Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweite Vorlesung.
Merkmal des b, b Merkmal des a, ergo c auch Merkmal des a" als
die natürlichere erscheint.

Auch wenn a, b, c Klassen vorstellen, musste der Satz II all-
gemeine Geltung haben. Hiezu ein paar Beispiele. Es ist:
Gold Edelmetall, Edelmetall Chemisches Element,
folglich auch: Gold Chemisches Element.
Luft ist ein Körper. Alle Körper sind schwer.
Ergo: die Luft ist schwer. (Lotze.)
Pferd Säugetier; Säugetier Wirbeltier; ergo: Pferd Wirbeltier.

Beiläufig sei noch bemerkt, dass ein Schluss nach dem Schema II
auch häufig als ein Schluss a fortiori bezeichnet wird; namentlich ist
dies berechtigt, wenn (wie dies meist der Fall) die Subsumtionen in
den Prämissen wirkliche Unterordnung bedeuten -- in Analogie zu
dem Schluss der Arithmetik von a < b und b < c auf a < c. Wenn
jedes Pferd ein Säugetier und jedes Säugetier ein Wirbeltier ist, so
muss -- können wir sagen -- um so mehr auch jedes Pferd ein Wirbel-
tier sein. --

Drücken wir -- um bei unsern Beispielen zu bleiben -- dies etwa
so aus, indem wir nunmehr auch auf den Inhalt der den Klassen zu-
geordneten Begriffe achten, dass wir sagen: Den Pferden kommen die-
jenigen Merkmale zu, die allen Säugetieren gemeinsam sind; die Säuge-
tiere aber besitzen alle für die Wirbeltiere gemeinsamen Merkmale,
und folglich müssen den Pferden auch die Merkmale der Wirbeltiere
zu eigen sein, so wird verständlich, weshalb die überlieferte Logik
(Kant) dem Prinzip II auch den Ausdruck geben konnte: "nota notae
est nota rei (repugnans notae repugnat rei)": jedes Merkmal des
Merkmals (einer Sache) ist auch ein Merkmal der (eben dieser) Sache.
Die in dem Beispiel in Frage kommenden Merkmale sind (kurz zu-
sammengefasst) bezüglich die, Säugetier zu sein und Wirbeltier zu sein.

So auch ist, Materie zu sein, stoffliche Qualität, ein Merkmal der
Luft, und schwer zu sein, Schwere, ein Merkmal der stofflichen Natur,
"Stofflichkeit" (sit venia verbo!), folglich auch Schwere ein Merkmal
der Luft. --

Nun drängt sich freilich wol einem Jeden, der einen solchen Syl-
logismus in's Auge fasst, eine Bemerkung auf, die ich zunächst für
unser Beispiel aussprechen will, nämlich: dass man gar nicht wissen
könne, dass alle Säugetiere Wirbeltiere seien, ohne bereits zu wissen,
dass auch die Pferde Wirbeltiere sind.

Ebenso kann man auch nicht wissen, dass ein Gebiet b ganz, mit

Zweite Vorlesung.
Merkmal des b, b Merkmal des a, ergo c auch Merkmal des a“ als
die natürlichere erscheint.

Auch wenn a, b, c Klassen vorstellen, musste der Satz II all-
gemeine Geltung haben. Hiezu ein paar Beispiele. Es ist:
Gold ⋹ Edelmetall, Edelmetall ⋹ Chemisches Element,
folglich auch: Gold ⋹ Chemisches Element.
Luft ist ein Körper. Alle Körper sind schwer.
Ergo: die Luft ist schwer. (Lotze.)
Pferd ⋹ Säugetier; Säugetier ⋹ Wirbeltier; ergo: Pferd ⋹ Wirbeltier.

Beiläufig sei noch bemerkt, dass ein Schluss nach dem Schema II
auch häufig als ein Schluss a fortiori bezeichnet wird; namentlich ist
dies berechtigt, wenn (wie dies meist der Fall) die Subsumtionen in
den Prämissen wirkliche Unterordnung bedeuten — in Analogie zu
dem Schluss der Arithmetik von a < b und b < c auf a < c. Wenn
jedes Pferd ein Säugetier und jedes Säugetier ein Wirbeltier ist, so
muss — können wir sagen — um so mehr auch jedes Pferd ein Wirbel-
tier sein. —

