l1) Es haben diese Wissenschaften, mehr oder minder ausgesprochen, die Tendenz, die Schwierigkeiten des Studiums der Dinge -- der Dinge, die man nicht immer bequem zur Hand hat, die man meist nicht fest- halten oder fixiren und ohne weiteres manipuliren kann -- möglichst abzuwälzen auf das Studium ihrer Zeichen, welche letzteren dem Forscher stets zur Verfügung stehen und mit unvergleichlicher Leichtigkeit zu hantiren sind.
Die Erleichterung und Vorteile, welche ein judiziöser Gebrauch der Zeichen in dieser Hinsicht der Forschung zu gewähren vermag, würden sich passend vergleichen lassen mit denjenigen, welche gegenüber dem direkten Tauschverkehr mit Waaren (in Zentralafrika z. B.) die Einführung von Wertzeichen -- des Geldes -- gewähren müsste. Freilich würde mit solch' illustrirendem Hinweis an Ort und Stelle nicht viel zu gewinnen sein, indem wir finden, dass Völkerschaften, welche sich noch im Zustande anal- phabetischer Wildheit befinden, auch mit dem Gebrauch des Geldes oft unbekannt sind.
Der vorstehende Vergleich ist ähnlich schon von Leibniz gemacht und verlohnt es, seinen Gedankengang näher darzulegen (vergl. Trendelen- burg l. c. auf spätern Seiten).
Leibniz geht von einer psychologischen Betrachtung über die Be- dingungen der Deutlichkeit unsres Denkens aus. Ursprüngliche und ein- fache Vorstellungen, so wie sie z. B. aus der Wahrnehmung stammen, pflegen auch anschaulich reproduzirt zu werden. Hingegen denken wir die zusammengesetzte Vorstellung gemeiniglich nur durch Zeichen. Namentlich wo behufs Bestimmung und Erkenntniss des Wesens eines Dinges eine längere Zergliederung nötig ist, schauen wir die ganze Natur dieses Dinges nicht an, sondern kürzen sie im Zeichen ab, indem wir darin die Fähig- keit zu haben meinen, die Vorstellung, wenn es sein muss, (vollends) zu entwickeln. So betrachten wir z. B. bei dem Begriff eines Tausendecks nicht wirklich alle tausend Seiten, sondern die Zahl tausend und sich aneinander schliessende Seiten schweben uns dunkel vor, und statt der deutlichen Vorstellung bedienen wir uns des Wortes als eines Zeichens, wie z. B. in der Arithmetik und Algebra allenthalben (Meditationes de cognitione veritatis et ideis, zuerst in den Acta eruditorum. Editio Erd- mann, p. 79, 80).
Und ferner sagt Leibniz im Eingang seiner deutschen Schrift: Un- vorgreifliche Gedanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache (Dutens VI, 2, p. 7 sqq. -- wahrscheinlich 1697):
"Wir haben Zeichen nötig nicht nur (um) unsre Meinung Andern an- zudeuten, sondern auch unsern Gedanken selbst zu helfen. Denn gleichwie man in grossen Handelsstädten, auch im Spiel und sonsten nicht allezeit Geld zahlet, sondern sich an dessen Statt der Zeddel oder Marken*) bis zur letzten Abrechnung oder Zahlung bedient: also thut auch der Verstand mit den Bildnissen der Dinge, zumal wenn er viel zu denken hat, dass er
*) Wir würden heutzutage sagen: der Buchführung und Wechsel. Der Verf.
Einleitung.
λ1) Es haben diese Wissenschaften, mehr oder minder ausgesprochen, die Tendenz, die Schwierigkeiten des Studiums der Dinge — der Dinge, die man nicht immer bequem zur Hand hat, die man meist nicht fest- halten oder fixiren und ohne weiteres manipuliren kann — möglichst abzuwälzen auf das Studium ihrer Zeichen, welche letzteren dem Forscher stets zur Verfügung stehen und mit unvergleichlicher Leichtigkeit zu hantiren sind.
Die Erleichterung und Vorteile, welche ein judiziöser Gebrauch der Zeichen in dieser Hinsicht der Forschung zu gewähren vermag, würden sich passend vergleichen lassen mit denjenigen, welche gegenüber dem direkten Tauschverkehr mit Waaren (in Zentralafrika z. B.) die Einführung von Wertzeichen — des Geldes — gewähren müsste. Freilich würde mit solch' illustrirendem Hinweis an Ort und Stelle nicht viel zu gewinnen sein, indem wir finden, dass Völkerschaften, welche sich noch im Zustande anal- phabetischer Wildheit befinden, auch mit dem Gebrauch des Geldes oft unbekannt sind.
Der vorstehende Vergleich ist ähnlich schon von Leibniz gemacht und verlohnt es, seinen Gedankengang näher darzulegen (vergl. Trendelen- burg l. c. auf spätern Seiten).
