erkannt werden können, ist in Bezug auf die Dinge der übrigen Aussen- welt solches nicht der Fall. Vielmehr muss hier zuvörderst eine Grund- wahrheit konstatirt werden, welche die "Metaphysik" zutage gefördert und -- die einzige fast -- im Kreise der Philosophen zu allgemeiner Anerkennung gebracht hat (woneben ihr aber das Verdienst nicht ab- zusprechen ist, der Oberflächlichkeit wirksam entgegengetreten zu sein, viele Irrtümer, Illusionen als solche aufgedeckt und zerstört zu haben, überhaupt auf Läuterung und Präzisirung der Begriffe, mannigfach zu weiteren Fortschritten in dieser Richtung anregend und zur Gründlich- keit und Behutsamkeit im Forschen erziehend, hingearbeitet zu haben). Es ist die Wahrheit, dass wir, was die Dinge der Aussenwelt an sich sind, zunächst überhaupt nicht zu erkennen vermögen.
Längst hat die Physik den Schall, das Licht, die Wärme etc. auf etwas ganz anderes zurückgeführt, als das ist, als was sie uns erscheinen: auf Be- wegungsvorgänge, Schwingungszustände materieller Teilchen, welche wir bei tönenden oder den Ton leitenden Körpern sogar dem Auge sichtbar machen können. So ist eine grüne Wiese z. B. durchaus nicht "grün an sich", d. h. ihr haftet nichts an von unsrer Empfindung der grünen Farbe, sondern wir wissen oder glauben mit gutem Grunde es zu wissen, dass diese Wiese nur die Eigenschaft hat, von den auf sie fallenden transversalen Lichtwellen die- jenigen von einer bestimmten Wellenlänge diffus zurückzuwerfen, die andern zu verschlucken, sie in Wärme oder auch chemische Arbeit des Blattgrüns (Chlorophylls) umsetzend. Herr Emil du Bois-Reymond hat schon darauf aufmerksam gemacht, dass der schöne Ausspruch "Und es ward Licht" auf Erden strenge genommen erst zur Wahrheit wurde, als sich die ersten Augenpunkte bei den frühesten Lebewesen (Infusorien) ausbildeten. Ebenso ist die uns umgebende Welt eigentlich stumm, und die Schall- und Ton- empfindungen entstehen erst, wenn durch die in das innere Ohr eindringenden longitudinalen oder Verdünnungs- und Verdichtungswellen der Luft von den 60000 Corti'schen Stäbchen, welche in der das Labyrinth auskleidenden weichen Nervenmasse stecken, einzelne Gruppen erschüttert, in Mitschwingung versetzt werden, u. s. w.
Wir vermögen -- bildlich gesprochen -- die Farbe der Brille, durch die wir die Welt betrachten, von dem Erscheinungsbild der Welt überhaupt nicht zu trennen, nicht dieses von jener frei zu machen, zu sondern. Denn jene Brille, als das dem Geiste mit den Sinnes- organen aufgesetze Wahrnehmungsvermögen, können wir eben (ohne Selbstvernichtung) nicht abnehmen, und nirgends ist der Geist im stande die Aussendinge selbst zu erfassen. Oder, um mit neueren Philosophen den Sachverhalt noch etwas schärfer zu präzisiren:
Von der Natur der Dinge an sich -- a --, zufolge deren sie auf uns einwirken, und einem subjektiven Moment x, welches durch unsre Sinnesorgane sowol als durch die spezifische Natur, eventuell Be-
Einleitung.
erkannt werden können, ist in Bezug auf die Dinge der übrigen Aussen- welt solches nicht der Fall. Vielmehr muss hier zuvörderst eine Grund- wahrheit konstatirt werden, welche die „Metaphysik“ zutage gefördert und — die einzige fast — im Kreise der Philosophen zu allgemeiner Anerkennung gebracht hat (woneben ihr aber das Verdienst nicht ab- zusprechen ist, der Oberflächlichkeit wirksam entgegengetreten zu sein, viele Irrtümer, Illusionen als solche aufgedeckt und zerstört zu haben, überhaupt auf Läuterung und Präzisirung der Begriffe, mannigfach zu weiteren Fortschritten in dieser Richtung anregend und zur Gründlich- keit und Behutsamkeit im Forschen erziehend, hingearbeitet zu haben). Es ist die Wahrheit, dass wir, was die Dinge der Aussenwelt an sich sind, zunächst überhaupt nicht zu erkennen vermögen.
