g) Das Gebiet A ist enthalten in dem Gebiet Nicht-B, d. i. in demjenigen Gebiete, welches übrig bleibt, wenn man die sämtlichen Elemente von B, und nur diese, aus unsrer Mannigfaltigkeit fortlässt, dem Gebiete, welches ohne ein Element mit B gemein zu haben, das B zur ganzen Mannigfaltigkeit ergänzt.
Wie ein Punktgebiet aus der Ebene der Schultafel, so vermögen wir aber auch irgend ein gewünschtes System von Individuen aus einer Klasse, der sie angehören, im Geiste fortzulassen oder auszu- streichen und die alsdann übrig bleibenden Individuen festzuhalten; diese vermögen wir so zusammenzufassen zu einer neuen Klasse.
Sofern dabei nur Bezug genommen wird auf eine bestimmte Mannig- faltigkeit der "gewöhnlichen" Art, deren Individuen etwa den Punkten einer Ebene eindeutig zugeordnet werden könnten und welche die bei einer Untersuchung in Betracht gezogenen Begriffsumfänge oder Klassen mit ihren Individuen sämtlich enthält, wird demnach auch die Bedeu- tung der "Negation einer Klasse" (und damit, nach dem Umfange be- trachtet, auch des zugehörigen "Begriffes") einsinnig feststehn -- und zwar für alle Klassen des erwähnten Untersuchungsfeldes, überhaupt für alle diejenigen, welche etwa aus Individuen jener Mannigfaltigkeit gebildet werden könnten.
Haben wir z. B. die Mannigfaltigkeit der farbigen Dinge im Auge, so ist klar, was wir meinen, wenn wir reden von "nicht weissen", oder auch von "nicht-schwarzen" Dingen, und dieselben Ausdrücke erhalten abermals eine bestimmt feststehende, obzwar beträchtlich weitere, um- fassendere Bedeutung, sobald wir sie etwa auf die Mannigfaltigkeit der sinnlich wahrnehmbaren Dinge beziehen; im letzteren Falle ge- hört ein Schall, Geruch, ein Druck oder Schlag etc. dazu, im er- steren nicht.
Einerlei, ob das erstere geschieht, oder das letztere, so werden beispielsweise die Aussagen gültig sein: "Einige Schafe sind nicht- weiss", und "Alle Schafe sind nicht-grün", oder, was dasselbe sagt: "Kein Schaf ist grün".
Diese Aussagen, welche nach der landläufigen Terminologie das "partikular verneinende" und das "universell verneinende" Urteil exempli- fiziren, werden sogar noch richtig bleiben, wenn man auch die in Ge- danken zugrunde gelegte Mannigfaltigkeit noch beliebig weiter aus- dehnt; denn ebendadurch könnte auch nur eine Erweiterung der Prädikatklasse "nicht weiss" resp. "nicht-grün" (oder des auf die Man- nigfaltigkeit beschränkten Umfangs des Prädikat"begriffes", sofern von einem solchen noch zu sprechen ist) bewirkt werden, und gehörte das
Siebente Vorlesung.
γ) Das Gebiet A ist enthalten in dem Gebiet Nicht-B, d. i. in demjenigen Gebiete, welches übrig bleibt, wenn man die sämtlichen Elemente von B, und nur diese, aus unsrer Mannigfaltigkeit fortlässt, dem Gebiete, welches ohne ein Element mit B gemein zu haben, das B zur ganzen Mannigfaltigkeit ergänzt.
Wie ein Punktgebiet aus der Ebene der Schultafel, so vermögen wir aber auch irgend ein gewünschtes System von Individuen aus einer Klasse, der sie angehören, im Geiste fortzulassen oder auszu- streichen und die alsdann übrig bleibenden Individuen festzuhalten; diese vermögen wir so zusammenzufassen zu einer neuen Klasse.
Sofern dabei nur Bezug genommen wird auf eine bestimmte Mannig- faltigkeit der „gewöhnlichen“ Art, deren Individuen etwa den Punkten einer Ebene eindeutig zugeordnet werden könnten und welche die bei einer Untersuchung in Betracht gezogenen Begriffsumfänge oder Klassen mit ihren Individuen sämtlich enthält, wird demnach auch die Bedeu- tung der „Negation einer Klasse“ (und damit, nach dem Umfange be- trachtet, auch des zugehörigen „Begriffes“) einsinnig feststehn — und zwar für alle Klassen des erwähnten Untersuchungsfeldes, überhaupt für alle diejenigen, welche etwa aus Individuen jener Mannigfaltigkeit gebildet werden könnten.
