügen um erkennen
zu lassen, dass dergleichen Deutungsversuche bei unsern gemischten Formeln
sicherlich ein nutzloses und müssiges Beginnen blieben. --

Indessen haben wir mit derartigen Formeln, mit Formeln von
dieser und jener Art, nur so weit Bekanntschaft gemacht, als nötig
war, jene Verifikation des identischen Kalkuls durch sich selbst
(mittelst mechanischen Rechnens) vornehmen zu können, wie sie in
§ 32 durchgenommen wurde. Im Übrigen konzentrirten wir unsre
Aufmerksamkeit auf die Formeln des Gebietekalkuls, welche also für
beide K alkuln, auch für den mit Aussagen, maassgebend sind.

Demgegenüber wollen wir jetzt auf die dem Gebietekalkul fremden
Sätze und Formeln des Aussagenkalkuls unser Hauptaugenmerk richten,
solche thunlichst systematisch und vollständig aufsuchen.

Dieselben werden teils "gemischter Natur" sein, wodurch sie sich
auf den ersten Blick als solche nur in der einen Disziplin gültige,
(weil nur in ihr interpretable) zu erkennen geben. Teils aber auch
werden sie "reine" Sätze oder Formeln sein (soll heissen: solche von
reinem Charakter), die auch eine Deutung der in sie eingehenden
Buchstaben als Flächen oder Gebiete, Klassen zulassen würden, dann
aber keine allgemeine Geltung zeigen, die also im Gebietekalkul auf
den ersten Blick zu urteilen zwar gelten könnten aber nicht gelten
müssen, nicht unbedingt, notwendig gelten -- welch' letzteren mit
einem Stern auszuzeichnenden wir "die engere Geltung" vindiziren.

Von den zahlreichen Formeln dieser beiden Sorten ist nur eine
kleine Gruppe von einiger, dann aber auch zumeist von grosser Wichtig-
keit und wirklich vielfach für unser Denken maassgebend. Es sind das
im allgemeinen diejenigen Formeln, in welchen nur unverneinte Um-
fangsbeziehungen vorkommen und wollen wir diese thunlichst von den
übrigen gesondert in den Vordergrund stellen.

Um sogleich mit einem Paar von Sätzen zu beginnen, welche
Herrn Peirce entgangen zu sein scheinen, so haben wir zu den seiner-
zeit in Theoremform ausgesprochenen Definitionen (3x) und (3+) -- cf.
§ 29 -- merkwürdigerweise im Aussagenkalkul die folgenden Gegen-
stücke. Hier ist nicht minder auch:

*ax) (a b c) = (a c) + (b c)*a+) (c a + b) = (c a) + (c b),
wenn wir wiederum Buchstaben des kleinen Alphabets auch für Aus-
sagen mitverwenden.

Einundzwanzigste Vorlesung.
symbole gesetzt wird: jene Ungleichheit wäre eine ganz selbstverständliche,
analytische, und sie zu konstatiren: „nichtssagend“. — Wir wollen in dieser
Richtung nicht weiterfahren: das Gesagte wird bereits genügen um erkennen
zu lassen, dass dergleichen Deutungsversuche bei unsern gemischten Formeln
sicherlich ein nutzloses und müssiges Beginnen blieben. —

Indessen haben wir mit derartigen Formeln, mit Formeln von
dieser und jener Art, nur so weit Bekanntschaft gemacht, als nötig
war, jene Verifikation des identischen Kalkuls durch sich selbst
(mittelst mechanischen Rechnens) vornehmen zu können, wie sie in
§ 32 durchgenommen wurde. Im Übrigen konzentrirten wir unsre
Aufmerksamkeit auf die Formeln des Gebietekalkuls, welche also für
beide K alkuln, auch für den mit Aussagen, maassgebend sind.

Demgegenüber wollen wir jetzt auf die dem Gebietekalkul fremden
Sätze und Formeln des Aussagenkalkuls unser Hauptaugenmerk richten,
solche thunlichst systematisch und vollständig aufsuchen.

Dieselben werden teils „gemischter Natur“ sein, wodurch sie sich
auf den ersten Blick als solche nur in der einen Disziplin gültige,
(weil nur in ihr interpretable) zu erkennen geben. Teils aber auch
werden sie „reine“ Sätze oder Formeln sein (soll heissen: solche von
reinem Charakter), die auch eine Deutung der in sie eingehenden
Buchstaben als Flächen oder Gebiete, Klassen zulassen würden, dann
aber keine allgemeine Geltung zeigen, die also im Gebietekalkul auf
den ersten Blick zu urteilen zwar gelten könnten aber nicht gelten
müssen, nicht unbedingt, notwendig gelten — welch’ letzteren mit
einem Stern auszuzeichnenden wir „die engere Geltung“ vindiziren.

