bemerkung Boole's bei seinem (als 1. Aufgabe in unserm § 25 behandelten) Probleme "I have not attempted to verify these conclusions" hatte Lotze, wie er mir schrieb veranlasst, diese Verifikation zu versuchen. Boole's Fassung der Prämisse b), welche eine Kombination (a b c d) als "beobachtet" hinstellt, die nach den Konklusionen dann gar nicht vorgekommen sein kann, führte ihn jedoch dabei irre, und wandte er sich nach einem erfolg- losen Anlauf dieserhalb brieflich (19. April 1880) an mich, worauf ich am 22. April ein Antwortschreiben abgehen liess, welches nebst dem Hinweis auf Badorff's Wahrnehmung (S. 528) die oben (S. 563 sq.) gegebene Zu- sammenstellung der glossirten Kombinationen mit den zugehörigen Er- läuterungen nahe wörtlich enthielt. Ich hatte dieselbe -- ohne noch von irgend welchen Schriften Jevons' damals Kenntniss zu haben, jedoch nach dem Vorgange meines damaligen Kollegen, Herrn Lüroth -- schon zuvor entworfen. Nach einem späteren Schreiben muss Lotze meinen Brief auch erhalten haben.
Ich will nun nicht davon reden, dass die Bemerkung Lotze's p. 266, dass der "passendere" Weg "sich ganz von selbst darbietet", sowie p. 267, dass Jevons das Verfahren nicht erst entdeckt zu haben brauchte, da es in der Anweisung zu Klassifikationen längst vorgelegen, mit seiner anfäng- lichen Hülflosigkeit einigermassen kontrastirt. Jedenfalls auch lag für Lotze keine Verpflichtung vor, jener kleinen Beihülfe meinerseits zu er- wähnen, welche sich ja blos als Bethätigung einer schon anderweitig be- kannten (mir zwar seitdem erst als solche kund gewordnen) "Methode" von Jevons erwies.
Was ich aber im sachlichen Interesse sagen zu sollen glaube, ist folgendes.
Indem Lotze bei seiner Besprechung des Boole'schen Problems sich darauf beschränkt, lediglich die "Tabelle" der elf stehen bleibenden Kombinationen (von S. 564) hinzusetzen, und von den übrigen meint, dass sie schon gleich während des "ganz mechanischen" Verzeichnens derselben zu unterdrücken waren, erweckt er den An- schein, als ob (hier) die rechnerische Behandlung des Problems gegen- über einer solchen nach dem gemeinen Verstande einen ganz über- mässigen Arbeitsaufwand erheische, auch einen erheblich grösseren Druckumfang in Anspruch nehme; er verhilft dem kunstlosen Zuwerke- gehen gegenüber dem wissenschaftlichen zu einem billigen und un- verdienten Triumphe.
Kaum möchte selbst dem Scharfsinn eines Lotze zuzutrauen sein, dass er es praktikabler finde hier schon während des Verzeichnens die- jenigen Kombinationen zu unterdrücken, "welche durch die Gesamtheit der gegebenen Bedingungen ausgeschlossen sind". Jedenfalls aber ist die von Lotze so geschickt verhüllte mühsame Geistesarbeit (der wir in der Absicht, sie in extenso darzulegen, auf S. 563 unter der Über- schrift "Kombinationen" einen doch immer noch unzulänglichen Aus-
§ 26. Lotze's Kritik.
bemerkung Boole's bei seinem (als 1. Aufgabe in unserm § 25 behandelten) Probleme „I have not attempted to verify these conclusions“ hatte Lotze, wie er mir schrieb veranlasst, diese Verifikation zu versuchen. Boole's Fassung der Prämisse β), welche eine Kombination (a b c d) als „beobachtet“ hinstellt, die nach den Konklusionen dann gar nicht vorgekommen sein kann, führte ihn jedoch dabei irre, und wandte er sich nach einem erfolg- losen Anlauf dieserhalb brieflich (19. April 1880) an mich, worauf ich am 22. April ein Antwortschreiben abgehen liess, welches nebst dem Hinweis auf Badorff's Wahrnehmung (S. 528) die oben (S. 563 sq.) gegebene Zu- sammenstellung der glossirten Kombinationen mit den zugehörigen Er- läuterungen nahe wörtlich enthielt. Ich hatte dieselbe — ohne noch von irgend welchen Schriften Jevons' damals Kenntniss zu haben, jedoch nach dem Vorgange meines damaligen Kollegen, Herrn Lüroth — schon zuvor entworfen. Nach einem späteren Schreiben muss Lotze meinen Brief auch erhalten haben.
Ich will nun nicht davon reden, dass die Bemerkung Lotze's p. 266, dass der „passendere“ Weg „sich ganz von selbst darbietet“, sowie p. 267, dass Jevons das Verfahren nicht erst entdeckt zu haben brauchte, da es in der Anweisung zu Klassifikationen längst vorgelegen, mit seiner anfäng- lichen Hülflosigkeit einigermassen kontrastirt. Jedenfalls auch lag für Lotze keine Verpflichtung vor, jener kleinen Beihülfe meinerseits zu er- wähnen, welche sich ja blos als Bethätigung einer schon anderweitig be- kannten (mir zwar seitdem erst als solche kund gewordnen) „Methode“ von Jevons erwies.
