Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 2. Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile.
Positiv, Komparativ oder Superlativ. Auch Beispiele zu den letzteren Fällen
wird man schon unter den vorstehend betrachteten finden.

Statt durch die vom Hülfszeitwort "sein" abgeleitete Kopula mit dem
Subjekt des Urteils verknüpft zu sein, ist das Prädikat desselben in den
allermeisten Fällen mit einem Verbum konstruirt, und oft besteht es nur
aus einem solchen.

Einerlei ob dieses Verbum transitiv -- vielleicht ein reflexivum --
oder intransitiv ist, ob es im Aktivum oder Passivum steht, auch einerlei
in welchem Tempus, ob in einem Präteritum, im Präsens oder im Futu-
rum, stets wird sich -- sei es vermittelst einer Partizipialkonstruktion, sei
es durch Zuhülfenahme eines Relativsatzes -- das Urteil durch ein anderes
vom selben logischen Gehalt umschreiben lassen, in welchem die Kopula
"ist" steht und das Prädikat als eine Klasse hervortritt, der die Subjekt-
klasse sich einordnet. Es würde ermüdend sein, dies für alle Fälle durch-
zusprechen, die sich in grammatikalischer Hinsicht irgend unterscheiden
lassen, und werden ein paar Beispiele genügen.

"Die Erde dreht sich" sagt das nämliche wie "die Erde ist sich drehend
(Etwas sich drehendes), sie ist in Rotation befindlich, enthalten in der Klasse
der Körper oder Dinge, welche sich im Zustande der Drehung befinden".

Der Satz "Caesar wurde ermordet" passt sich nicht minder unserem
allgemeinen Schema der kategorischen Urteile an, indem er besagt: die
(singuläre) Klasse, bestehend aus dem einen Individuum (der bekannten histo-
rischen Person des römischen Imperators) Caesar, ist enthalten in der
Klasse der Personen, welche ermordet wurden.

"Am 9. August 1896 wird eine totale Sonnenfinsterniss stattfinden"
stellt sich bei Reflexion auf die Umfangsbeziehungen als das Subsumtions-
urteil dar: "Eine totale Sonnenfinsterniss ist enthalten in der Klasse der
Ereignisse (Dinge), welche am 9. August 1896 stattfinden (werden)".*)
In dieser Fassung erscheint indess das Urteil als ein "unbestimmtes", und
es gibt sich in der Verbindung des Subjektbegriffes "totale Sonnenfinster-
niss" mit dem unbestimmten Artikel "Eine" zu erkennen, dass das Urteil
eigentlich ein "Existenzialurteil" ist. Man könnte in der That mit der-
selben logischen Tragweite auch sagen: "Es gibt eine ... Sonnenfinsterniss,
welche auf den .. Aug. 1896 fällt". Am angemessensten würde darnach
(abermals als Subsumtion) das Urteil dahin zu interpretiren sein: Die Vor-
stellung einer auf den 9. Aug. 1896 fallenden Sonnenfinsterniss gehört
zu (ist enthalten in) der Klasse derjenigen Vorstellungen, denen Wirk-
liches entspricht. Analog möge der Leser das Urteil interpretiren: "In die
Jahre 1870 und 71 fällt ein deutsch-französischer Krieg".

Auch der abgekürzte Gefechtsbericht: "Tote 20, Verwundete 100"
kann so einerseits als Existenzialurteil dargestellt werden; doch lässt er
andrerseits auch sich als das umkehrbare Urteil deuten: Die Anzahl der
bei jenem Gefechte (tot)Gebliebenen ist (einerlei mit, gleich) 20 u. s. w.

*) Es sei darauf aufmerksam gemacht, dass bei genauer Angabe eines Zeit-
punktes oder eines Zeitraums, einer Epoche, ein unterscheidender Gebrauch der
Temporalformen beim Verbum überflüssig wird, wie denn auch die Sprache meist
das Präsens in solchen Fällen beibehält.

§ 2. Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile.
Positiv, Komparativ oder Superlativ. Auch Beispiele zu den letzteren Fällen
wird man schon unter den vorstehend betrachteten finden.

Statt durch die vom Hülfszeitwort „sein“ abgeleitete Kopula mit dem
Subjekt des Urteils verknüpft zu sein, ist das Prädikat desselben in den
allermeisten Fällen mit einem Verbum konstruirt, und oft besteht es nur
aus einem solchen.

Einerlei ob dieses Verbum transitiv — vielleicht ein reflexivum —
oder intransitiv ist, ob es im Aktivum oder Passivum steht, auch einerlei
in welchem Tempus, ob in einem Präteritum, im Präsens oder im Futu-
rum, stets wird sich — sei es vermittelst einer Partizipialkonstruktion, sei
es durch Zuhülfenahme eines Relativsatzes — das Urteil durch ein anderes
vom selben logischen Gehalt umschreiben lassen, in welchem die Kopula
„ist“ steht und das Prädikat als eine Klasse hervortritt, der die Subjekt-
klasse sich einordnet. Es würde ermüdend sein, dies für alle Fälle durch-
zusprechen, die sich in grammatikalischer Hinsicht irgend unterscheiden
lassen, und werden ein paar Beispiele genügen.

