Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.§ 16. Gewöhnliche Mannigfaltigkeit. ander ausschliessen in dem Sinne, dass sie beide zusammen zu denkeneinen Widerspruch involviren würde.*) Unter diesen Umständen, wissen wir bereits, ist es zulässig, eine Und ferner gibt es dann auch eine Klasse 1, welche diesen Klassen Alsdann auch ist es möglich, die Individuen irgend einer ge- Wir haben damit die ausreichenden Grundlagen zur Bildung eines Wir nennen diese Klasse nicht-a, non-a, die Negation, auch das *) Dergleichen wäre wol nur dann zu gewärtigen, wenn als Elemente der
Mn. (auch) in Urteilen niedergelegte Überzeugungen figuriren, wenn als deren In- dividuen "Glaubenssätze" (im weiteren Sinne des Wortes) auftreten. Dann Obiges ausdrücklich zu verlangen, scheint eigentlich überflüssig, weil von Vernünftigen Unvereinbares ohnehin nicht zusammen gedacht wird, und für Verrückte keine Logik geschrieben wird. Von Vernünftigen -- ja! -- sofern sie nicht auf dem Holzwege sind, nicht irren. Versteckte Widersprüche können aber auch solchen entgehen. Ohnehin dürfte auch die Grenze zwischen beiden Kategorieen von Personen gar nicht so scharf zu ziehen sein; vielmehr hat die Ansicht sehr viel für sich, dass jeder Mensch an partiellem Wahnsinn leide, dass er seinen "Tollpunkt" be- sitzt (eventuell auch deren mehrere, welche, nebenbei gesagt, meist schon daran erkennbar, dass er "böse" wird, sobald ein solcher von Andern berührt wird) -- oder, un mit meinem Kollegen Knop einen terminus technicus der Geologie zu verwerten, mit dem sie das Vorkommniss bezeichnet, wo eine Schicht plötzlich in ganz anderem Niveau sich fortsetzt, als auf welchem sie aufgehört hat zu strei- chen: dass es auch in des Menschen Hirne "Verwerfungsspalten" gibt. -- Endlich war doch in Anhang 4 und 5 zu sehen, dass man auch unvereiu- bare, inkonsistente Mannigfaltigkeiten sehr wohl zum Gegenstand des Studiums machen, als Untersuchungsfeld sich erwählen kann. -- § 16. Gewöhnliche Mannigfaltigkeit. ander ausschliessen in dem Sinne, dass sie beide zusammen zu denkeneinen Widerspruch involviren würde.*) Unter diesen Umständen, wissen wir bereits, ist es zulässig, eine Und ferner gibt es dann auch eine Klasse 1, welche diesen Klassen Alsdann auch ist es möglich, die Individuen irgend einer ge- Wir haben damit die ausreichenden Grundlagen zur Bildung eines Wir nennen diese Klasse nicht-a, non-a, die Negation, auch das *) Dergleichen wäre wol nur dann zu gewärtigen, wenn als Elemente der
Mn. (auch) in Urteilen niedergelegte Überzeugungen figuriren, wenn als deren In- dividuen „Glaubenssätze“ (im weiteren Sinne des Wortes) auftreten. Dann Obiges ausdrücklich zu verlangen, scheint eigentlich überflüssig, weil von Vernünftigen Unvereinbares ohnehin nicht zusammen gedacht wird, und für Verrückte keine Logik geschrieben wird. Von Vernünftigen — ja! — sofern sie nicht auf dem Holzwege sind, nicht irren. Versteckte Widersprüche können aber auch solchen entgehen. Ohnehin dürfte auch die Grenze zwischen beiden Kategorieen von Personen gar nicht so scharf zu ziehen sein; vielmehr hat die Ansicht sehr viel für sich, dass jeder Mensch an partiellem Wahnsinn leide, dass er seinen „Tollpunkt“ be- sitzt (eventuell auch deren mehrere, welche, nebenbei gesagt, meist schon daran erkennbar, dass er „böse“ wird, sobald ein solcher von Andern berührt wird) — oder, un mit meinem Kollegen Knop einen terminus technicus der Geologie zu verwerten, mit dem sie das Vorkommniss bezeichnet, wo eine Schicht plötzlich in ganz anderem Niveau sich fortsetzt, als auf welchem sie aufgehört hat zu strei- chen: dass es auch in des Menschen Hirne „Verwerfungsspalten“ gibt. — Endlich war doch in Anhang 4 und 5 zu sehen, dass man auch unvereiu- bare, inkonsistente Mannigfaltigkeiten sehr wohl zum Gegenstand des Studiums machen, als Untersuchungsfeld sich erwählen kann. