Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite
Eilfte Vorlesung.

In früher geschilderter Weise lässt nämlich jedes System von
gleichzeitig geltenden oder zu erfüllenden Gleichungen (oder nach Be-
lieben auch Subsumtionen) sich zusammenziehen in und ersetzen durch
eine einzige Gleichung mit der rechten Seite 0, die "vereinigte Glei-
chung" des Systemes.

Kam in dem Systeme neben irgend welchen andern Gebietsym-
bolen ein Gebiet x vor, so wird die linke Seite der vereinigten Glei-
chung eine "Funktion" von x sein (und auch wenn jenes nicht der Fall
war, würde sogar sie als Funktion von x sich doch ansehen lassen).
Diese Funktion lässt sich nach Th. 44+) durch x und x1 linear und
homogen darstellen in der Form a x + b x1, sodass die erste Gleichung
in unserm Theoreme die Stelle vertritt des allgemeinsten Systemes
von simultanen Gleichungen und eventuell Subsumtionen, in welchen
neben vielleicht noch andern eine Unbekannte x vorkommt.

Eine "Unbekannte" mögen wir das Gebiet x nennen auch dann, wenn
es bekannt sein sollte, indem man doch immer die Frage aufwerfen kann,
welche Werte sich dem x noch beilegen lassen würden, ohne dass die Pro-
positionen des Systems zu gelten aufhören, indem man, m. a. W. die For-
derung stellen kann, die vereinigte Gleichung, somit auch jenes System
simultaner Propositionen nach x "aufzulösen", und zwar sie vollständig auf-
zulösen, mithin sämtliche "Wurzeln" derselben anzugeben. Durch den einen
vielleicht schon bekannten Wert von x ist jene Frage doch im Allgemeinen
noch nicht von vornherein erledigt.

Die Auflösung einer Gleichung oder eines Systems setzt die Vor-
frage nach deren Auflösbarkeit als erledigt voraus. Der Vernünftige
wird ja nichts Unmögliches unternehmen.

Unter a) ist aber dargethan, dass in Bezug auf die Auflösung
der vereinigten Gleichung a x + b x1 = 0 nach x diese Frage bald zu
bejahen, bald zu verneinen ist:

d) Die Gleichung ist auflösbar, es gibt Werte, welche für x
eingesetzt, dieselbe erfüllen, d. h. sie besitzt Wurzeln immer dann,
wenn
zwischen den Koeffizienten derselben die Relation ab = 0 be-
steht, d. h. wenn ihre Koeffizienten disjunkt sind; aber auch nur dann.

Denn wenn diese zweite Gleichung unsres Theorems nicht erfüllt
ist, haben wir gesehen, kann auch die erste Gleichung für keinen
Wert von x bestehen, sie hat dann überhaupt keine Wurzeln und ist
dieselbe, sowie das ihr äquivalente System von Propositionen in diesem
Falle "unauflösbar" und "absurd" zu nennen. Unter den Propositionen
des Systems werden dann sich entweder solche finden, die für sich
allein schon "absurd" und durch kein x erfüllbar sind, oder die Pro-

Eilfte Vorlesung.

In früher geschilderter Weise lässt nämlich jedes System von
gleichzeitig geltenden oder zu erfüllenden Gleichungen (oder nach Be-
lieben auch Subsumtionen) sich zusammenziehen in und ersetzen durch
eine einzige Gleichung mit der rechten Seite 0, die „vereinigte Glei-
chung“ des Systemes.

Kam in dem Systeme neben irgend welchen andern Gebietsym-
bolen ein Gebiet x vor, so wird die linke Seite der vereinigten Glei-
chung eine „Funktion“ von x sein (und auch wenn jenes nicht der Fall
war, würde sogar sie als Funktion von x sich doch ansehen lassen).
Diese Funktion lässt sich nach Th. 44+) durch x und x1 linear und
homogen darstellen in der Form a x + b x1, sodass die erste Gleichung
in unserm Theoreme die Stelle vertritt des allgemeinsten Systemes
von simultanen Gleichungen und eventuell Subsumtionen, in welchen
neben vielleicht noch andern eine Unbekannte x vorkommt.

Eine „Unbekannte“ mögen wir das Gebiet x nennen auch dann, wenn
es bekannt sein sollte, indem man doch immer die Frage aufwerfen kann,
welche Werte sich dem x noch beilegen lassen würden, ohne dass die Pro-
positionen des Systems zu gelten aufhören, indem man, m. a. W. die For-
derung stellen kann, die vereinigte Gleichung, somit auch jenes System
simultaner Propositionen nach xaufzulösen“, und zwar sie vollständig auf-
zulösen, mithin sämtliche „Wurzeln“ derselben anzugeben. Durch den einen
vielleicht schon bekannten Wert von x ist jene Frage doch im Allgemeinen
noch nicht von vornherein erledigt.

