des Denkens (in allerdings dem ursprünglichen Sinn dieses Wortes gegenüber sehr erweiterter Bedeutung) anzuführen haben.
Ich muss hier noch einer Ansicht gegenübertreten, zu welcher die Lektüre von Mill (besonders von p. 37 sq. der Schiel'schen Übersetzung2, desgl. von p. 40 sq.) verleiten könnte: dass der Eigenname an sich be- deutungslos oder nicht-bezeichnend (nonconnotative) sei. Das neben andern ähnlichen von Mill gewählte Beispiel "Johann" erscheint in dieser Hin- sicht keineswegs beweisend, denn "Johann" ist (in unserm Sinne) kein Eigenname -- es sei denn mit solchen Zusätzen, dass er eine ganz be- stimmte Person bedeutet -- sondern ein Vorname, und kommt als solcher einer ausgedehnten Klasse von Personen zu. So ist denn freilich der Name ein ziemlich nichtssagender und gibt uns wenig Aufschluss über das Wesen einer Person, welche denselben führt.
Der Eigenname ganz im Gegenteil ist ein möglichst ausdrucksvoller zu nennen, indem er ein ganz bestimmtes Ding bezeichnet mit allen seinen Merkmalen, bekannten sowol als unbekannten, sofern letztere ihm zukommen.
Mill2 selbst auch schränkt seine Behauptung auf einer folgenden Seite (p. 38) wieder ein, indem er Ausnahmen statuirt, für welche er die Grenze anscheinend willkürlich zieht; es wäre in der That durchaus nicht abzusehen, weshalb uns zwar "die Sonne" eine Menge Attribute mitbezeichnen sollte, dagegen Mill's eigner Name "John Stuart Mill" z. B. nicht?
Demgemäss erscheint mir auch die Unterscheidung von "mitbezeich- nenden" (connotativen) und "nichtmitbezeichnenden" (non-connotativen) Namen, von welchen Mill so grosses Aufhebens macht, als eine gänzlich belang- lose, genauer gesagt: überflüssige. Es bleibt mir von dem Gegensatze, wenn ich ihn schärfer in's Auge fasse, nichts anderes übrig als der aller- dings sehr belangreiche Unterschied zwischen einem Eigennamen und dem (mit einem Begriff verknüpften) Gemeinnamen; das übrige löst sich in Dunst auf. Für solchen Gegensatz aber nochmals besondre gelehrt klingende und -- fast möchte ich sagen: schwülstige -- Benennungen einzuführen scheint keineswegs Bedürfniss.
e2) Nicht unwichtig ist es noch, zu beachten, dass die dem ab- strakten Substantivum zugeordneten Adjektiva, sofern sie überhaupt als Namen gelten können, doch im allgemeinen als konkrete Namen bezeichnet werden müssen.
So ist weisse Farbe oder Weisse ein nomen abstractum, dagegen weiss = ein weisses Ding = Etwas weisses muss offenbar zu den nomina concreta gerechnet werden, indem es ja das (konkrete) Ding selbst be- zeichnen soll, welchem das Attribut der weissen Farbe zukommt. Ebenso ist (räumliche) Ausdehnung ein Abstraktum, dagegen ausgedehnt, räumlich = Etwas ausgedehntes, Konkretum: ein jeder Körper kann so genannt werden. Vergl. noch Leben und lebendig, Nutzen und nützlich, Gleichheit, Ähnlichkeit, Verschiedenheit und gleich, ähnlich, verschieden, Dankbarkeit und dankbar etc. hinsichtlich ihres Gegensatzes als Konkreta und Abstrakta.
Ausgedehnte, gleiche, ähnliche oder verschiedene Dinge können freilich ebensogut aus der Sphäre der Abstrakta genommen sein, wie z. B. auch
Einleitung.
des Denkens (in allerdings dem ursprünglichen Sinn dieses Wortes gegenüber sehr erweiterter Bedeutung) anzuführen haben.
Ich muss hier noch einer Ansicht gegenübertreten, zu welcher die Lektüre von Mill (besonders von p. 37 sq. der Schiel'schen Übersetzung2, desgl. von p. 40 sq.) verleiten könnte: dass der Eigenname an sich be- deutungslos oder nicht-bezeichnend (nonconnotative) sei. Das neben andern ähnlichen von Mill gewählte Beispiel „Johann“ erscheint in dieser Hin- sicht keineswegs beweisend, denn „Johann“ ist (in unserm Sinne) kein Eigenname — es sei denn mit solchen Zusätzen, dass er eine ganz be- stimmte Person bedeutet — sondern ein Vorname, und kommt als solcher einer ausgedehnten Klasse von Personen zu. So ist denn freilich der Name ein ziemlich nichtssagender und gibt uns wenig Aufschluss über das Wesen einer Person, welche denselben führt.
Der Eigenname ganz im Gegenteil ist ein möglichst ausdrucksvoller zu nennen, indem er ein ganz bestimmtes Ding bezeichnet mit allen seinen Merkmalen, bekannten sowol als unbekannten, sofern letztere ihm zukommen.
Mill2 selbst auch schränkt seine Behauptung auf einer folgenden Seite (p. 38) wieder ein, indem er Ausnahmen statuirt, für welche er die Grenze anscheinend willkürlich zieht; es wäre in der That durchaus nicht abzusehen, weshalb uns zwar „die Sonne“ eine Menge Attribute mitbezeichnen sollte, dagegen Mill's eigner Name „John Stuart Mill“ z. B. nicht?