Drücken wir — um bei unsern Beispielen zu bleiben — dies etwa
so aus, indem wir nunmehr auch auf den Inhalt der den Klassen zu-
geordneten Begriffe achten, dass wir sagen: Den Pferden kommen die-
jenigen Merkmale zu, die allen Säugetieren gemeinsam sind; die Säuge-
tiere aber besitzen alle für die Wirbeltiere gemeinsamen Merkmale,
und folglich müssen den Pferden auch die Merkmale der Wirbeltiere
zu eigen sein, so wird verständlich, weshalb die überlieferte Logik
(Kant) dem Prinzip II auch den Ausdruck geben konnte: „nota notae
est nota rei (repugnans notae repugnat rei)“: jedes Merkmal des
Merkmals (einer Sache) ist auch ein Merkmal der (eben dieser) Sache.
Die in dem Beispiel in Frage kommenden Merkmale sind (kurz zu-
sammengefasst) bezüglich die, Säugetier zu sein und Wirbeltier zu sein.

So auch ist, Materie zu sein, stoffliche Qualität, ein Merkmal der
Luft, und schwer zu sein, Schwere, ein Merkmal der stofflichen Natur,
„Stofflichkeit“ (sit venia verbo!), folglich auch Schwere ein Merkmal
der Luft. —

Nun drängt sich freilich wol einem Jeden, der einen solchen Syl-
logismus in's Auge fasst, eine Bemerkung auf, die ich zunächst für
unser Beispiel aussprechen will, nämlich: dass man gar nicht wissen
könne, dass alle Säugetiere Wirbeltiere seien, ohne bereits zu wissen,
dass auch die Pferde Wirbeltiere sind.