Die Auflösung einer Gleichung oder eines Systems setzt die Vor-
frage nach deren Auflösbarkeit als erledigt voraus. Der Vernünftige
wird ja nichts Unmögliches unternehmen.

Unter α) ist aber dargethan, dass in Bezug auf die Auflösung
der vereinigten Gleichung a x + b x1 = 0 nach x diese Frage bald zu
bejahen, bald zu verneinen ist:

δ) Die Gleichung ist auflösbar, es gibt Werte, welche für x
eingesetzt, dieselbe erfüllen, d. h. sie besitzt Wurzeln immer dann,
wenn
zwischen den Koeffizienten derselben die Relation ab = 0 be-
steht, d. h. wenn ihre Koeffizienten disjunkt sind; aber auch nur dann.

Denn wenn diese zweite Gleichung unsres Theorems nicht erfüllt
ist, haben wir gesehen, kann auch die erste Gleichung für keinen
Wert von x bestehen, sie hat dann überhaupt keine Wurzeln und ist
dieselbe, sowie das ihr äquivalente System von Propositionen in diesem
Falle „unauflösbar“ und „absurd“ zu nennen. Unter den Propositionen
des Systems werden dann sich entweder solche finden, die für sich
allein schon „absurd“ und durch kein x erfüllbar sind, oder die Pro-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0470" n="450"/>
          <fw place="top" type="header">Eilfte Vorlesung.</fw><lb/>
          <p>In früher geschilderter Weise lässt nämlich jedes System von<lb/>
gleichzeitig geltenden oder zu erfüllenden Gleichungen (oder nach Be-<lb/>
lieben auch Subsumtionen) sich zusammenziehen <hi rendition="#i">in</hi> und ersetzen <hi rendition="#i">durch</hi><lb/>
eine einzige Gleichung mit der rechten Seite 0, die &#x201E;vereinigte Glei-<lb/>
chung&#x201C; des Systemes.</p><lb/>
          <p>Kam in dem Systeme neben irgend welchen andern Gebietsym-<lb/>
bolen ein Gebiet <hi rendition="#i">x</hi> vor, so wird die linke Seite der vereinigten Glei-<lb/>
chung eine &#x201E;Funktion&#x201C; von <hi rendition="#i">x</hi> sein (und auch wenn jenes <hi rendition="#i">nicht</hi> der Fall<lb/>
war, würde sogar sie als Funktion von <hi rendition="#i">x</hi> sich doch ansehen lassen).<lb/>
Diese Funktion lässt sich nach Th. 44<hi rendition="#sub">+</hi>) durch <hi rendition="#i">x</hi> und <hi rendition="#i">x</hi><hi rendition="#sub">1</hi> linear und<lb/>
homogen darstellen in der Form <hi rendition="#i">a x</hi> + <hi rendition="#i">b x</hi><hi rendition="#sub">1</hi>, sodass die erste Gleichung<lb/>
in unserm Theoreme die Stelle vertritt des allgemeinsten Systemes<lb/>
von simultanen Gleichungen und eventuell Subsumtionen, in welchen<lb/>
neben vielleicht noch andern eine Unbekannte <hi rendition="#i">x</hi> vorkommt.</p><lb/>
          <p>Eine &#x201E;Unbekannte&#x201C; mögen wir das Gebiet <hi rendition="#i">x</hi> nennen auch dann, wenn<lb/>
es bekannt sein sollte, indem man doch immer die Frage aufwerfen kann,<lb/>
welche Werte sich dem <hi rendition="#i">x</hi> noch beilegen lassen würden, ohne dass die Pro-<lb/>
positionen des Systems zu gelten aufhören, indem man, m. a. W. die For-<lb/>
derung stellen kann, die vereinigte Gleichung, somit auch jenes System<lb/>
simultaner Propositionen nach <hi rendition="#i">x</hi> &#x201E;<hi rendition="#i">aufzulösen</hi>&#x201C;, und zwar sie <hi rendition="#i">vollständig</hi> auf-<lb/>
zulösen, mithin sämtliche &#x201E;Wurzeln&#x201C; derselben anzugeben. Durch den einen<lb/>
vielleicht schon bekannten Wert von <hi rendition="#i">x</hi> ist jene Frage doch im Allgemeinen<lb/>
noch nicht von vornherein erledigt.</p><lb/>
          <p>Die Auflösung einer Gleichung oder eines Systems setzt die Vor-<lb/>
frage nach deren Auflösbarkeit als erledigt voraus. Der Vernünftige<lb/>
wird ja nichts Unmögliches unternehmen.</p><lb/>
          <p>Unter <hi rendition="#i">&#x03B1;</hi>) ist aber dargethan, dass in Bezug auf die Auflösung<lb/>
der vereinigten Gleichung <hi rendition="#i">a x</hi> + <hi rendition="#i">b x</hi><hi rendition="#sub">1</hi> = 0 nach <hi rendition="#i">x</hi> diese Frage bald zu<lb/>
