§ 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen.
Aussagen d) der sprachliche Ausdruck b) zu, beziehungsweise die Aus- drucksform:
b') Das Gebiet A ist nicht in dem Gebiete B enthalten,
b'') Die Klasse A ist nicht enthalten in der Klasse B,
b''') Alle A. "sind nicht" B.
Die Frage, ob es wirklich angängig ist, die Verneinung der Aussagen d) sprachlich in die Ausdrucksformen b) einzukleiden, werden wir nachher zum Austrag zu bringen haben. Um Einwänden zuvorzukommen will ich voraus bemerken, dass dies nicht allgemein, und strenge genommen wol überhaupt nicht, angängig ist und dass ich mich blos provisorisch zu dieser Ausdrucksweise bequeme um auf den Gedankengang derjenigen Philosophen eingehen zu können, welche darin den Typus der "verneinenden" Urteile zu erblicken wähnen.
Das Missliche solcher Darstellung wird der Leser sicherlich bei b''') bereits herausgefühlt haben.
Bei genauerem Zusehen wird es sich uns als inkorrekt erweisen, nämlich mit dem anerkanntesten Prinzip der Logik ersichtlich in Widerspruch bringen, bestünde man darauf, die Verneinung der Aus- sagen d), d''') in die Form der Sätze b), b''') zu kleiden, die Verneinungs- partikel sonach auf die Kopula zu beziehen.
Als den korrekten Ausdruck solcher Verneinung werden wir schliess- lich allgemein nur gelten lassen können:
e) "Es ist unrichtig zu behaupten, A sei B"
e''') Es ist nicht wahr, dass alle A B sind.
Im hinblick darauf werde ich mich auch enthalten, das im Sinne von b) verstandene Urteil a) hier ein "verneinendes" Urteil zu nennen; ich werde vielmehr diese korrekt durch e) darzustellende Aussage hier nur als eine "Urteilsverneinung" gelten lassen.
Gebrauchen wir demungeachtet vorderhand dafür die Ausdrucks- weise b), so ist der bei den Chiffren d) erklärte Sinn derselben nie ausser Augen zu lassen: es ist demgemäss unter allen Umständen fest- zuhalten, dass sie die Geltung der Aussagen d) in Abrede zu stellen haben und weiter nichts. --
Was ferner den Sinn der Aussage g) betrifft, welche als die andre Deutungsmöglichkeit von a) sich darbot, so hat, wenn A und B Ge- biete unsrer Mannigfaltigkeit bedeuten, das "nicht B", non-B oder B1 im vorvorigen Paragraphen bereits seine Erklärung wiederum als ein Gebiet ebendieser Mannigfaltigkeit gefunden, und können wir in diesem Falle nicht im Zweifel darüber sein, was die Aussage oder Subsumtion g) bedeutet, Sie wird dann, etwas ausführlicher formulirt, behaupten:
Schröder, Algebra der Logik. 21
§ 15. Negative Urteile als negativ prädizirende anzusehen.
Aussagen δ) der sprachliche Ausdruck β) zu, beziehungsweise die Aus- drucksform:
β') Das Gebiet A ist nicht in dem Gebiete B enthalten,
β'') Die Klasse A ist nicht enthalten in der Klasse B,
β''') Alle A. »sind nicht« B.
Die Frage, ob es wirklich angängig ist, die Verneinung der Aussagen δ) sprachlich in die Ausdrucksformen β) einzukleiden, werden wir nachher zum Austrag zu bringen haben. Um Einwänden zuvorzukommen will ich voraus bemerken, dass dies nicht allgemein, und strenge genommen wol überhaupt nicht, angängig ist und dass ich mich blos provisorisch zu dieser Ausdrucksweise bequeme um auf den Gedankengang derjenigen Philosophen eingehen zu können, welche darin den Typus der „verneinenden“ Urteile zu erblicken wähnen.
Das Missliche solcher Darstellung wird der Leser sicherlich bei β''') bereits herausgefühlt haben.
Bei genauerem Zusehen wird es sich uns als inkorrekt erweisen, nämlich mit dem anerkanntesten Prinzip der Logik ersichtlich in Widerspruch bringen, bestünde man darauf, die Verneinung der Aus- sagen δ), δ''') in die Form der Sätze β), β''') zu kleiden, die Verneinungs- partikel sonach auf die Kopula zu beziehen.