Ebenso kann man auch nicht wissen, dass ein Gebiet b ganz, mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0194" n="174"/><fw place="top" type="header">Zweite Vorlesung.</fw><lb/>
Merkmal des <hi rendition="#i">b</hi>, <hi rendition="#i">b</hi> Merkmal des <hi rendition="#i">a</hi>, ergo <hi rendition="#i">c</hi> auch Merkmal des <hi rendition="#i">a</hi>&#x201C; als<lb/>
die natürlichere erscheint.</p><lb/>
          <p>Auch wenn <hi rendition="#i">a</hi>, <hi rendition="#i">b</hi>, <hi rendition="#i">c Klassen</hi> vorstellen, musste der Satz II all-<lb/>
gemeine Geltung haben. Hiezu ein paar Beispiele. Es ist:<lb/><hi rendition="#et">Gold &#x22F9; Edelmetall, Edelmetall &#x22F9; Chemisches Element,<lb/>
folglich auch: Gold &#x22F9; Chemisches Element.<lb/>
Luft ist ein Körper. Alle Körper sind schwer.<lb/>
Ergo: die Luft ist schwer. (<hi rendition="#g">Lotze</hi>.)<lb/>
Pferd &#x22F9; Säugetier; Säugetier &#x22F9; Wirbeltier; ergo: Pferd &#x22F9; Wirbeltier.</hi></p><lb/>
          <p>Beiläufig sei noch bemerkt, dass ein Schluss nach dem Schema II<lb/>
auch häufig als ein Schluss <hi rendition="#i">a fortiori</hi> bezeichnet wird; namentlich ist<lb/>
dies berechtigt, wenn (wie dies meist der Fall) die Subsumtionen in<lb/>
den Prämissen wirkliche Unterordnung bedeuten &#x2014; in Analogie zu<lb/>
dem Schluss der Arithmetik von <hi rendition="#i">a</hi> &lt; <hi rendition="#i">b</hi> und <hi rendition="#i">b</hi> &lt; <hi rendition="#i">c</hi> auf <hi rendition="#i">a</hi> &lt; <hi rendition="#i">c</hi>. Wenn<lb/>
jedes Pferd ein Säugetier und jedes Säugetier ein Wirbeltier ist, so<lb/>
muss &#x2014; können wir sagen &#x2014; <hi rendition="#i">um so mehr</hi> auch jedes Pferd ein Wirbel-<lb/>
tier sein. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Drücken wir &#x2014; um bei unsern Beispielen zu bleiben &#x2014; dies etwa<lb/>
so aus, indem wir nunmehr auch auf den Inhalt der den Klassen zu-<lb/>
geordneten Begriffe achten, dass wir sagen: Den Pferden kommen die-<lb/>
jenigen Merkmale zu, die allen Säugetieren gemeinsam sind; die Säuge-<lb/>
tiere aber besitzen alle für die Wirbeltiere gemeinsamen Merkmale,<lb/>
und folglich müssen den Pferden auch die Merkmale der Wirbeltiere<lb/>
zu eigen sein, so wird verständlich, weshalb die überlieferte Logik<lb/>
(<hi rendition="#g">Kant</hi>) dem Prinzip II auch den Ausdruck geben konnte: &#x201E;nota notae<lb/>
est nota rei (repugnans notae repugnat rei)&#x201C;: jedes Merkmal des<lb/>
Merkmals (einer Sache) ist auch ein Merkmal der (eben dieser) Sache.<lb/>
Die in dem Beispiel in Frage kommenden Merkmale sind (kurz zu-<lb/>
sammengefasst) bezüglich die, Säugetier zu sein und Wirbeltier zu sein.</p><lb/>
          <p>So auch ist, Materie zu sein, stoffliche Qualität, ein Merkmal der<lb/>
Luft, und schwer zu sein, Schwere, ein Merkmal der stofflichen Natur,<lb/>
&#x201E;Stofflichkeit&#x201C; (sit venia verbo!), folglich auch Schwere ein Merkmal<lb/>
der Luft. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Nun drängt sich freilich wol einem Jeden, der einen solchen Syl-<lb/>
logismus in's Auge fasst, eine Bemerkung auf, die ich zunächst für<lb/>
unser Beispiel aussprechen will, nämlich: dass man gar nicht wissen<lb/>
könne, dass alle Säugetiere Wirbeltiere seien, ohne bereits zu wissen,<lb/>
dass auch die Pferde Wirbeltiere sind.</p><lb/>
          <p>Ebenso kann man auch nicht wissen, dass ein Gebiet <hi rendition="#i">b</hi> ganz, mit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0194] Zweite Vorlesung. Merkmal des b, b Merkmal des a, ergo c auch Merkmal des a“ als die natürlichere erscheint. Auch wenn a, b, c Klassen vorstellen, musste der Satz II all- gemeine Geltung haben. Hiezu ein paar Beispiele. Es ist: Gold ⋹ Edelmetall, Edelmetall ⋹ Chemisches Element, folglich auch: Gold ⋹ Chemisches Element. Luft ist ein Körper. Alle Körper sind schwer. Ergo: die Luft ist schwer. (Lotze.) Pferd ⋹ Säugetier; Säugetier ⋹ Wirbeltier; ergo: Pferd ⋹ Wirbeltier. Beiläufig sei noch bemerkt, dass ein Schluss nach dem Schema II auch häufig als ein Schluss a fortiori bezeichnet wird; namentlich ist dies berechtigt, wenn (wie dies meist der Fall) die Subsumtionen in den Prämissen wirkliche Unterordnung bedeuten — in Analogie zu dem Schluss der Arithmetik von a < b und b < c auf a < c. Wenn jedes Pferd ein Säugetier und jedes Säugetier ein Wirbeltier ist, so muss — können wir sagen — um so mehr auch jedes Pferd ein Wirbel- tier sein. — Drücken wir — um bei unsern Beispielen zu bleiben — dies etwa so aus, indem wir nunmehr auch auf den Inhalt der den Klassen zu- geordneten Begriffe achten, dass wir sagen: Den Pferden kommen die- jenigen Merkmale zu, die allen Säugetieren gemeinsam sind; die Säuge- tiere aber besitzen alle für die Wirbeltiere gemeinsamen Merkmale, und folglich müssen den Pferden auch die Merkmale der Wirbeltiere zu eigen sein, so wird verständlich, weshalb die überlieferte Logik (Kant) dem Prinzip II auch den Ausdruck geben konnte: „nota notae est nota rei (repugnans notae repugnat rei)“: jedes Merkmal des Merkmals (einer Sache) ist auch ein Merkmal der (eben dieser) Sache. Die in dem Beispiel in Frage kommenden Merkmale sind (kurz zu- sammengefasst) bezüglich die, Säugetier zu sein und Wirbeltier zu sein. So auch ist, Materie zu sein, stoffliche Qualität, ein Merkmal der Luft, und schwer zu sein, Schwere, ein Merkmal der stofflichen Natur, „Stofflichkeit“ (sit venia verbo!), folglich auch Schwere ein Merkmal der Luft. — Nun drängt sich freilich wol einem Jeden, der einen solchen Syl- logismus in's Auge fasst, eine Bemerkung auf, die ich zunächst für unser Beispiel aussprechen will, nämlich: dass man gar nicht wissen könne, dass alle Säugetiere Wirbeltiere seien, ohne bereits zu wissen, dass auch die Pferde Wirbeltiere sind. Ebenso kann man auch nicht wissen, dass ein Gebiet b ganz, mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/194
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/194>, abgerufen am 22.11.2024.