bejahen, bald zu verneinen ist:</p><lb/>
          <p><hi rendition="#i">&#x03B4;</hi>) <hi rendition="#i">Die Gleichung ist auflösbar</hi>, es gibt Werte, welche für <hi rendition="#i">x</hi><lb/>
eingesetzt, dieselbe erfüllen, d. h. sie besitzt Wurzeln <hi rendition="#i">immer dann,<lb/>
wenn</hi> zwischen den Koeffizienten derselben die Relation <hi rendition="#i">ab</hi> = 0 be-<lb/>
steht, d. h. wenn <hi rendition="#i">ihre Koeffizienten disjunkt sind; aber auch nur dann</hi>.</p><lb/>
          <p>Denn wenn diese zweite Gleichung unsres Theorems nicht erfüllt<lb/>
ist, haben wir gesehen, kann auch die erste Gleichung für keinen<lb/>
Wert von <hi rendition="#i">x</hi> bestehen, sie hat dann überhaupt keine Wurzeln und ist<lb/>
dieselbe, sowie das ihr äquivalente System von Propositionen in diesem<lb/>
Falle &#x201E;unauflösbar&#x201C; und &#x201E;absurd&#x201C; zu nennen. Unter den Propositionen<lb/>
des Systems werden dann sich entweder solche finden, die für sich<lb/>
allein schon &#x201E;absurd&#x201C; und durch kein <hi rendition="#i">x</hi> erfüllbar sind, oder die Pro-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[450/0470] Eilfte Vorlesung. In früher geschilderter Weise lässt nämlich jedes System von gleichzeitig geltenden oder zu erfüllenden Gleichungen (oder nach Be- lieben auch Subsumtionen) sich zusammenziehen in und ersetzen durch eine einzige Gleichung mit der rechten Seite 0, die „vereinigte Glei- chung“ des Systemes. Kam in dem Systeme neben irgend welchen andern Gebietsym- bolen ein Gebiet x vor, so wird die linke Seite der vereinigten Glei- chung eine „Funktion“ von x sein (und auch wenn jenes nicht der Fall war, würde sogar sie als Funktion von x sich doch ansehen lassen). Diese Funktion lässt sich nach Th. 44+) durch x und x1 linear und homogen darstellen in der Form a x + b x1, sodass die erste Gleichung in unserm Theoreme die Stelle vertritt des allgemeinsten Systemes von simultanen Gleichungen und eventuell Subsumtionen, in welchen neben vielleicht noch andern eine Unbekannte x vorkommt. Eine „Unbekannte“ mögen wir das Gebiet x nennen auch dann, wenn es bekannt sein sollte, indem man doch immer die Frage aufwerfen kann, welche Werte sich dem x noch beilegen lassen würden, ohne dass die Pro- positionen des Systems zu gelten aufhören, indem man, m. a. W. die For- derung stellen kann, die vereinigte Gleichung, somit auch jenes System simultaner Propositionen nach x „aufzulösen“, und zwar sie vollständig auf- zulösen, mithin sämtliche „Wurzeln“ derselben anzugeben. Durch den einen vielleicht schon bekannten Wert von x ist jene Frage doch im Allgemeinen noch nicht von vornherein erledigt. Die Auflösung einer Gleichung oder eines Systems setzt die Vor- frage nach deren Auflösbarkeit als erledigt voraus. Der Vernünftige wird ja nichts Unmögliches unternehmen. Unter α) ist aber dargethan, dass in Bezug auf die Auflösung der vereinigten Gleichung a x + b x1 = 0 nach x diese Frage bald zu bejahen, bald zu verneinen ist: δ) Die Gleichung ist auflösbar, es gibt Werte, welche für x eingesetzt, dieselbe erfüllen, d. h. sie besitzt Wurzeln immer dann, wenn zwischen den Koeffizienten derselben die Relation ab = 0 be- steht, d. h. wenn ihre Koeffizienten disjunkt sind; aber auch nur dann. Denn wenn diese zweite Gleichung unsres Theorems nicht erfüllt ist, haben wir gesehen, kann auch die erste Gleichung für keinen Wert von x bestehen, sie hat dann überhaupt keine Wurzeln und ist dieselbe, sowie das ihr äquivalente System von Propositionen in diesem Falle „unauflösbar“ und „absurd“ zu nennen. Unter den Propositionen des Systems werden dann sich entweder solche finden, die für sich allein schon „absurd“ und durch kein x erfüllbar sind, oder die Pro-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/470
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/470>, abgerufen am 25.11.2024.