Demgemäss erscheint mir auch die Unterscheidung von „mitbezeich- nenden“ (connotativen) und „nichtmitbezeichnenden“ (non-connotativen) Namen, von welchen Mill so grosses Aufhebens macht, als eine gänzlich belang- lose, genauer gesagt: überflüssige. Es bleibt mir von dem Gegensatze, wenn ich ihn schärfer in's Auge fasse, nichts anderes übrig als der aller- dings sehr belangreiche Unterschied zwischen einem Eigennamen und dem (mit einem Begriff verknüpften) Gemeinnamen; das übrige löst sich in Dunst auf. Für solchen Gegensatz aber nochmals besondre gelehrt klingende und — fast möchte ich sagen: schwülstige — Benennungen einzuführen scheint keineswegs Bedürfniss.
ε2) Nicht unwichtig ist es noch, zu beachten, dass die dem ab- strakten Substantivum zugeordneten Adjektiva, sofern sie überhaupt als Namen gelten können, doch im allgemeinen als konkrete Namen bezeichnet werden müssen.
So ist weisse Farbe oder Weisse ein nomen abstractum, dagegen weiss = ein weisses Ding = Etwas weisses muss offenbar zu den nomina concreta gerechnet werden, indem es ja das (konkrete) Ding selbst be- zeichnen soll, welchem das Attribut der weissen Farbe zukommt. Ebenso ist (räumliche) Ausdehnung ein Abstraktum, dagegen ausgedehnt, räumlich = Etwas ausgedehntes, Konkretum: ein jeder Körper kann so genannt werden. Vergl. noch Leben und lebendig, Nutzen und nützlich, Gleichheit, Ähnlichkeit, Verschiedenheit und gleich, ähnlich, verschieden, Dankbarkeit und dankbar etc. hinsichtlich ihres Gegensatzes als Konkreta und Abstrakta.
Ausgedehnte, gleiche, ähnliche oder verschiedene Dinge können freilich ebensogut aus der Sphäre der Abstrakta genommen sein, wie z. B. auch
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[62/0082]
Einleitung.
des Denkens (in allerdings dem ursprünglichen Sinn dieses Wortes
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Ich muss hier noch einer Ansicht gegenübertreten, zu welcher die
Lektüre von Mill (besonders von p. 37 sq. der Schiel'schen Übersetzung2,
desgl. von p. 40 sq.) verleiten könnte: dass der Eigenname an sich be-
deutungslos oder nicht-bezeichnend (nonconnotative) sei. Das neben andern
ähnlichen von Mill gewählte Beispiel „Johann“ erscheint in dieser Hin-
sicht keineswegs beweisend, denn „Johann“ ist (in unserm Sinne) kein
Eigenname — es sei denn mit solchen Zusätzen, dass er eine ganz be-
stimmte Person bedeutet — sondern ein Vorname, und kommt als solcher
einer ausgedehnten Klasse von Personen zu. So ist denn freilich der
Name ein ziemlich nichtssagender und gibt uns wenig Aufschluss über das
Wesen einer Person, welche denselben führt.
Der Eigenname ganz im Gegenteil ist ein möglichst ausdrucksvoller
zu nennen, indem er ein ganz bestimmtes Ding bezeichnet mit allen seinen
Merkmalen, bekannten sowol als unbekannten, sofern letztere ihm zukommen.
Mill2 selbst auch schränkt seine Behauptung auf einer folgenden
Seite (p. 38) wieder ein, indem er Ausnahmen statuirt, für welche er die
Grenze anscheinend willkürlich zieht; es wäre in der That durchaus nicht
abzusehen, weshalb uns zwar „die Sonne“ eine Menge Attribute mitbezeichnen
sollte, dagegen Mill's eigner Name „John Stuart Mill“ z. B. nicht?
Demgemäss erscheint mir auch die Unterscheidung von „mitbezeich-
nenden“ (connotativen) und „nichtmitbezeichnenden“ (non-connotativen) Namen,
von welchen Mill so grosses Aufhebens macht, als eine gänzlich belang-
lose, genauer gesagt: überflüssige. Es bleibt mir von dem Gegensatze,
wenn ich ihn schärfer in's Auge fasse, nichts anderes übrig als der aller-
dings sehr belangreiche Unterschied zwischen einem Eigennamen und dem
(mit einem Begriff verknüpften) Gemeinnamen; das übrige löst sich in
Dunst auf. Für solchen Gegensatz aber nochmals besondre gelehrt klingende
und — fast möchte ich sagen: schwülstige — Benennungen einzuführen
scheint keineswegs Bedürfniss.
ε2) Nicht unwichtig ist es noch, zu beachten, dass die dem ab-
strakten Substantivum zugeordneten Adjektiva, sofern sie überhaupt
als Namen gelten können, doch im allgemeinen als konkrete Namen
bezeichnet werden müssen.
So ist weisse Farbe oder Weisse ein nomen abstractum, dagegen
weiss = ein weisses Ding = Etwas weisses muss offenbar zu den nomina
concreta gerechnet werden, indem es ja das (konkrete) Ding selbst be-
zeichnen soll, welchem das Attribut der weissen Farbe zukommt. Ebenso
ist (räumliche) Ausdehnung ein Abstraktum, dagegen ausgedehnt, räumlich
= Etwas ausgedehntes, Konkretum: ein jeder Körper kann so genannt
werden. Vergl. noch Leben und lebendig, Nutzen und nützlich, Gleichheit,
Ähnlichkeit, Verschiedenheit und gleich, ähnlich, verschieden, Dankbarkeit
und dankbar etc. hinsichtlich ihres Gegensatzes als Konkreta und Abstrakta.
Ausgedehnte, gleiche, ähnliche oder verschiedene Dinge können freilich
ebensogut aus der Sphäre der Abstrakta genommen sein, wie z. B. auch
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/82>, abgerufen am 04.12.2024.
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