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0363" n="343"/><fw place="top" type="header">§ 16. Gewöhnliche Mannigfaltigkeit.</fw><lb/><hi rendition="#i">ander ausschliessen</hi> in dem Sinne, dass sie beide zusammen zu denken<lb/> einen Widerspruch involviren würde.<note place="foot" n="*)">Dergleichen wäre wol nur dann zu gewärtigen, wenn als Elemente der<lb/> Mn. (auch) in Urteilen niedergelegte Überzeugungen figuriren, wenn als deren In-<lb/> dividuen „<hi rendition="#i">Glaubenssätze</hi>“ (im weiteren Sinne des Wortes) auftreten. Dann Obiges<lb/> ausdrücklich zu verlangen, scheint eigentlich überflüssig, weil von Vernünftigen<lb/> Unvereinbares ohnehin nicht zusammen gedacht wird, und für Verrückte keine<lb/> Logik geschrieben wird. Von Vernünftigen — ja! — sofern sie nicht auf dem<lb/> Holzwege sind, nicht irren. Versteckte Widersprüche können aber auch solchen<lb/> entgehen.<lb/> Ohnehin dürfte auch die Grenze zwischen beiden Kategorieen von Personen<lb/> gar nicht so scharf zu ziehen sein; vielmehr hat die Ansicht sehr viel für sich,<lb/> dass jeder Mensch an partiellem Wahnsinn leide, dass er seinen „Tollpunkt“ be-<lb/> sitzt (eventuell auch deren mehrere, welche, nebenbei gesagt, meist schon daran<lb/> erkennbar, dass er „böse“ wird, sobald ein solcher von Andern berührt wird) —<lb/> oder, un mit meinem Kollegen <hi rendition="#g">Knop</hi> einen terminus technicus der Geologie zu<lb/> verwerten, mit dem sie das Vorkommniss bezeichnet, wo eine Schicht plötzlich in<lb/> ganz anderem Niveau sich fortsetzt, als auf welchem sie aufgehört hat zu strei-<lb/> chen: dass es auch in des Menschen Hirne „Verwerfungsspalten“ gibt. —<lb/> Endlich war doch in Anhang 4 und 5 zu sehen, dass man auch unvereiu-<lb/> bare, inkonsistente Mannigfaltigkeiten sehr wohl zum Gegenstand des Studiums<lb/> machen, als Untersuchungsfeld sich erwählen kann. —</note></p><lb/> <p>Unter diesen Umständen, wissen wir bereits, ist es zulässig, eine<lb/> Klasse O zu fingiren, welche allen aus der Mn. hervorhebbaren Klassen<lb/><hi rendition="#i">a</hi> gegenüber jene von der Def. (2<hi rendition="#sub">×</hi>) geforderte Eigenschaft besitzt, dass<lb/> nämlich O ⋹ <hi rendition="#i">a</hi> sei, und diese Klasse ist die leere, welche die Rolle<lb/> des „Nichts“ <hi rendition="#i">für</hi> diese, <hi rendition="#i">in</hi> dieser Mn. spielt.</p><lb/> <p>Und ferner gibt es dann auch eine Klasse 1, welche diesen Klassen<lb/> gegenüber die Forderung der Def. (2<hi rendition="#sub">+</hi>) erfüllt, dass <hi rendition="#i">a</hi> ⋹ 1 stets ist,<lb/> und dies ist die Mn. selbst als die umfassendste der in ihr enthal-<lb/> tenen Klassen.</p><lb/> <p>Alsdann auch ist es möglich, die Individuen irgend einer ge-<lb/> gebenen Klasse <hi rendition="#i">a</hi> aus der Mn. fortzulassen, und die übrig bleibenden<lb/> Individuen derselben wiederum zu einer Klasse zusammenzufassen<lb/> (für welche O zu nehmen ist, wenn keine übrig bleiben sollten).</p><lb/> <p>Wir haben damit die ausreichenden Grundlagen zur Bildung eines<lb/> Negationsbegriffes: die Negation ā oder <hi rendition="#i">a</hi><hi rendition="#sub">1</hi> von <hi rendition="#i">a</hi> wird die bei dem<lb/> geschilderten Prozess resultirende Klasse sein.</p><lb/> <p>Wir nennen diese Klasse <hi rendition="#i">nicht-a</hi>, <hi rendition="#i">non-a</hi>, die <hi rendition="#i">Negation</hi>, auch das<lb/><hi rendition="#i">kontradiktorische Gegenteil</hi> der Klasse <hi rendition="#i">a in Bezug auf die zugrunde liegend<lb/> gedachte Mannigfaltigkeit</hi>, welche letztere indess in der Regel durch den<lb/> Gegenstand der Untersuchung oder die Natur der anzustellenden Über-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [343/0363]
§ 16. Gewöhnliche Mannigfaltigkeit.