Leibniz geht von einer psychologischen Betrachtung über die Be- dingungen der Deutlichkeit unsres Denkens aus. Ursprüngliche und ein- fache Vorstellungen, so wie sie z. B. aus der Wahrnehmung stammen, pflegen auch anschaulich reproduzirt zu werden. Hingegen denken wir die zusammengesetzte Vorstellung gemeiniglich nur durch Zeichen. Namentlich wo behufs Bestimmung und Erkenntniss des Wesens eines Dinges eine längere Zergliederung nötig ist, schauen wir die ganze Natur dieses Dinges nicht an, sondern kürzen sie im Zeichen ab, indem wir darin die Fähig- keit zu haben meinen, die Vorstellung, wenn es sein muss, (vollends) zu entwickeln. So betrachten wir z. B. bei dem Begriff eines Tausendecks nicht wirklich alle tausend Seiten, sondern die Zahl tausend und sich aneinander schliessende Seiten schweben uns dunkel vor, und statt der deutlichen Vorstellung bedienen wir uns des Wortes als eines Zeichens, wie z. B. in der Arithmetik und Algebra allenthalben (Meditationes de cognitione veritatis et ideis, zuerst in den Acta eruditorum. Editio Erd- mann, p. 79, 80).
Und ferner sagt Leibniz im Eingang seiner deutschen Schrift: Un- vorgreifliche Gedanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache (Dutens VI, 2, p. 7 sqq. — wahrscheinlich 1697):
„Wir haben Zeichen nötig nicht nur (um) unsre Meinung Andern an- zudeuten, sondern auch unsern Gedanken selbst zu helfen. Denn gleichwie man in grossen Handelsstädten, auch im Spiel und sonsten nicht allezeit Geld zahlet, sondern sich an dessen Statt der Zeddel oder Marken*) bis zur letzten Abrechnung oder Zahlung bedient: also thut auch der Verstand mit den Bildnissen der Dinge, zumal wenn er viel zu denken hat, dass er
*) Wir würden heutzutage sagen: der Buchführung und Wechsel. Der Verf.
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Einleitung.
λ1) Es haben diese Wissenschaften, mehr oder minder ausgesprochen,
die Tendenz, die Schwierigkeiten des Studiums der Dinge — der Dinge,
die man nicht immer bequem zur Hand hat, die man meist nicht fest-
halten oder fixiren und ohne weiteres manipuliren kann — möglichst
abzuwälzen auf das Studium ihrer Zeichen, welche letzteren dem Forscher
stets zur Verfügung stehen und mit unvergleichlicher Leichtigkeit zu
hantiren sind.
Die Erleichterung und Vorteile, welche ein judiziöser Gebrauch der
Zeichen in dieser Hinsicht der Forschung zu gewähren vermag, würden
sich passend vergleichen lassen mit denjenigen, welche gegenüber dem
direkten Tauschverkehr mit Waaren (in Zentralafrika z. B.) die Einführung
von Wertzeichen — des Geldes — gewähren müsste. Freilich würde mit
solch' illustrirendem Hinweis an Ort und Stelle nicht viel zu gewinnen sein,
indem wir finden, dass Völkerschaften, welche sich noch im Zustande anal-
phabetischer Wildheit befinden, auch mit dem Gebrauch des Geldes oft
unbekannt sind.
Der vorstehende Vergleich ist ähnlich schon von Leibniz gemacht
und verlohnt es, seinen Gedankengang näher darzulegen (vergl. Trendelen-
burg l. c. auf spätern Seiten).
Leibniz geht von einer psychologischen Betrachtung über die Be-
dingungen der Deutlichkeit unsres Denkens aus. Ursprüngliche und ein-
fache Vorstellungen, so wie sie z. B. aus der Wahrnehmung stammen,
pflegen auch anschaulich reproduzirt zu werden. Hingegen denken wir die
zusammengesetzte Vorstellung gemeiniglich nur durch Zeichen. Namentlich
wo behufs Bestimmung und Erkenntniss des Wesens eines Dinges eine
längere Zergliederung nötig ist, schauen wir die ganze Natur dieses Dinges
nicht an, sondern kürzen sie im Zeichen ab, indem wir darin die Fähig-
keit zu haben meinen, die Vorstellung, wenn es sein muss, (vollends) zu
entwickeln. So betrachten wir z. B. bei dem Begriff eines Tausendecks
nicht wirklich alle tausend Seiten, sondern die Zahl tausend und sich
aneinander schliessende Seiten schweben uns dunkel vor, und statt der
deutlichen Vorstellung bedienen wir uns des Wortes als eines Zeichens,
wie z. B. in der Arithmetik und Algebra allenthalben (Meditationes de
cognitione veritatis et ideis, zuerst in den Acta eruditorum. Editio Erd-
mann, p. 79, 80).
Und ferner sagt Leibniz im Eingang seiner deutschen Schrift: Un-
vorgreifliche Gedanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der
deutschen Sprache (Dutens VI, 2, p. 7 sqq. — wahrscheinlich 1697):
„Wir haben Zeichen nötig nicht nur (um) unsre Meinung Andern an-
zudeuten, sondern auch unsern Gedanken selbst zu helfen. Denn gleichwie
man in grossen Handelsstädten, auch im Spiel und sonsten nicht allezeit
Geld zahlet, sondern sich an dessen Statt der Zeddel oder Marken *) bis
zur letzten Abrechnung oder Zahlung bedient: also thut auch der Verstand
mit den Bildnissen der Dinge, zumal wenn er viel zu denken hat, dass er
*) Wir würden heutzutage sagen: der Buchführung und Wechsel. Der Verf.
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/60>, abgerufen am 04.12.2024.
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