Längst hat die Physik den Schall, das Licht, die Wärme etc. auf etwas ganz anderes zurückgeführt, als das ist, als was sie uns erscheinen: auf Be- wegungsvorgänge, Schwingungszustände materieller Teilchen, welche wir bei tönenden oder den Ton leitenden Körpern sogar dem Auge sichtbar machen können. So ist eine grüne Wiese z. B. durchaus nicht „grün an sich“, d. h. ihr haftet nichts an von unsrer Empfindung der grünen Farbe, sondern wir wissen oder glauben mit gutem Grunde es zu wissen, dass diese Wiese nur die Eigenschaft hat, von den auf sie fallenden transversalen Lichtwellen die- jenigen von einer bestimmten Wellenlänge diffus zurückzuwerfen, die andern zu verschlucken, sie in Wärme oder auch chemische Arbeit des Blattgrüns (Chlorophylls) umsetzend. Herr Emil du Bois-Reymond hat schon darauf aufmerksam gemacht, dass der schöne Ausspruch „Und es ward Licht“ auf Erden strenge genommen erst zur Wahrheit wurde, als sich die ersten Augenpunkte bei den frühesten Lebewesen (Infusorien) ausbildeten. Ebenso ist die uns umgebende Welt eigentlich stumm, und die Schall- und Ton- empfindungen entstehen erst, wenn durch die in das innere Ohr eindringenden longitudinalen oder Verdünnungs- und Verdichtungswellen der Luft von den 60000 Corti'schen Stäbchen, welche in der das Labyrinth auskleidenden weichen Nervenmasse stecken, einzelne Gruppen erschüttert, in Mitschwingung versetzt werden, u. s. w.
Wir vermögen — bildlich gesprochen — die Farbe der Brille, durch die wir die Welt betrachten, von dem Erscheinungsbild der Welt überhaupt nicht zu trennen, nicht dieses von jener frei zu machen, zu sondern. Denn jene Brille, als das dem Geiste mit den Sinnes- organen aufgesetze Wahrnehmungsvermögen, können wir eben (ohne Selbstvernichtung) nicht abnehmen, und nirgends ist der Geist im stande die Aussendinge selbst zu erfassen. Oder, um mit neueren Philosophen den Sachverhalt noch etwas schärfer zu präzisiren:
Von der Natur der Dinge an sich — a —, zufolge deren sie auf uns einwirken, und einem subjektiven Moment x, welches durch unsre Sinnesorgane sowol als durch die spezifische Natur, eventuell Be-
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Einleitung.
erkannt werden können, ist in Bezug auf die Dinge der übrigen Aussen-
welt solches nicht der Fall. Vielmehr muss hier zuvörderst eine Grund-
wahrheit konstatirt werden, welche die „Metaphysik“ zutage gefördert
und — die einzige fast — im Kreise der Philosophen zu allgemeiner
Anerkennung gebracht hat (woneben ihr aber das Verdienst nicht ab-
zusprechen ist, der Oberflächlichkeit wirksam entgegengetreten zu sein,
viele Irrtümer, Illusionen als solche aufgedeckt und zerstört zu haben,
überhaupt auf Läuterung und Präzisirung der Begriffe, mannigfach zu
weiteren Fortschritten in dieser Richtung anregend und zur Gründlich-
keit und Behutsamkeit im Forschen erziehend, hingearbeitet zu haben).
Es ist die Wahrheit, dass wir, was die Dinge der Aussenwelt an sich
sind, zunächst überhaupt nicht zu erkennen vermögen.
Längst hat die Physik den Schall, das Licht, die Wärme etc. auf etwas
ganz anderes zurückgeführt, als das ist, als was sie uns erscheinen: auf Be-
wegungsvorgänge, Schwingungszustände materieller Teilchen, welche wir bei
tönenden oder den Ton leitenden Körpern sogar dem Auge sichtbar machen
können. So ist eine grüne Wiese z. B. durchaus nicht „grün an sich“, d. h. ihr
haftet nichts an von unsrer Empfindung der grünen Farbe, sondern wir
wissen oder glauben mit gutem Grunde es zu wissen, dass diese Wiese nur
die Eigenschaft hat, von den auf sie fallenden transversalen Lichtwellen die-
jenigen von einer bestimmten Wellenlänge diffus zurückzuwerfen, die andern
zu verschlucken, sie in Wärme oder auch chemische Arbeit des Blattgrüns
(Chlorophylls) umsetzend. Herr Emil du Bois-Reymond hat schon darauf
aufmerksam gemacht, dass der schöne Ausspruch „Und es ward Licht“ auf
Erden strenge genommen erst zur Wahrheit wurde, als sich die ersten
Augenpunkte bei den frühesten Lebewesen (Infusorien) ausbildeten. Ebenso
ist die uns umgebende Welt eigentlich stumm, und die Schall- und Ton-
empfindungen entstehen erst, wenn durch die in das innere Ohr eindringenden
longitudinalen oder Verdünnungs- und Verdichtungswellen der Luft von den
60000 Corti'schen Stäbchen, welche in der das Labyrinth auskleidenden
weichen Nervenmasse stecken, einzelne Gruppen erschüttert, in Mitschwingung
versetzt werden, u. s. w.
Wir vermögen — bildlich gesprochen — die Farbe der Brille,
durch die wir die Welt betrachten, von dem Erscheinungsbild der
Welt überhaupt nicht zu trennen, nicht dieses von jener frei zu machen,
zu sondern. Denn jene Brille, als das dem Geiste mit den Sinnes-
organen aufgesetze Wahrnehmungsvermögen, können wir eben (ohne
Selbstvernichtung) nicht abnehmen, und nirgends ist der Geist im
stande die Aussendinge selbst zu erfassen. Oder, um mit neueren
Philosophen den Sachverhalt noch etwas schärfer zu präzisiren:
Von der Natur der Dinge an sich — a —, zufolge deren sie auf
uns einwirken, und einem subjektiven Moment x, welches durch unsre
Sinnesorgane sowol als durch die spezifische Natur, eventuell Be-
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/50>, abgerufen am 21.11.2024.
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