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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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§ 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen.
Gewicht beizulegen ist. Ob man sich ihr anschliessen will, bleibt in ge-
wissem Grade Geschmackssache. Man kann auch den Standpunkt ein-
nehmen (wie wir ohnehin, bei unsrer Fassung des Prinzipes II, es thun),
dass man die Gültigkeit des Grundsatzes "quidquid valet etc." einschränkt
auf solche Prädikationen, welche als wirkliche (und demnach selbstverständ-
lich bejahend auftretende) Subsumtion unter eine (wenn auch vielleicht als
Negation einer andern sich darstellende) Prädikatklasse erscheinen.

Ich meine jedoch, dass es nicht angezeigt ist, ganz unnötigerweise
und sozusagen gewaltsam, in Gestalt der (wie mich dünkt absonderlichen)
Satzform: A "ist nicht" B, solche Prädikationen in die Wortsprache ein-
zuführen, welche, indem sie einer Klasse A gültig zugesprochen werden,
gleichwol nicht allem Dem zukommen können, was unter dieser Klasse A
mitenthalten ist.

Unsre Ergebnisse sind also folgende.

Die herrschende Terminologie ist wesentlich im Rechte. Ihre
"verneinenden" Urteile sind negativ prädizirende. Die Verneinungspartikel
im verneinenden Urteil gehört zum Prädikate, und in seiner Polemik
gegen Kant ist Lotze im Unrechte.

Mit Kant aber diese Urteile als "limitative" abweichend zu be-
nennen ist überflüssig. Denn die nach Kant-Lotze-Sigwart's Theorie
als "verneinende" hingestellten Urteile können allgemein als diese
jedenfalls nicht gelten und sie brauchen -- was sich empfiehlt -- als
besondere Urteilsformen der Wortsprache (und in der Logik als pri-
märe Urteile) überhaupt nicht anerkannt zu werden.

Dieselben sind verneinende, d. h. nun also negativ prädizirende
Urteile über ein Urteil, welches ihr Subjekt und zugleich das Objekt
der Verneinung ist. Allgemein ist es nicht möglich, dieselben darzu-
stellen in Gestalt eines Urteils, welches das Subjekt dieses Subjektes
zum Subjekte hätte. Die exakte Logik wird vielmehr diese sekun-
dären Urteile, diese "Urteilsverneinungen" auflösen in eine Alternative
von primären Urteilen.

Noch bleibt der Einwurf Lotze's zu widerlegen, wenn unsrer Prädi-
katklasse B ein Begriff zugeordnet ist, der (als seinen Inhalt) bestimmte
Merkmale in sich zusammenfasst, dass es zumeist nicht möglich sei, mit
der Negation der Klasse, mit (Kant's und) unserm "Nicht-B", dem "wider-
sinnigen Erzeugniss des Schulwitzes" einen Begriff zu verbinden.

Darauf ist zu bemerken, erstens, dass wenn dem so ist oder wäre, es
nichts zu bedeuten hätte. Das thut nichts!

Der Sinn, den wir Aussagen, wie:

Alle A sind nicht B, Einige A sind nicht B, wirklich beizulegen
haben, ist, wie wir gesehen haben, ein solcher, dass die "Prädikation",
nicht-B zu sein, sich ganz in gleicher Weise von den omnes auf die non-
nulli und die singuli (von allen auf einige und die einzelnen, ja sogar auf
das Nichts mit) überträgt, wie eine Prädikation, B zu sein.

§ 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen.
Gewicht beizulegen ist. Ob man sich ihr anschliessen will, bleibt in ge-
wissem Grade Geschmackssache. Man kann auch den Standpunkt ein-
nehmen (wie wir ohnehin, bei unsrer Fassung des Prinzipes II, es thun),
dass man die Gültigkeit des Grundsatzes „quidquid valet etc.“ einschränkt
auf solche Prädikationen, welche als wirkliche (und demnach selbstverständ-
lich bejahend auftretende) Subsumtion unter eine (wenn auch vielleicht als
Negation einer andern sich darstellende) Prädikatklasse erscheinen.

Ich meine jedoch, dass es nicht angezeigt ist, ganz unnötigerweise
und sozusagen gewaltsam, in Gestalt der (wie mich dünkt absonderlichen)
Satzform: A »ist nicht« B, solche Prädikationen in die Wortsprache ein-
zuführen, welche, indem sie einer Klasse A gültig zugesprochen werden,
gleichwol nicht allem Dem zukommen können, was unter dieser Klasse A
mitenthalten ist.

Unsre Ergebnisse sind also folgende.

Die herrschende Terminologie ist wesentlich im Rechte. Ihre
verneinendenUrteile sind negativ prädizirende. Die Verneinungspartikel
im verneinenden Urteil gehört zum Prädikate, und in seiner Polemik
gegen Kant ist Lotze im Unrechte.

Mit Kant aber diese Urteile als „limitative“ abweichend zu be-
nennen ist überflüssig. Denn die nach Kant-Lotze-Sigwart's Theorie
als »verneinende« hingestellten Urteile können allgemein als diese
jedenfalls nicht gelten und sie brauchen — was sich empfiehlt — als
besondere Urteilsformen der Wortsprache (und in der Logik als pri-
märe Urteile) überhaupt nicht anerkannt zu werden.