ander ausschliessen in dem Sinne, dass sie beide zusammen zu denken
einen Widerspruch involviren würde. *)
Unter diesen Umständen, wissen wir bereits, ist es zulässig, eine
Klasse O zu fingiren, welche allen aus der Mn. hervorhebbaren Klassen
a gegenüber jene von der Def. (2×) geforderte Eigenschaft besitzt, dass
nämlich O ⋹ a sei, und diese Klasse ist die leere, welche die Rolle
des „Nichts“ für diese, in dieser Mn. spielt.
Und ferner gibt es dann auch eine Klasse 1, welche diesen Klassen
gegenüber die Forderung der Def. (2+) erfüllt, dass a ⋹ 1 stets ist,
und dies ist die Mn. selbst als die umfassendste der in ihr enthal-
tenen Klassen.
Alsdann auch ist es möglich, die Individuen irgend einer ge-
gebenen Klasse a aus der Mn. fortzulassen, und die übrig bleibenden
Individuen derselben wiederum zu einer Klasse zusammenzufassen
(für welche O zu nehmen ist, wenn keine übrig bleiben sollten).
Wir haben damit die ausreichenden Grundlagen zur Bildung eines
Negationsbegriffes: die Negation ā oder a1 von a wird die bei dem
geschilderten Prozess resultirende Klasse sein.
Wir nennen diese Klasse nicht-a, non-a, die Negation, auch das
kontradiktorische Gegenteil der Klasse a in Bezug auf die zugrunde liegend
gedachte Mannigfaltigkeit, welche letztere indess in der Regel durch den
Gegenstand der Untersuchung oder die Natur der anzustellenden Über-
*) Dergleichen wäre wol nur dann zu gewärtigen, wenn als Elemente der
Mn. (auch) in Urteilen niedergelegte Überzeugungen figuriren, wenn als deren In-
dividuen „Glaubenssätze“ (im weiteren Sinne des Wortes) auftreten. Dann Obiges
ausdrücklich zu verlangen, scheint eigentlich überflüssig, weil von Vernünftigen
Unvereinbares ohnehin nicht zusammen gedacht wird, und für Verrückte keine
Logik geschrieben wird. Von Vernünftigen — ja! — sofern sie nicht auf dem
Holzwege sind, nicht irren. Versteckte Widersprüche können aber auch solchen
entgehen.
Ohnehin dürfte auch die Grenze zwischen beiden Kategorieen von Personen
gar nicht so scharf zu ziehen sein; vielmehr hat die Ansicht sehr viel für sich,
dass jeder Mensch an partiellem Wahnsinn leide, dass er seinen „Tollpunkt“ be-
sitzt (eventuell auch deren mehrere, welche, nebenbei gesagt, meist schon daran
erkennbar, dass er „böse“ wird, sobald ein solcher von Andern berührt wird) —
oder, un mit meinem Kollegen Knop einen terminus technicus der Geologie zu
verwerten, mit dem sie das Vorkommniss bezeichnet, wo eine Schicht plötzlich in
ganz anderem Niveau sich fortsetzt, als auf welchem sie aufgehört hat zu strei-
chen: dass es auch in des Menschen Hirne „Verwerfungsspalten“ gibt. —
Endlich war doch in Anhang 4 und 5 zu sehen, dass man auch unvereiu-
bare, inkonsistente Mannigfaltigkeiten sehr wohl zum Gegenstand des Studiums
machen, als Untersuchungsfeld sich erwählen kann. —
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |