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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Einleitung.
schmeckend und nahrhaft erweisen, ganz einerlei, was diese an sich
sind oder das denselben zugrunde liegende Wirkliche.

th1) Um unsre Zwecke zu erreichen, unsre Ziele zu verwirklichen,
dazu bedürfen wir der Mitwirkung unsrer Nebenmenschen; wir können
deren Kooperation meist nicht entbehren. Um aber solche zu erlangen,
müssen wir uns mit ihnen verständigen.

Auf die mannigfachen andern Momente, aus welchen das Mitteilungs-
bedürfniss sich noch zusammensetzen mag und mit denen es im mensch-
lichen Gemüte begründet erscheint, will ich hier nicht eingehen. Es ist
ausreichend, den einen praktischen Gesichtspunkt hier hervorgehoben zu
haben, welcher schon für sich allein mit Macht zu einer Verständigung
unter den Menschen drängt.

Auch bei Tieren sehen wir nicht selten ein planmässiges Zusammen-
wirken und eine gewisse Arbeitsteilung, vor allem bei den staatenbildenden,
wie Ameisen, Bienen, u. s. w. -- es genügt schon, an die Bauten, den
Ackerbau, die Viehzucht, Kriegführung und Sklavenhaltung bei den erstern
zu erinnern. Auf welche Weise, wol unter dem Einfluss des Nachahmungs-
triebes, derjenige Grad der Verständigung zwischen den Individuen des
Stammes, der zu solchen Werken erforderlich ist, doch ohne ein Surrogat
der Sprache, zustande kommt, ist nicht ganz aufgeklärt.

Das wirksamste und ausgiebigste, das Mittel zur Erzielung der
weitestgehenden und weitreichendsten Verständigung unter den Menschen
ist jedenfalls die Sprache.

i1) In ihr bringt das denkende Subjekt zu dem Ding an sich und
zu seiner Vorstellung von demselben noch ein drittes hinzu: den Namen
oder das Zeichen des Dinges.

Um mit dem Seitenblick auf die Metaphysik, zu welchem wir uns oben
veranlasst gesehen, thunlichst zum Abschluss zu kommen, sei hier sogleich
darauf aufmerksam gemacht, dass -- woferne nur die Fälle von etwaiger
Sinnestäuschung ausgeschlossen werden -- das Zeichen ebenfalls zu der
Klasse von Dingen zu zählen ist, von welchen wir sagen dürfen, dass wir
sie "an sich" erkennen.

Was freilich den Kohlenstoffteilchen, die den gedruckten Buchstaben a
zusammensetzen, mit ihrer vorwiegenden linearen und Flächenausdehnung
Wirkliches zugrunde liegt, wissen wir nicht; es kann uns dies aber auch
vollkommen gleichgültig sein. Das Zeichen kommt eben für uns lediglich
als dasjenige in Betracht, als was es uns erscheint; nur seine notwendige
Wirkung auf uns, seine für alle, die es wahrzunehmen vermögen, gleich-
mässig charakteristische Erscheinung bestimmt und regelt seine Verwendung.
Und diese Erscheinung des Zeichens, kraft welcher wir den Buchstaben a
in beliebiger Wiederholung immer als den gleichen erkennen und von allen
andern Buchstaben unterscheiden, bildet für uns das Wesen desselben.


Einleitung.
schmeckend und nahrhaft erweisen, ganz einerlei, was diese an sich
sind oder das denselben zugrunde liegende Wirkliche.

ϑ1) Um unsre Zwecke zu erreichen, unsre Ziele zu verwirklichen,
dazu bedürfen wir der Mitwirkung unsrer Nebenmenschen; wir können
deren Kooperation meist nicht entbehren. Um aber solche zu erlangen,
müssen wir uns mit ihnen verständigen.

Auf die mannigfachen andern Momente, aus welchen das Mitteilungs-
bedürfniss sich noch zusammensetzen mag und mit denen es im mensch-
lichen Gemüte begründet erscheint, will ich hier nicht eingehen. Es ist
ausreichend, den einen praktischen Gesichtspunkt hier hervorgehoben zu
haben, welcher schon für sich allein mit Macht zu einer Verständigung
unter den Menschen drängt.

Auch bei Tieren sehen wir nicht selten ein planmässiges Zusammen-
wirken und eine gewisse Arbeitsteilung, vor allem bei den staatenbildenden,
wie Ameisen, Bienen, u. s. w. — es genügt schon, an die Bauten, den
Ackerbau, die Viehzucht, Kriegführung und Sklavenhaltung bei den erstern
zu erinnern. Auf welche Weise, wol unter dem Einfluss des Nachahmungs-
triebes, derjenige Grad der Verständigung zwischen den Individuen des
Stammes, der zu solchen Werken erforderlich ist, doch ohne ein Surrogat
der Sprache, zustande kommt, ist nicht ganz aufgeklärt.

