eine Sprache, die alle individuellen Bewusstseinszustände je mit Eigennamen bezeichnete, überhaupt Gemeingut einer Mehrheit von Menschen werden könnte. Schon die Erlernung der Sprache bliebe hier ein vonhause aus unlösbares Problem.
Wir brauchen also Gemeinnamen.
i2) Der Gemeinname (nomen appellativum, general term) sollte mehrere Dinge bezeichnen dürfen, solchen einzeln und sozusagen mit gleichem Rechte zukommen.
Der Gemeinname "Planet" z. B. kann der Erde sogut wie dem Mars, Jupiter oder Saturn etc. beigelegt werden. Wir dürfen darum sagen: Die Erde ist (ein) Planet, Mars ist Planet, Jupiter ist Planet.
Hierdurch erscheint die Anwendungsweise des Gemeinnamens ge- regelt, soferne mit ihm etwas sollte ausgesagt werden, insoweit er also zum Prädiziren dient -- zunächst wenigstens: insofern er in der Form des Singulars Prädikat einer Aussage wird.
Die mittelst Eigennamen bezeichenbaren singularen, besondern, bestimmten oder individuellen Dinge, welche so der Gemeinname "um- fasst", über die sich seine Bedeutung "erstreckt" und von deren jedem er für sich im Singular prädizirt werden darf, setzen eine "Klasse" (oder "Gattung") zusammen, von der sie die "Individuen" genannt werden. So sind Merkur, Venus, etc. bis Neptun die Individuen der Klasse der Planeten oder der Gattung "Planet".
Das Wesen der obigen Verwendungsweise besteht nun darin, dass der Gattungsname sich auf seine Individuen, wie man sagt: "distributiv", verteilt -- so nämlich, dass er jedem einzelnen dieser Individuen ganz (und ungeteilt) zukommt.
Es geht nichts, kein Teil von ihm verloren, wenn er einem Individuum beigelegt, zugeteilt wird, und man behält ihn immer noch ganz übrig, um ihn ebenso auch einem zweiten, dritten etc. Individuum zuzuteilen. Die vorliegende ist sonach eine eigentümliche Art von "Verteilung", welche sich etwa der Ausbreitung einer ansteckenden Krankheit vergleichen liesse: werden hundert Personen von einem Scharlachkranken infizirt, so wird eine jede derselben nicht etwa blos des hundertsten Teiles, sondern der ganzen Krankheit, schlechtweg des Scharlachfiebers, teilhaftig (auch verliert Der- jenige, von welchem der Krankheitskeim sich auf die Andern überträgt, die Krankheit dadurch nicht).
Gelegentlich der Erläuterung des "Distributionsgesetzes" werden wir in § 12 Veranlassung nehmen, noch andere (und schönere) Vergleiche heranzuziehen zur Verdeutlichung der eigentümlichen Natur dieser hier in Betracht kommenden Verteilungsweise, der "distributiven" oder "qualita- tiven", und ihres Gegensatzes zur andern von den beiden denkbaren Haupt- Verteilungsweisen, nämlich der gewöhnlichen oder "quantitativen" Verteilung.
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Einleitung.
eine Sprache, die alle individuellen Bewusstseinszustände je mit Eigennamen bezeichnete, überhaupt Gemeingut einer Mehrheit von Menschen werden könnte. Schon die Erlernung der Sprache bliebe hier ein vonhause aus unlösbares Problem.
Wir brauchen also Gemeinnamen.
ι2) Der Gemeinname (nomen appellativum, general term) sollte mehrere Dinge bezeichnen dürfen, solchen einzeln und sozusagen mit gleichem Rechte zukommen.
Der Gemeinname „Planet“ z. B. kann der Erde sogut wie dem Mars, Jupiter oder Saturn etc. beigelegt werden. Wir dürfen darum sagen: Die Erde ist (ein) Planet, Mars ist Planet, Jupiter ist Planet.
Hierdurch erscheint die Anwendungsweise des Gemeinnamens ge- regelt, soferne mit ihm etwas sollte ausgesagt werden, insoweit er also zum Prädiziren dient — zunächst wenigstens: insofern er in der Form des Singulars Prädikat einer Aussage wird.
Die mittelst Eigennamen bezeichenbaren singularen, besondern, bestimmten oder individuellen Dinge, welche so der Gemeinname „um- fasst“, über die sich seine Bedeutung „erstreckt“ und von deren jedem er für sich im Singular prädizirt werden darf, setzen eine „Klasse“ (oder „Gattung“) zusammen, von der sie die „Individuen“ genannt werden. So sind Merkur, Venus, etc. bis Neptun die Individuen der Klasse der Planeten oder der Gattung „Planet“.
