ein geometrischer (sonach immaterieller) Körper, eine Fläche, mathematische Linie, der Schatten räumlich ausgedehnt, ein Zeitraum wenigstens "aus- gedehnt" genannt werden mag. Es lässt demnach (was Mill und Jevons zu übersehen scheinen) sich nur behaupten, dass die aus abstrakten Sub- stantiven abgeleiteten Adjektiva konkret sein können, aber nicht müssen, sie können oft auf beiderlei Weise verwendet werden und nehmen in Wahr- heit eine Zwitterstellung ein. Andere, wie "dankbar", freilich kann man un- bedenklich als Konkreta hinstellen, denn Dankbarkeit lässt sich (es sei denn im übertragenen Sinne) nur einem lebenden Wesen, also Konkretum, zuschreiben.
z2) Versuchen wir nun einmal, uns auf den Standpunkt zu stellen, als ob es uns obläge, eine Sprache zu erschaffen, ganz nach Belieben Wörter oder Zeichen zu bilden und solchen ihre Gebrauchsweise vor- zuschreiben.
Auf den Unterschied unsrer Bestrebungen von denen der Volapükisten werden wir noch zu sprechen kommen -- vergl. a3) in dieser Einleitung, Fussnote.
Es erscheint dann keineswegs als eine leichte Aufgabe auch nur zu jenen schon unter x1) erwähnten zehn Wortarten zu kommen, welche wir in unsern Kultursprachen thatsächlich gebildet vorfinden. Die- selben genetisch zu erklären, sie gewissermassen aus den Bedürfnissen der Bezeichnung und Mitteilung herauswachsen zu lassen und so als zur Befriedigung dieser Bedürfnisse erforderliche, in solchem Sinne notwendige nachzuweisen, dürfte vielmehr höchst schwierig sein, wofern die Aufgabe überhaupt lösbar.
Das gleiche wäre auch zu leisten für die etwaigen Beugungsformen, Flexionen jener Wortarten, wie namentlich die Konjugationsformen der Verba, und die Deklinationsformen der Substantiva (Adjektiva und Prono- mina), mit welchen dann auch die Bestimmung oder Mission der Präposi- tionen in nächstem Zusammenhange steht, dergleichen ja in vielen Sprachen Kasus vertreten.
Es müsste in solcher Untersuchung auch die Frage beantwortet werden, mit wie vielen und welchen Wortarten, Kasus und Tempora etc. man (im Minimum) bereits auszureichen vermag, wie viele Arten von sprach- lichen Gebilden oder -- sagen wir kurz -- "Sprachformen" also unerläss- lich wären, mit welchen Formengruppen man die Zwecke des Gedanken- ausdrucks gleicherweise, mit welchen aber am besten erreichte und was die etwa überzähligen Formen für Vorteile gewährten.
Soweit die Lösung dieser Aufgabe gelungen wäre, hätten wir eine wirkliche Analyse der Sprache gewonnen, eine zugleich wissenschaft- liche und allgemeine Grammatik, welche die den Kultursprachen gemein- samen Elementarformen auch als unentbehrliche und notwendige er- kennen liesse, wogegen sie andrerseits die von Sprache zu Sprache wechselnden Gebilde ignoriren würde.
Einleitung.
ein geometrischer (sonach immaterieller) Körper, eine Fläche, mathematische Linie, der Schatten räumlich ausgedehnt, ein Zeitraum wenigstens „aus- gedehnt“ genannt werden mag. Es lässt demnach (was Mill und Jevons zu übersehen scheinen) sich nur behaupten, dass die aus abstrakten Sub- stantiven abgeleiteten Adjektiva konkret sein können, aber nicht müssen, sie können oft auf beiderlei Weise verwendet werden und nehmen in Wahr- heit eine Zwitterstellung ein. Andere, wie „dankbar“, freilich kann man un- bedenklich als Konkreta hinstellen, denn Dankbarkeit lässt sich (es sei denn im übertragenen Sinne) nur einem lebenden Wesen, also Konkretum, zuschreiben.
ζ2) Versuchen wir nun einmal, uns auf den Standpunkt zu stellen, als ob es uns obläge, eine Sprache zu erschaffen, ganz nach Belieben Wörter oder Zeichen zu bilden und solchen ihre Gebrauchsweise vor- zuschreiben.
Auf den Unterschied unsrer Bestrebungen von denen der Volapükisten werden wir noch zu sprechen kommen — vergl. α3) in dieser Einleitung, Fussnote.
Es erscheint dann keineswegs als eine leichte Aufgabe auch nur zu jenen schon unter ξ1) erwähnten zehn Wortarten zu kommen, welche wir in unsern Kultursprachen thatsächlich gebildet vorfinden. Die- selben genetisch zu erklären, sie gewissermassen aus den Bedürfnissen der Bezeichnung und Mitteilung herauswachsen zu lassen und so als zur Befriedigung dieser Bedürfnisse erforderliche, in solchem Sinne notwendige nachzuweisen, dürfte vielmehr höchst schwierig sein, wofern die Aufgabe überhaupt lösbar.