Haben wir z. B. die Mannigfaltigkeit der farbigen Dinge im Auge, so ist klar, was wir meinen, wenn wir reden von »nicht weissen«, oder auch von »nicht-schwarzen« Dingen, und dieselben Ausdrücke erhalten abermals eine bestimmt feststehende, obzwar beträchtlich weitere, um- fassendere Bedeutung, sobald wir sie etwa auf die Mannigfaltigkeit der sinnlich wahrnehmbaren Dinge beziehen; im letzteren Falle ge- hört ein Schall, Geruch, ein Druck oder Schlag etc. dazu, im er- steren nicht.
Einerlei, ob das erstere geschieht, oder das letztere, so werden beispielsweise die Aussagen gültig sein: „Einige Schafe sind nicht- weiss“, und „Alle Schafe sind nicht-grün“, oder, was dasselbe sagt: „Kein Schaf ist grün“.
Diese Aussagen, welche nach der landläufigen Terminologie das „partikular verneinende“ und das „universell verneinende“ Urteil exempli- fiziren, werden sogar noch richtig bleiben, wenn man auch die in Ge- danken zugrunde gelegte Mannigfaltigkeit noch beliebig weiter aus- dehnt; denn ebendadurch könnte auch nur eine Erweiterung der Prädikatklasse »nicht weiss« resp. »nicht-grün« (oder des auf die Man- nigfaltigkeit beschränkten Umfangs des Prädikat„begriffes“, sofern von einem solchen noch zu sprechen ist) bewirkt werden, und gehörte das
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Siebente Vorlesung.
γ) Das Gebiet A ist enthalten in dem Gebiet Nicht-B, d. i. in
demjenigen Gebiete, welches übrig bleibt, wenn man die sämtlichen
Elemente von B, und nur diese, aus unsrer Mannigfaltigkeit fortlässt,
dem Gebiete, welches ohne ein Element mit B gemein zu haben, das
B zur ganzen Mannigfaltigkeit ergänzt.
Wie ein Punktgebiet aus der Ebene der Schultafel, so vermögen
wir aber auch irgend ein gewünschtes System von Individuen aus
einer Klasse, der sie angehören, im Geiste fortzulassen oder auszu-
streichen und die alsdann übrig bleibenden Individuen festzuhalten;
diese vermögen wir so zusammenzufassen zu einer neuen Klasse.
Sofern dabei nur Bezug genommen wird auf eine bestimmte Mannig-
faltigkeit der „gewöhnlichen“ Art, deren Individuen etwa den Punkten
einer Ebene eindeutig zugeordnet werden könnten und welche die bei
einer Untersuchung in Betracht gezogenen Begriffsumfänge oder Klassen
mit ihren Individuen sämtlich enthält, wird demnach auch die Bedeu-
tung der „Negation einer Klasse“ (und damit, nach dem Umfange be-
trachtet, auch des zugehörigen „Begriffes“) einsinnig feststehn — und
zwar für alle Klassen des erwähnten Untersuchungsfeldes, überhaupt
für alle diejenigen, welche etwa aus Individuen jener Mannigfaltigkeit
gebildet werden könnten.
Haben wir z. B. die Mannigfaltigkeit der farbigen Dinge im Auge,
so ist klar, was wir meinen, wenn wir reden von »nicht weissen«, oder
auch von »nicht-schwarzen« Dingen, und dieselben Ausdrücke erhalten
abermals eine bestimmt feststehende, obzwar beträchtlich weitere, um-
fassendere Bedeutung, sobald wir sie etwa auf die Mannigfaltigkeit
der sinnlich wahrnehmbaren Dinge beziehen; im letzteren Falle ge-
hört ein Schall, Geruch, ein Druck oder Schlag etc. dazu, im er-
steren nicht.
Einerlei, ob das erstere geschieht, oder das letztere, so werden
beispielsweise die Aussagen gültig sein: „Einige Schafe sind nicht-
weiss“, und „Alle Schafe sind nicht-grün“, oder, was dasselbe sagt:
„Kein Schaf ist grün“.
Diese Aussagen, welche nach der landläufigen Terminologie das
„partikular verneinende“ und das „universell verneinende“ Urteil exempli-
fiziren, werden sogar noch richtig bleiben, wenn man auch die in Ge-
danken zugrunde gelegte Mannigfaltigkeit noch beliebig weiter aus-
dehnt; denn ebendadurch könnte auch nur eine Erweiterung der
Prädikatklasse »nicht weiss« resp. »nicht-grün« (oder des auf die Man-
nigfaltigkeit beschränkten Umfangs des Prädikat„begriffes“, sofern von
einem solchen noch zu sprechen ist) bewirkt werden, und gehörte das
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/342>, abgerufen am 27.11.2024.
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