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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Sechste Vorlesung.
folgerung auftretendes nomen ersetzte. Die Folgerung müsste nach einem
allgemeingültigen Schema vor sich gehen.

Dieses ist hier, wie gezeigt, nicht der Fall, und der Schluss demnach ein
"Fehlschluss" resp. "Trugschluss", d. i. eben gar kein wirklicher "Schluss".
(Der vorgeschrittenere Leser wird später leicht diesen speziellen Trugschluss
auch nach den Regeln der Logik zu analysiren vermögen; derselbe läuft
hinaus auf eine Verwechselung von Gleichheits- und Subsumtionszeichen.) --

Dergleichen "negative" Beweise, Beweise für die Unzulässigkeit einer
gewissen Folgerung oder die Unmöglichkeit eines gewissen Beweises, sind
gewöhnlich nicht ganz leicht zu geben. Dies wird auch in unserm Falle
zu sehen sein.

Als an ein berühmtes Vorbild sei hier noch daran erinnert, wie durch
die Arbeiten von Beltrami, Cayley und Felix Klein die Nichtbeweis-
barkeit des 11ten (in englischen Ausgaben 12ten) Axioms des Euklides
aus den übrigen Axiomen der Euklidischen Geometrie dargethan worden
ist. Nennen wir jenes Parallelenaxiom kurz A, die Gruppe der übrigen
Axiome B, so gelang es zu beweisen, dass A nicht aus B folgen kann,
wesentlich dadurch, dass für die Worte: "Raum", "Abstand" und "kongruent"
durchweg substituirt wurden die Worte: "Quasi-Raum", "Quasi-Abstand"
und "quasi-kongruent", den letzteren aber eine solche (anschauliche) Bedeutung
untergelegt wurde, dass die Axiomgruppe B sich als durchaus erfüllt, der
Satz A dagegen sich als nicht erfüllt nachweisen liess.

Es haben selbst Lehrer der Mathematik in ihren gegen diese Arbeiten
oder wenigstens deren Ergebniss polemisirenden Schriften (zahlreiche an-
dere aber durch thatsächliche Nichtanerkennung dieses Ergebnisses) so
wenig Verständniss für den logischen Charakter der Frage an den Tag
gelegt, dass Denjenigen, die den Wert der Logik überhaupt bemängeln,
hier greifbar gezeigt werden könnte, wie viel Streit, beharrlicher Irrtum,
Papier- und Zeitverschwendung durch eine bessere logische Schulung des
Geistes sich vermeiden liesse!

Da nun im identischen Kalkul -- für unsre "Gebiete" -- der
Satz A, wie wir durch Anschauung erkannten, doch materiell richtig
ist, so wird sich die Unabhängigkeit des Satzes A von der Satzgruppe
B nur darthun lassen, indem wir für gewisse Objekte, von denen hierin
die Rede war, durchweg andere Objekte substituiren, m. a. W. den
Symbolen, welche uns diese Objekte darstellten, eine neue Bedeutung
unterlegen, die beiden Partieen von Sätzen in ihrer Anwendung auf
ein weiteres Untersuchungsfeld studiren.

Ein solches Anwendungsfeld, in welchem die Gruppe B ohne den
Satz A gilt, ist nun in der That der "logische Kalkul mit Gruppen,
z. B. von Funktionalgleichungen, Algorithmen oder Kalkuln", den ich
in Anhang 4 und 5 (resp. in 6) mit allem Detail begründe. Ich
weise -- um bei dem Aufbau der gegenwärtigen Theorie nicht zu
einer übergrossen Abschweifung genötigt zu sein, unter diesen beson-
dern Überschriften -- eingehend nach, dass hier wirklich B durchaus

Sechste Vorlesung.
folgerung auftretendes nomen ersetzte. Die Folgerung müsste nach einem
allgemeingültigen Schema vor sich gehen.

Dieses ist hier, wie gezeigt, nicht der Fall, und der Schluss demnach ein
„Fehlschluss“ resp. „Trugschluss“, d. i. eben gar kein wirklicher „Schluss“.
(Der vorgeschrittenere Leser wird später leicht diesen speziellen Trugschluss
auch nach den Regeln der Logik zu analysiren vermögen; derselbe läuft
hinaus auf eine Verwechselung von Gleichheits- und Subsumtionszeichen.) —

Dergleichen „negative“ Beweise, Beweise für die Unzulässigkeit einer
gewissen Folgerung oder die Unmöglichkeit eines gewissen Beweises, sind
gewöhnlich nicht ganz leicht zu geben. Dies wird auch in unserm Falle
zu sehen sein.

Als an ein berühmtes Vorbild sei hier noch daran erinnert, wie durch
die Arbeiten von Beltrami, Cayley und Felix Klein die Nichtbeweis-
barkeit des 11ten (in englischen Ausgaben 12ten) Axioms des Euklides
aus den übrigen Axiomen der Euklidischen Geometrie dargethan worden
ist. Nennen wir jenes Parallelenaxiom kurz A, die Gruppe der übrigen
Axiome B, so gelang es zu beweisen, dass A nicht aus B folgen kann,
wesentlich dadurch, dass für die Worte: „Raum“, „Abstand“ und „kongruent“
durchweg substituirt wurden die Worte: „Quasi-Raum“, „Quasi-Abstand“
und „quasi-kongruent“, den letzteren aber eine solche (anschauliche) Bedeutung
untergelegt wurde, dass die Axiomgruppe B sich als durchaus erfüllt, der
Satz A dagegen sich als nicht erfüllt nachweisen liess.