Das gleiche wäre auch zu leisten für die etwaigen Beugungsformen, Flexionen jener Wortarten, wie namentlich die Konjugationsformen der Verba, und die Deklinationsformen der Substantiva (Adjektiva und Prono- mina), mit welchen dann auch die Bestimmung oder Mission der Präposi- tionen in nächstem Zusammenhange steht, dergleichen ja in vielen Sprachen Kasus vertreten.
Es müsste in solcher Untersuchung auch die Frage beantwortet werden, mit wie vielen und welchen Wortarten, Kasus und Tempora etc. man (im Minimum) bereits auszureichen vermag, wie viele Arten von sprach- lichen Gebilden oder — sagen wir kurz — „Sprachformen“ also unerläss- lich wären, mit welchen Formengruppen man die Zwecke des Gedanken- ausdrucks gleicherweise, mit welchen aber am besten erreichte und was die etwa überzähligen Formen für Vorteile gewährten.
Soweit die Lösung dieser Aufgabe gelungen wäre, hätten wir eine wirkliche Analyse der Sprache gewonnen, eine zugleich wissenschaft- liche und allgemeine Grammatik, welche die den Kultursprachen gemein- samen Elementarformen auch als unentbehrliche und notwendige er- kennen liesse, wogegen sie andrerseits die von Sprache zu Sprache wechselnden Gebilde ignoriren würde.
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Einleitung.
ein geometrischer (sonach immaterieller) Körper, eine Fläche, mathematische
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gedehnt“ genannt werden mag. Es lässt demnach (was Mill und Jevons
zu übersehen scheinen) sich nur behaupten, dass die aus abstrakten Sub-
stantiven abgeleiteten Adjektiva konkret sein können, aber nicht müssen,
sie können oft auf beiderlei Weise verwendet werden und nehmen in Wahr-
heit eine Zwitterstellung ein. Andere, wie „dankbar“, freilich kann man un-
bedenklich als Konkreta hinstellen, denn Dankbarkeit lässt sich (es sei denn im
übertragenen Sinne) nur einem lebenden Wesen, also Konkretum, zuschreiben.
ζ2) Versuchen wir nun einmal, uns auf den Standpunkt zu stellen,
als ob es uns obläge, eine Sprache zu erschaffen, ganz nach Belieben
Wörter oder Zeichen zu bilden und solchen ihre Gebrauchsweise vor-
zuschreiben.
Auf den Unterschied unsrer Bestrebungen von denen der Volapükisten
werden wir noch zu sprechen kommen — vergl. α3) in dieser Einleitung,
Fussnote.
Es erscheint dann keineswegs als eine leichte Aufgabe auch nur
zu jenen schon unter ξ1) erwähnten zehn Wortarten zu kommen, welche
wir in unsern Kultursprachen thatsächlich gebildet vorfinden. Die-
selben genetisch zu erklären, sie gewissermassen aus den Bedürfnissen
der Bezeichnung und Mitteilung herauswachsen zu lassen und so als
zur Befriedigung dieser Bedürfnisse erforderliche, in solchem Sinne
notwendige nachzuweisen, dürfte vielmehr höchst schwierig sein, wofern
die Aufgabe überhaupt lösbar.
Das gleiche wäre auch zu leisten für die etwaigen Beugungsformen,
Flexionen jener Wortarten, wie namentlich die Konjugationsformen der
Verba, und die Deklinationsformen der Substantiva (Adjektiva und Prono-
mina), mit welchen dann auch die Bestimmung oder Mission der Präposi-
tionen in nächstem Zusammenhange steht, dergleichen ja in vielen Sprachen
Kasus vertreten.
Es müsste in solcher Untersuchung auch die Frage beantwortet werden,
mit wie vielen und welchen Wortarten, Kasus und Tempora etc. man
(im Minimum) bereits auszureichen vermag, wie viele Arten von sprach-
lichen Gebilden oder — sagen wir kurz — „Sprachformen“ also unerläss-
lich wären, mit welchen Formengruppen man die Zwecke des Gedanken-
ausdrucks gleicherweise, mit welchen aber am besten erreichte und was
die etwa überzähligen Formen für Vorteile gewährten.
Soweit die Lösung dieser Aufgabe gelungen wäre, hätten wir eine
wirkliche Analyse der Sprache gewonnen, eine zugleich wissenschaft-
liche und allgemeine Grammatik, welche die den Kultursprachen gemein-
samen Elementarformen auch als unentbehrliche und notwendige er-
kennen liesse, wogegen sie andrerseits die von Sprache zu Sprache
wechselnden Gebilde ignoriren würde.
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/83>, abgerufen am 04.12.2024.
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