Als den korrekten Ausdruck solcher Verneinung werden wir schliess- lich allgemein nur gelten lassen können:
ε) „Es ist unrichtig zu behaupten, A sei B“
ε''') Es ist nicht wahr, dass alle A B sind.
Im hinblick darauf werde ich mich auch enthalten, das im Sinne von β) verstandene Urteil α) hier ein „verneinendes“ Urteil zu nennen; ich werde vielmehr diese korrekt durch ε) darzustellende Aussage hier nur als eine „Urteilsverneinung“ gelten lassen.
Gebrauchen wir demungeachtet vorderhand dafür die Ausdrucks- weise β), so ist der bei den Chiffren δ) erklärte Sinn derselben nie ausser Augen zu lassen: es ist demgemäss unter allen Umständen fest- zuhalten, dass sie die Geltung der Aussagen δ) in Abrede zu stellen haben und weiter nichts. —
Was ferner den Sinn der Aussage γ) betrifft, welche als die andre Deutungsmöglichkeit von α) sich darbot, so hat, wenn A und B Ge- biete unsrer Mannigfaltigkeit bedeuten, das »nicht B«, non-B oder B1 im vorvorigen Paragraphen bereits seine Erklärung wiederum als ein Gebiet ebendieser Mannigfaltigkeit gefunden, und können wir in diesem Falle nicht im Zweifel darüber sein, was die Aussage oder Subsumtion γ) bedeutet, Sie wird dann, etwas ausführlicher formulirt, behaupten:
Schröder, Algebra der Logik. 21
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drucksform:
β') Das Gebiet A ist nicht in dem Gebiete B enthalten,
β'') Die Klasse A ist nicht enthalten in der Klasse B,
β''') Alle A. »sind nicht« B.
Die Frage, ob es wirklich angängig ist, die Verneinung der Aussagen
δ) sprachlich in die Ausdrucksformen β) einzukleiden, werden wir nachher
zum Austrag zu bringen haben. Um Einwänden zuvorzukommen will ich
voraus bemerken, dass dies nicht allgemein, und strenge genommen wol
überhaupt nicht, angängig ist und dass ich mich blos provisorisch zu dieser
Ausdrucksweise bequeme um auf den Gedankengang derjenigen Philosophen
eingehen zu können, welche darin den Typus der „verneinenden“ Urteile
zu erblicken wähnen.
Das Missliche solcher Darstellung wird der Leser sicherlich bei β''')
bereits herausgefühlt haben.
Bei genauerem Zusehen wird es sich uns als inkorrekt erweisen,
nämlich mit dem anerkanntesten Prinzip der Logik ersichtlich in
Widerspruch bringen, bestünde man darauf, die Verneinung der Aus-
sagen δ), δ''') in die Form der Sätze β), β''') zu kleiden, die Verneinungs-
partikel sonach auf die Kopula zu beziehen.
Als den korrekten Ausdruck solcher Verneinung werden wir schliess-
lich allgemein nur gelten lassen können:
ε) „Es ist unrichtig zu behaupten, A sei B“
ε''') Es ist nicht wahr, dass alle A B sind.
Im hinblick darauf werde ich mich auch enthalten, das im Sinne
von β) verstandene Urteil α) hier ein „verneinendes“ Urteil zu nennen;
ich werde vielmehr diese korrekt durch ε) darzustellende Aussage hier
nur als eine „Urteilsverneinung“ gelten lassen.
Gebrauchen wir demungeachtet vorderhand dafür die Ausdrucks-
weise β), so ist der bei den Chiffren δ) erklärte Sinn derselben nie
ausser Augen zu lassen: es ist demgemäss unter allen Umständen fest-
zuhalten, dass sie die Geltung der Aussagen δ) in Abrede zu stellen
haben und weiter nichts. —
Was ferner den Sinn der Aussage γ) betrifft, welche als die andre
Deutungsmöglichkeit von α) sich darbot, so hat, wenn A und B Ge-
biete unsrer Mannigfaltigkeit bedeuten, das »nicht B«, non-B oder
B1 im vorvorigen Paragraphen bereits seine Erklärung wiederum als
ein Gebiet ebendieser Mannigfaltigkeit gefunden, und können wir in
diesem Falle nicht im Zweifel darüber sein, was die Aussage oder
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/341>, abgerufen am 23.11.2024.
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