Das wirksamste und ausgiebigste, das Mittel zur Erzielung der
weitestgehenden und weitreichendsten Verständigung unter den Menschen
ist jedenfalls die Sprache.

ι1) In ihr bringt das denkende Subjekt zu dem Ding an sich und
zu seiner Vorstellung von demselben noch ein drittes hinzu: den Namen
oder das Zeichen des Dinges.

Um mit dem Seitenblick auf die Metaphysik, zu welchem wir uns oben
veranlasst gesehen, thunlichst zum Abschluss zu kommen, sei hier sogleich
darauf aufmerksam gemacht, dass — woferne nur die Fälle von etwaiger
Sinnestäuschung ausgeschlossen werden — das Zeichen ebenfalls zu der
Klasse von Dingen zu zählen ist, von welchen wir sagen dürfen, dass wir
sie „an sich“ erkennen.

Was freilich den Kohlenstoffteilchen, die den gedruckten Buchstaben a
zusammensetzen, mit ihrer vorwiegenden linearen und Flächenausdehnung
Wirkliches zugrunde liegt, wissen wir nicht; es kann uns dies aber auch
vollkommen gleichgültig sein. Das Zeichen kommt eben für uns lediglich
als dasjenige in Betracht, als was es uns erscheint; nur seine notwendige
Wirkung auf uns, seine für alle, die es wahrzunehmen vermögen, gleich-
mässig charakteristische Erscheinung bestimmt und regelt seine Verwendung.
Und diese Erscheinung des Zeichens, kraft welcher wir den Buchstaben a
in beliebiger Wiederholung immer als den gleichen erkennen und von allen
andern Buchstaben unterscheiden, bildet für uns das Wesen desselben.


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[37/0057] Einleitung. schmeckend und nahrhaft erweisen, ganz einerlei, was diese an sich sind oder das denselben zugrunde liegende Wirkliche. ϑ1) Um unsre Zwecke zu erreichen, unsre Ziele zu verwirklichen, dazu bedürfen wir der Mitwirkung unsrer Nebenmenschen; wir können deren Kooperation meist nicht entbehren. Um aber solche zu erlangen, müssen wir uns mit ihnen verständigen. Auf die mannigfachen andern Momente, aus welchen das Mitteilungs- bedürfniss sich noch zusammensetzen mag und mit denen es im mensch- lichen Gemüte begründet erscheint, will ich hier nicht eingehen. Es ist ausreichend, den einen praktischen Gesichtspunkt hier hervorgehoben zu haben, welcher schon für sich allein mit Macht zu einer Verständigung unter den Menschen drängt. Auch bei Tieren sehen wir nicht selten ein planmässiges Zusammen- wirken und eine gewisse Arbeitsteilung, vor allem bei den staatenbildenden, wie Ameisen, Bienen, u. s. w. — es genügt schon, an die Bauten, den Ackerbau, die Viehzucht, Kriegführung und Sklavenhaltung bei den erstern zu erinnern. Auf welche Weise, wol unter dem Einfluss des Nachahmungs- triebes, derjenige Grad der Verständigung zwischen den Individuen des Stammes, der zu solchen Werken erforderlich ist, doch ohne ein Surrogat der Sprache, zustande kommt, ist nicht ganz aufgeklärt. Das wirksamste und ausgiebigste, das Mittel zur Erzielung der weitestgehenden und weitreichendsten Verständigung unter den Menschen ist jedenfalls die Sprache. ι1) In ihr bringt das denkende Subjekt zu dem Ding an sich und zu seiner Vorstellung von demselben noch ein drittes hinzu: den Namen oder das Zeichen des Dinges. Um mit dem Seitenblick auf die Metaphysik, zu welchem wir uns oben veranlasst gesehen, thunlichst zum Abschluss zu kommen, sei hier sogleich darauf aufmerksam gemacht, dass — woferne nur die Fälle von etwaiger Sinnestäuschung ausgeschlossen werden — das Zeichen ebenfalls zu der Klasse von Dingen zu zählen ist, von welchen wir sagen dürfen, dass wir sie „an sich“ erkennen. Was freilich den Kohlenstoffteilchen, die den gedruckten Buchstaben a zusammensetzen, mit ihrer vorwiegenden linearen und Flächenausdehnung Wirkliches zugrunde liegt, wissen wir nicht; es kann uns dies aber auch vollkommen gleichgültig sein. Das Zeichen kommt eben für uns lediglich als dasjenige in Betracht, als was es uns erscheint; nur seine notwendige Wirkung auf uns, seine für alle, die es wahrzunehmen vermögen, gleich- mässig charakteristische Erscheinung bestimmt und regelt seine Verwendung. Und diese Erscheinung des Zeichens, kraft welcher wir den Buchstaben a in beliebiger Wiederholung immer als den gleichen erkennen und von allen andern Buchstaben unterscheiden, bildet für uns das Wesen desselben.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/57>, abgerufen am 23.11.2024.