Das Wesen der obigen Verwendungsweise besteht nun darin, dass der Gattungsname sich auf seine Individuen, wie man sagt: „distributiv“, verteilt — so nämlich, dass er jedem einzelnen dieser Individuen ganz (und ungeteilt) zukommt.
Es geht nichts, kein Teil von ihm verloren, wenn er einem Individuum beigelegt, zugeteilt wird, und man behält ihn immer noch ganz übrig, um ihn ebenso auch einem zweiten, dritten etc. Individuum zuzuteilen. Die vorliegende ist sonach eine eigentümliche Art von „Verteilung“, welche sich etwa der Ausbreitung einer ansteckenden Krankheit vergleichen liesse: werden hundert Personen von einem Scharlachkranken infizirt, so wird eine jede derselben nicht etwa blos des hundertsten Teiles, sondern der ganzen Krankheit, schlechtweg des Scharlachfiebers, teilhaftig (auch verliert Der- jenige, von welchem der Krankheitskeim sich auf die Andern überträgt, die Krankheit dadurch nicht).
Gelegentlich der Erläuterung des „Distributionsgesetzes“ werden wir in § 12 Veranlassung nehmen, noch andere (und schönere) Vergleiche heranzuziehen zur Verdeutlichung der eigentümlichen Natur dieser hier in Betracht kommenden Verteilungsweise, der „distributiven“ oder „qualita- tiven“, und ihres Gegensatzes zur andern von den beiden denkbaren Haupt- Verteilungsweisen, nämlich der gewöhnlichen oder „quantitativen“ Verteilung.
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Einleitung.
eine Sprache, die alle individuellen Bewusstseinszustände je mit Eigennamen
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könnte. Schon die Erlernung der Sprache bliebe hier ein vonhause aus
unlösbares Problem.
Wir brauchen also Gemeinnamen.
ι2) Der Gemeinname (nomen appellativum, general term) sollte
mehrere Dinge bezeichnen dürfen, solchen einzeln und sozusagen mit
gleichem Rechte zukommen.
Der Gemeinname „Planet“ z. B. kann der Erde sogut wie dem
Mars, Jupiter oder Saturn etc. beigelegt werden. Wir dürfen darum
sagen: Die Erde ist (ein) Planet, Mars ist Planet, Jupiter ist Planet.
Hierdurch erscheint die Anwendungsweise des Gemeinnamens ge-
regelt, soferne mit ihm etwas sollte ausgesagt werden, insoweit er
also zum Prädiziren dient — zunächst wenigstens: insofern er in der
Form des Singulars Prädikat einer Aussage wird.
Die mittelst Eigennamen bezeichenbaren singularen, besondern,
bestimmten oder individuellen Dinge, welche so der Gemeinname „um-
fasst“, über die sich seine Bedeutung „erstreckt“ und von deren jedem
er für sich im Singular prädizirt werden darf, setzen eine „Klasse“
(oder „Gattung“) zusammen, von der sie die „Individuen“ genannt
werden. So sind Merkur, Venus, etc. bis Neptun die Individuen der
Klasse der Planeten oder der Gattung „Planet“.
Das Wesen der obigen Verwendungsweise besteht nun darin, dass
der Gattungsname sich auf seine Individuen, wie man sagt: „distributiv“,
verteilt — so nämlich, dass er jedem einzelnen dieser Individuen ganz
(und ungeteilt) zukommt.
Es geht nichts, kein Teil von ihm verloren, wenn er einem Individuum
beigelegt, zugeteilt wird, und man behält ihn immer noch ganz übrig, um
ihn ebenso auch einem zweiten, dritten etc. Individuum zuzuteilen. Die
vorliegende ist sonach eine eigentümliche Art von „Verteilung“, welche sich
etwa der Ausbreitung einer ansteckenden Krankheit vergleichen liesse:
werden hundert Personen von einem Scharlachkranken infizirt, so wird eine
jede derselben nicht etwa blos des hundertsten Teiles, sondern der ganzen
Krankheit, schlechtweg des Scharlachfiebers, teilhaftig (auch verliert Der-
jenige, von welchem der Krankheitskeim sich auf die Andern überträgt,
die Krankheit dadurch nicht).
Gelegentlich der Erläuterung des „Distributionsgesetzes“ werden wir
in § 12 Veranlassung nehmen, noch andere (und schönere) Vergleiche
heranzuziehen zur Verdeutlichung der eigentümlichen Natur dieser hier in
Betracht kommenden Verteilungsweise, der „distributiven“ oder „qualita-
tiven“, und ihres Gegensatzes zur andern von den beiden denkbaren Haupt-
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/87>, abgerufen am 30.11.2024.
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