Dieselben sind verneinende, d. h. nun also negativ prädizirende
Urteile über ein Urteil, welches ihr Subjekt und zugleich das Objekt
der Verneinung ist. Allgemein ist es nicht möglich, dieselben darzu-
stellen in Gestalt eines Urteils, welches das Subjekt dieses Subjektes
zum Subjekte hätte. Die exakte Logik wird vielmehr diese sekun-
dären Urteile, diese „Urteilsverneinungen“ auflösen in eine Alternative
von primären Urteilen.

Noch bleibt der Einwurf Lotze's zu widerlegen, wenn unsrer Prädi-
katklasse B ein Begriff zugeordnet ist, der (als seinen Inhalt) bestimmte
Merkmale in sich zusammenfasst, dass es zumeist nicht möglich sei, mit
der Negation der Klasse, mit (Kant's und) unserm „Nicht-B“, dem „wider-
sinnigen Erzeugniss des Schulwitzes“ einen Begriff zu verbinden.

Darauf ist zu bemerken, erstens, dass wenn dem so ist oder wäre, es
nichts zu bedeuten hätte. Das thut nichts!

Der Sinn, den wir Aussagen, wie:

Alle A sind nicht B, Einige A sind nicht B, wirklich beizulegen
haben, ist, wie wir gesehen haben, ein solcher, dass die „Prädikation“,
nicht-B zu sein, sich ganz in gleicher Weise von den omnes auf die non-
nulli und die singuli (von allen auf einige und die einzelnen, ja sogar auf
das Nichts mit) überträgt, wie eine Prädikation, B zu sein.

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[335/0355] § 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen. Gewicht beizulegen ist. Ob man sich ihr anschliessen will, bleibt in ge- wissem Grade Geschmackssache. Man kann auch den Standpunkt ein- nehmen (wie wir ohnehin, bei unsrer Fassung des Prinzipes II, es thun), dass man die Gültigkeit des Grundsatzes „quidquid valet etc.“ einschränkt auf solche Prädikationen, welche als wirkliche (und demnach selbstverständ- lich bejahend auftretende) Subsumtion unter eine (wenn auch vielleicht als Negation einer andern sich darstellende) Prädikatklasse erscheinen. Ich meine jedoch, dass es nicht angezeigt ist, ganz unnötigerweise und sozusagen gewaltsam, in Gestalt der (wie mich dünkt absonderlichen) Satzform: A »ist nicht« B, solche Prädikationen in die Wortsprache ein- zuführen, welche, indem sie einer Klasse A gültig zugesprochen werden, gleichwol nicht allem Dem zukommen können, was unter dieser Klasse A mitenthalten ist. Unsre Ergebnisse sind also folgende. Die herrschende Terminologie ist wesentlich im Rechte. Ihre „verneinenden“ Urteile sind negativ prädizirende. Die Verneinungspartikel im verneinenden Urteil gehört zum Prädikate, und in seiner Polemik gegen Kant ist Lotze im Unrechte. Mit Kant aber diese Urteile als „limitative“ abweichend zu be- nennen ist überflüssig. Denn die nach Kant-Lotze-Sigwart's Theorie als »verneinende« hingestellten Urteile können allgemein als diese jedenfalls nicht gelten und sie brauchen — was sich empfiehlt — als besondere Urteilsformen der Wortsprache (und in der Logik als pri- märe Urteile) überhaupt nicht anerkannt zu werden. Dieselben sind verneinende, d. h. nun also negativ prädizirende Urteile über ein Urteil, welches ihr Subjekt und zugleich das Objekt der Verneinung ist. Allgemein ist es nicht möglich, dieselben darzu- stellen in Gestalt eines Urteils, welches das Subjekt dieses Subjektes zum Subjekte hätte. Die exakte Logik wird vielmehr diese sekun- dären Urteile, diese „Urteilsverneinungen“ auflösen in eine Alternative von primären Urteilen. Noch bleibt der Einwurf Lotze's zu widerlegen, wenn unsrer Prädi- katklasse B ein Begriff zugeordnet ist, der (als seinen Inhalt) bestimmte Merkmale in sich zusammenfasst, dass es zumeist nicht möglich sei, mit der Negation der Klasse, mit (Kant's und) unserm „Nicht-B“, dem „wider- sinnigen Erzeugniss des Schulwitzes“ einen Begriff zu verbinden. Darauf ist zu bemerken, erstens, dass wenn dem so ist oder wäre, es nichts zu bedeuten hätte. Das thut nichts! Der Sinn, den wir Aussagen, wie: Alle A sind nicht B, Einige A sind nicht B, wirklich beizulegen haben, ist, wie wir gesehen haben, ein solcher, dass die „Prädikation“, nicht-B zu sein, sich ganz in gleicher Weise von den omnes auf die non- nulli und die singuli (von allen auf einige und die einzelnen, ja sogar auf das Nichts mit) überträgt, wie eine Prädikation, B zu sein.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/355>, abgerufen am 22.11.2024.