noch über die oben stipulirte hinauszugehen, nämlich oft auch für "oder aber, wenn man will" herhalten zu müssen.
Der Ausdruck "a oder auch b" wird gleichbedeutend mit dem "a oder aber b", das inklusive "oder" deckt sich mit dem exklusiven, und begreift auch dieses mit, in dem Falle wo die dritte Alternative "a und b zugleich" ohnehin undenkbar ist, oder aus sachlichen Gründen fortfallen muss. So ist "Silber oder auch Gold" = "Silber oder aber Gold" und wird besser dargestellt durch das kürzere "Silber oder Gold", weil es nichts gibt, was Silber und Gold zugleich sein könnte, weil die Begriffe "Silber" und "Gold" ohnehin "konträre" Gegensätze vorstellen, einander von selbst ausschliessen, disjunkt sind.
i) Nach diesen Vorbemerkungen wird es verständlich sein, wenn wir nunmehr konstatiren, dass die identische Summe a + b sich in der Wortsprache stets durch "was a oder auch b ist" ausdrücken lässt. Durch "a oder auch b" selber kann die Summe auch in jedem Zusammen- hange übersetzt werden mit Ausnahme des Falles, wo sie als Subjekt steht; in diesem wäre solches nicht unbedenklich, weil dadurch (vergl. § 15, Schlussanmerkung) eine Verwechselung des Urteils mit einem "disjunktiven" nahe gelegt würde; ganz unbedingt wird dann auch die Partikel "oder" viel besser durch die Partikel "und" ersetzt. Also: Steht a + b als Subjekt, so lese man das Pluszeichen als "und"; andern- falles als "oder", genauer: "oder auch".
Wo a + b als Prädikat steht indessen -- und dies bildet eine bemerkenswerte Eigentümlichkeit der Wortsprache -- ist die Ersetzung des Bindewörtchens "oder" durch "und" nicht zulässig, wie sich dem- nächst und unter k) unzweifelhaft herausstellen wird.
Die Proposition ca + b lässt sich übersetzen mit "c ist a oder auch b", resp. mit "alle c sind a oder (auch) b".
Und ferner ist a + bc in Worten darzustellen mit "a und b ist c", "alle a und b sind c".
[Nicht angängig wäre, dafür zu sagen: "(entweder) a oder b ist c" und mindestens gewagt: "alle a oder b sind c", "jedes a oder auch b ist c".]
Beispiele zu a + bc: "Canadier und Indianer sind Ameri- kaner", auch: "Canadier sowie Indianer etc." Die Klassen a und b in dem gewählten Beispiel sind nicht disjunkt, schliessen einander nicht aus, es ist a b hier nicht gleich Null, weil es auch canadische Indianer gibt. Ähnlich noch in diesem Beispiel: "Adelige und Besitzende werden zur Aristokratie gerechnet".
15*
§ 8. Interpretation für Klassen.
noch über die oben stipulirte hinauszugehen, nämlich oft auch für „oder aber, wenn man will“ herhalten zu müssen.
Der Ausdruck „a oder auch b“ wird gleichbedeutend mit dem „a oder aber b“, das inklusive „oder“ deckt sich mit dem exklusiven, und begreift auch dieses mit, in dem Falle wo die dritte Alternative „a und b zugleich“ ohnehin undenkbar ist, oder aus sachlichen Gründen fortfallen muss. So ist „Silber oder auch Gold“ = „Silber oder aber Gold“ und wird besser dargestellt durch das kürzere „Silber oder Gold“, weil es nichts gibt, was Silber und Gold zugleich sein könnte, weil die Begriffe „Silber“ und „Gold“ ohnehin „konträre“ Gegensätze vorstellen, einander von selbst ausschliessen, disjunkt sind.
ι) Nach diesen Vorbemerkungen wird es verständlich sein, wenn wir nunmehr konstatiren, dass die identische Summe a + b sich in der Wortsprache stets durch „was a oder auch b ist“ ausdrücken lässt. Durch „a oder auch b“ selber kann die Summe auch in jedem Zusammen- hange übersetzt werden mit Ausnahme des Falles, wo sie als Subjekt steht; in diesem wäre solches nicht unbedenklich, weil dadurch (vergl. § 15, Schlussanmerkung) eine Verwechselung des Urteils mit einem „disjunktiven“ nahe gelegt würde; ganz unbedingt wird dann auch die Partikel „oder“ viel besser durch die Partikel „und“ ersetzt. Also: Steht a + b als Subjekt, so lese man das Pluszeichen als „und“; andern- falles als „oder“, genauer: „oder auch“.