Es haben selbst Lehrer der Mathematik in ihren gegen diese Arbeiten
oder wenigstens deren Ergebniss polemisirenden Schriften (zahlreiche an-
dere aber durch thatsächliche Nichtanerkennung dieses Ergebnisses) so
wenig Verständniss für den logischen Charakter der Frage an den Tag
gelegt, dass Denjenigen, die den Wert der Logik überhaupt bemängeln,
hier greifbar gezeigt werden könnte, wie viel Streit, beharrlicher Irrtum,
Papier- und Zeitverschwendung durch eine bessere logische Schulung des
Geistes sich vermeiden liesse!

Da nun im identischen Kalkul — für unsre „Gebiete“ — der
Satz A, wie wir durch Anschauung erkannten, doch materiell richtig
ist, so wird sich die Unabhängigkeit des Satzes A von der Satzgruppe
B nur darthun lassen, indem wir für gewisse Objekte, von denen hierin
die Rede war, durchweg andere Objekte substituiren, m. a. W. den
Symbolen, welche uns diese Objekte darstellten, eine neue Bedeutung
unterlegen, die beiden Partieen von Sätzen in ihrer Anwendung auf
ein weiteres Untersuchungsfeld studiren.

Ein solches Anwendungsfeld, in welchem die Gruppe B ohne den
Satz A gilt, ist nun in der That der „logische Kalkul mit Gruppen,
z. B. von Funktionalgleichungen, Algorithmen oder Kalkuln“, den ich
in Anhang 4 und 5 (resp. in 6) mit allem Detail begründe. Ich
weise — um bei dem Aufbau der gegenwärtigen Theorie nicht zu
einer übergrossen Abschweifung genötigt zu sein, unter diesen beson-
dern Überschriften — eingehend nach, dass hier wirklich B durchaus

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[288/0308] Sechste Vorlesung. folgerung auftretendes nomen ersetzte. Die Folgerung müsste nach einem allgemeingültigen Schema vor sich gehen. Dieses ist hier, wie gezeigt, nicht der Fall, und der Schluss demnach ein „Fehlschluss“ resp. „Trugschluss“, d. i. eben gar kein wirklicher „Schluss“. (Der vorgeschrittenere Leser wird später leicht diesen speziellen Trugschluss auch nach den Regeln der Logik zu analysiren vermögen; derselbe läuft hinaus auf eine Verwechselung von Gleichheits- und Subsumtionszeichen.) — Dergleichen „negative“ Beweise, Beweise für die Unzulässigkeit einer gewissen Folgerung oder die Unmöglichkeit eines gewissen Beweises, sind gewöhnlich nicht ganz leicht zu geben. Dies wird auch in unserm Falle zu sehen sein. Als an ein berühmtes Vorbild sei hier noch daran erinnert, wie durch die Arbeiten von Beltrami, Cayley und Felix Klein die Nichtbeweis- barkeit des 11ten (in englischen Ausgaben 12ten) Axioms des Euklides aus den übrigen Axiomen der Euklidischen Geometrie dargethan worden ist. Nennen wir jenes Parallelenaxiom kurz A, die Gruppe der übrigen Axiome B, so gelang es zu beweisen, dass A nicht aus B folgen kann, wesentlich dadurch, dass für die Worte: „Raum“, „Abstand“ und „kongruent“ durchweg substituirt wurden die Worte: „Quasi-Raum“, „Quasi-Abstand“ und „quasi-kongruent“, den letzteren aber eine solche (anschauliche) Bedeutung untergelegt wurde, dass die Axiomgruppe B sich als durchaus erfüllt, der Satz A dagegen sich als nicht erfüllt nachweisen liess. Es haben selbst Lehrer der Mathematik in ihren gegen diese Arbeiten oder wenigstens deren Ergebniss polemisirenden Schriften (zahlreiche an- dere aber durch thatsächliche Nichtanerkennung dieses Ergebnisses) so wenig Verständniss für den logischen Charakter der Frage an den Tag gelegt, dass Denjenigen, die den Wert der Logik überhaupt bemängeln, hier greifbar gezeigt werden könnte, wie viel Streit, beharrlicher Irrtum, Papier- und Zeitverschwendung durch eine bessere logische Schulung des Geistes sich vermeiden liesse! Da nun im identischen Kalkul — für unsre „Gebiete“ — der Satz A, wie wir durch Anschauung erkannten, doch materiell richtig ist, so wird sich die Unabhängigkeit des Satzes A von der Satzgruppe B nur darthun lassen, indem wir für gewisse Objekte, von denen hierin die Rede war, durchweg andere Objekte substituiren, m. a. W. den Symbolen, welche uns diese Objekte darstellten, eine neue Bedeutung unterlegen, die beiden Partieen von Sätzen in ihrer Anwendung auf ein weiteres Untersuchungsfeld studiren. Ein solches Anwendungsfeld, in welchem die Gruppe B ohne den Satz A gilt, ist nun in der That der „logische Kalkul mit Gruppen, z. B. von Funktionalgleichungen, Algorithmen oder Kalkuln“, den ich in Anhang 4 und 5 (resp. in 6) mit allem Detail begründe. Ich weise — um bei dem Aufbau der gegenwärtigen Theorie nicht zu einer übergrossen Abschweifung genötigt zu sein, unter diesen beson- dern Überschriften — eingehend nach, dass hier wirklich B durchaus

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/308>, abgerufen am 23.11.2024.