Was ich aber im sachlichen Interesse sagen zu sollen glaube, ist folgendes.
Indem Lotze bei seiner Besprechung des Boole'schen Problems sich darauf beschränkt, lediglich die „Tabelle“ der elf stehen bleibenden Kombinationen (von S. 564) hinzusetzen, und von den übrigen meint, dass sie schon gleich während des „ganz mechanischen“ Verzeichnens derselben zu unterdrücken waren, erweckt er den An- schein, als ob (hier) die rechnerische Behandlung des Problems gegen- über einer solchen nach dem gemeinen Verstande einen ganz über- mässigen Arbeitsaufwand erheische, auch einen erheblich grösseren Druckumfang in Anspruch nehme; er verhilft dem kunstlosen Zuwerke- gehen gegenüber dem wissenschaftlichen zu einem billigen und un- verdienten Triumphe.
Kaum möchte selbst dem Scharfsinn eines Lotze zuzutrauen sein, dass er es praktikabler finde hier schon während des Verzeichnens die- jenigen Kombinationen zu unterdrücken, „welche durch die Gesamtheit der gegebenen Bedingungen ausgeschlossen sind“. Jedenfalls aber ist die von Lotze so geschickt verhüllte mühsame Geistesarbeit (der wir in der Absicht, sie in extenso darzulegen, auf S. 563 unter der Über- schrift „Kombinationen“ einen doch immer noch unzulänglichen Aus-
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wie er mir schrieb veranlasst, diese Verifikation zu versuchen. Boole's
Fassung der Prämisse β), welche eine Kombination (a b c d) als „beobachtet“
hinstellt, die nach den Konklusionen dann gar nicht vorgekommen sein
kann, führte ihn jedoch dabei irre, und wandte er sich nach einem erfolg-
losen Anlauf dieserhalb brieflich (19. April 1880) an mich, worauf ich am
22. April ein Antwortschreiben abgehen liess, welches nebst dem Hinweis
auf Badorff's Wahrnehmung (S. 528) die oben (S. 563 sq.) gegebene Zu-
sammenstellung der glossirten Kombinationen mit den zugehörigen Er-
läuterungen nahe wörtlich enthielt. Ich hatte dieselbe — ohne noch von
irgend welchen Schriften Jevons' damals Kenntniss zu haben, jedoch nach
dem Vorgange meines damaligen Kollegen, Herrn Lüroth — schon zuvor
entworfen. Nach einem späteren Schreiben muss Lotze meinen Brief auch
erhalten haben.
Ich will nun nicht davon reden, dass die Bemerkung Lotze's p. 266,
dass der „passendere“ Weg „sich ganz von selbst darbietet“, sowie p. 267,
dass Jevons das Verfahren nicht erst entdeckt zu haben brauchte, da es
in der Anweisung zu Klassifikationen längst vorgelegen, mit seiner anfäng-
lichen Hülflosigkeit einigermassen kontrastirt. Jedenfalls auch lag für
Lotze keine Verpflichtung vor, jener kleinen Beihülfe meinerseits zu er-
wähnen, welche sich ja blos als Bethätigung einer schon anderweitig be-
kannten (mir zwar seitdem erst als solche kund gewordnen) „Methode“
von Jevons erwies.
Was ich aber im sachlichen Interesse sagen zu sollen glaube, ist
folgendes.
Indem Lotze bei seiner Besprechung des Boole'schen Problems
sich darauf beschränkt, lediglich die „Tabelle“ der elf stehen
bleibenden Kombinationen (von S. 564) hinzusetzen, und von den
übrigen meint, dass sie schon gleich während des „ganz mechanischen“
Verzeichnens derselben zu unterdrücken waren, erweckt er den An-
schein, als ob (hier) die rechnerische Behandlung des Problems gegen-
über einer solchen nach dem gemeinen Verstande einen ganz über-
mässigen Arbeitsaufwand erheische, auch einen erheblich grösseren
Druckumfang in Anspruch nehme; er verhilft dem kunstlosen Zuwerke-
gehen gegenüber dem wissenschaftlichen zu einem billigen und un-
verdienten Triumphe.
Kaum möchte selbst dem Scharfsinn eines Lotze zuzutrauen sein,
dass er es praktikabler finde hier schon während des Verzeichnens die-
jenigen Kombinationen zu unterdrücken, „welche durch die Gesamtheit
der gegebenen Bedingungen ausgeschlossen sind“. Jedenfalls aber ist
die von Lotze so geschickt verhüllte mühsame Geistesarbeit (der wir
in der Absicht, sie in extenso darzulegen, auf S. 563 unter der Über-
schrift „Kombinationen“ einen doch immer noch unzulänglichen Aus-
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/587>, abgerufen am 22.07.2024.
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