Von den zahlreichen Formeln dieser beiden Sorten ist nur eine
kleine Gruppe von einiger, dann aber auch zumeist von grosser Wichtig-
keit und wirklich vielfach für unser Denken maassgebend. Es sind das
im allgemeinen diejenigen Formeln, in welchen nur unverneinte Um-
fangsbeziehungen vorkommen und wollen wir diese thunlichst von den
übrigen gesondert in den Vordergrund stellen.

Um sogleich mit einem Paar von Sätzen zu beginnen, welche
Herrn Peirce entgangen zu sein scheinen, so haben wir zu den seiner-
zeit in Theoremform ausgesprochenen Definitionen (3×) und (3+) — cf.
§ 29 — merkwürdigerweise im Aussagenkalkul die folgenden Gegen-
stücke. Hier ist nicht minder auch:

*α×) (a b c) = (a c) + (b c)*α+) (c a + b) = (c a) + (c b),
wenn wir wiederum Buchstaben des kleinen Alphabets auch für Aus-
sagen mitverwenden.

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[258/0282] Einundzwanzigste Vorlesung. symbole gesetzt wird: jene Ungleichheit wäre eine ganz selbstverständliche, analytische, und sie zu konstatiren: „nichtssagend“. — Wir wollen in dieser Richtung nicht weiterfahren: das Gesagte wird bereits genügen um erkennen zu lassen, dass dergleichen Deutungsversuche bei unsern gemischten Formeln sicherlich ein nutzloses und müssiges Beginnen blieben. — Indessen haben wir mit derartigen Formeln, mit Formeln von dieser und jener Art, nur so weit Bekanntschaft gemacht, als nötig war, jene Verifikation des identischen Kalkuls durch sich selbst (mittelst mechanischen Rechnens) vornehmen zu können, wie sie in § 32 durchgenommen wurde. Im Übrigen konzentrirten wir unsre Aufmerksamkeit auf die Formeln des Gebietekalkuls, welche also für beide K alkuln, auch für den mit Aussagen, maassgebend sind. Demgegenüber wollen wir jetzt auf die dem Gebietekalkul fremden Sätze und Formeln des Aussagenkalkuls unser Hauptaugenmerk richten, solche thunlichst systematisch und vollständig aufsuchen. Dieselben werden teils „gemischter Natur“ sein, wodurch sie sich auf den ersten Blick als solche nur in der einen Disziplin gültige, (weil nur in ihr interpretable) zu erkennen geben. Teils aber auch werden sie „reine“ Sätze oder Formeln sein (soll heissen: solche von reinem Charakter), die auch eine Deutung der in sie eingehenden Buchstaben als Flächen oder Gebiete, Klassen zulassen würden, dann aber keine allgemeine Geltung zeigen, die also im Gebietekalkul auf den ersten Blick zu urteilen zwar gelten könnten aber nicht gelten müssen, nicht unbedingt, notwendig gelten — welch’ letzteren mit einem Stern auszuzeichnenden wir „die engere Geltung“ vindiziren. Von den zahlreichen Formeln dieser beiden Sorten ist nur eine kleine Gruppe von einiger, dann aber auch zumeist von grosser Wichtig- keit und wirklich vielfach für unser Denken maassgebend. Es sind das im allgemeinen diejenigen Formeln, in welchen nur unverneinte Um- fangsbeziehungen vorkommen und wollen wir diese thunlichst von den übrigen gesondert in den Vordergrund stellen. Um sogleich mit einem Paar von Sätzen zu beginnen, welche Herrn Peirce entgangen zu sein scheinen, so haben wir zu den seiner- zeit in Theoremform ausgesprochenen Definitionen (3×) und (3+) — cf. § 29 — merkwürdigerweise im Aussagenkalkul die folgenden Gegen- stücke. Hier ist nicht minder auch: *α×) (a b  c) = (a  c) + (b  c) *α+) (c  a + b) = (c  a) + (c  b), wenn wir wiederum Buchstaben des kleinen Alphabets auch für Aus- sagen mitverwenden.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/282>, abgerufen am 25.11.2024.