Wo a + b als Prädikat steht indessen — und dies bildet eine bemerkenswerte Eigentümlichkeit der Wortsprache — ist die Ersetzung des Bindewörtchens „oder“ durch „und“ nicht zulässig, wie sich dem- nächst und unter ϰ) unzweifelhaft herausstellen wird.
Die Proposition c ⋹ a + b lässt sich übersetzen mit „c ist a oder auch b“, resp. mit „alle c sind a oder (auch) b“.
Und ferner ist a + b ⋹ c in Worten darzustellen mit „a und b ist c“, „alle a und b sind c“.
[Nicht angängig wäre, dafür zu sagen: „(entweder) a oder b ist c“ und mindestens gewagt: „alle a oder b sind c“, „jedes a oder auch b ist c“.]
Beispiele zu a + b ⋹ c: „Canadier und Indianer sind Ameri- kaner“, auch: „Canadier sowie Indianer etc.“ Die Klassen a und b in dem gewählten Beispiel sind nicht disjunkt, schliessen einander nicht aus, es ist a b hier nicht gleich Null, weil es auch canadische Indianer gibt. Ähnlich noch in diesem Beispiel: „Adelige und Besitzende werden zur Aristokratie gerechnet“.
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§ 8. Interpretation für Klassen.
noch über die oben stipulirte hinauszugehen, nämlich oft auch für „oder
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Der Ausdruck „a oder auch b“ wird gleichbedeutend mit dem „a
oder aber b“, das inklusive „oder“ deckt sich mit dem exklusiven, und
begreift auch dieses mit, in dem Falle wo die dritte Alternative „a
und b zugleich“ ohnehin undenkbar ist, oder aus sachlichen Gründen
fortfallen muss. So ist
„Silber oder auch Gold“ = „Silber oder aber Gold“
und wird besser dargestellt durch das kürzere „Silber oder Gold“, weil
es nichts gibt, was Silber und Gold zugleich sein könnte, weil die
Begriffe „Silber“ und „Gold“ ohnehin „konträre“ Gegensätze vorstellen,
einander von selbst ausschliessen, disjunkt sind.
ι) Nach diesen Vorbemerkungen wird es verständlich sein, wenn
wir nunmehr konstatiren, dass die identische Summe a + b sich in der
Wortsprache stets durch „was a oder auch b ist“ ausdrücken lässt. Durch
„a oder auch b“ selber kann die Summe auch in jedem Zusammen-
hange übersetzt werden mit Ausnahme des Falles, wo sie als Subjekt
steht; in diesem wäre solches nicht unbedenklich, weil dadurch (vergl.
§ 15, Schlussanmerkung) eine Verwechselung des Urteils mit einem
„disjunktiven“ nahe gelegt würde; ganz unbedingt wird dann auch
die Partikel „oder“ viel besser durch die Partikel „und“ ersetzt. Also:
Steht a + b als Subjekt, so lese man das Pluszeichen als „und“; andern-
falles als „oder“, genauer: „oder auch“.
Wo a + b als Prädikat steht indessen — und dies bildet eine
bemerkenswerte Eigentümlichkeit der Wortsprache — ist die Ersetzung
des Bindewörtchens „oder“ durch „und“ nicht zulässig, wie sich dem-
nächst und unter ϰ) unzweifelhaft herausstellen wird.
Die Proposition c ⋹ a + b lässt sich übersetzen mit „c ist a oder
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Und ferner ist a + b ⋹ c in Worten darzustellen mit „a und b
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[Nicht angängig wäre, dafür zu sagen: „(entweder) a oder b
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auch b ist c“.]
Beispiele zu a + b ⋹ c: „Canadier und Indianer sind Ameri-
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in dem gewählten Beispiel sind nicht disjunkt, schliessen einander
nicht aus, es ist a b hier nicht gleich Null, weil es auch canadische
Indianer gibt. Ähnlich noch in diesem Beispiel:
„Adelige und Besitzende werden zur Aristokratie gerechnet“.
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/247>, abgerufen am 23.11.2024.
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