„Die Erde dreht sich“ sagt das nämliche wie „die Erde ist sich drehend
(Etwas sich drehendes), sie ist in Rotation befindlich, enthalten in der Klasse
der Körper oder Dinge, welche sich im Zustande der Drehung befinden“.

Der Satz „Caesar wurde ermordet“ passt sich nicht minder unserem
allgemeinen Schema der kategorischen Urteile an, indem er besagt: die
(singuläre) Klasse, bestehend aus dem einen Individuum (der bekannten histo-
rischen Person des römischen Imperators) Caesar, ist enthalten in der
Klasse der Personen, welche ermordet wurden.

„Am 9. August 1896 wird eine totale Sonnenfinsterniss stattfinden“
stellt sich bei Reflexion auf die Umfangsbeziehungen als das Subsumtions-
urteil dar: „Eine totale Sonnenfinsterniss ist enthalten in der Klasse der
Ereignisse (Dinge), welche am 9. August 1896 stattfinden (werden)“.*)
In dieser Fassung erscheint indess das Urteil als ein „unbestimmtes“, und
es gibt sich in der Verbindung des Subjektbegriffes „totale Sonnenfinster-
niss“ mit dem unbestimmten Artikel „Eine“ zu erkennen, dass das Urteil
eigentlich ein „Existenzialurteil“ ist. Man könnte in der That mit der-
selben logischen Tragweite auch sagen: „Es gibt eine … Sonnenfinsterniss,
welche auf den ‥ Aug. 1896 fällt“. Am angemessensten würde darnach
(abermals als Subsumtion) das Urteil dahin zu interpretiren sein: Die Vor-
stellung einer auf den 9. Aug. 1896 fallenden Sonnenfinsterniss gehört
zu (ist enthalten in) der Klasse derjenigen Vorstellungen, denen Wirk-
liches entspricht. Analog möge der Leser das Urteil interpretiren: „In die
Jahre 1870 und 71 fällt ein deutsch-französischer Krieg“.

Auch der abgekürzte Gefechtsbericht: „Tote 20, Verwundete 100“
kann so einerseits als Existenzialurteil dargestellt werden; doch lässt er
andrerseits auch sich als das umkehrbare Urteil deuten: Die Anzahl der
bei jenem Gefechte (tot)Gebliebenen ist (einerlei mit, gleich) 20 u. s. w.

*) Es sei darauf aufmerksam gemacht, dass bei genauer Angabe eines Zeit-
punktes oder eines Zeitraums, einer Epoche, ein unterscheidender Gebrauch der
Temporalformen beim Verbum überflüssig wird, wie denn auch die Sprache meist
das Präsens in solchen Fällen beibehält.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0173" n="153"/><fw place="top" type="header">§ 2. Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile.</fw><lb/>
Positiv, Komparativ oder Superlativ. Auch Beispiele zu den letzteren Fällen<lb/>
wird man schon unter den vorstehend betrachteten finden.</p><lb/>
          <p>Statt durch die vom Hülfszeitwort &#x201E;sein&#x201C; abgeleitete Kopula mit dem<lb/>
Subjekt des Urteils verknüpft zu sein, ist das Prädikat desselben in den<lb/>
allermeisten Fällen mit einem <hi rendition="#i">Verbum</hi> konstruirt, und oft besteht es nur<lb/>
aus einem solchen.</p><lb/>
          <p>Einerlei ob dieses Verbum transitiv &#x2014; vielleicht ein reflexivum &#x2014;<lb/>
oder intransitiv ist, ob es im Aktivum oder Passivum steht, auch einerlei<lb/>
in welchem Tempus, ob in einem Präteritum, im Präsens oder im Futu-<lb/>
rum, stets wird sich &#x2014; sei es vermittelst einer Partizipialkonstruktion, sei<lb/>
es durch Zuhülfenahme eines Relativsatzes &#x2014; das Urteil durch ein anderes<lb/>
vom selben logischen Gehalt umschreiben lassen, in welchem die Kopula<lb/>
&#x201E;ist&#x201C; steht und das Prädikat als eine Klasse hervortritt, der die Subjekt-<lb/>
klasse sich einordnet. Es würde ermüdend sein, dies für alle Fälle durch-<lb/>
zusprechen, die sich in grammatikalischer Hinsicht irgend unterscheiden<lb/>
lassen, und werden ein paar Beispiele genügen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die Erde dreht sich&#x201C; sagt das nämliche wie &#x201E;die Erde ist sich drehend<lb/>
(Etwas sich drehendes), sie <hi rendition="#i">ist</hi> in Rotation befindlich, enthalten in der Klasse<lb/>
der Körper oder Dinge, welche sich im Zustande der Drehung befinden&#x201C;.</p><lb/>
          <p>Der Satz &#x201E;Caesar wurde ermordet&#x201C; passt sich nicht minder unserem<lb/>
allgemeinen Schema der kategorischen Urteile an, indem er besagt: die<lb/>
(singuläre) Klasse, bestehend aus dem <hi rendition="#i">einen</hi> Individuum (der bekannten histo-<lb/>
rischen Person des römischen Imperators) Caesar, ist enthalten in der<lb/>
Klasse der Personen, welche ermordet wurden.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Am 9. August 1896 wird eine totale Sonnenfinsterniss stattfinden&#x201C;<lb/>
stellt sich bei Reflexion auf die Umfangsbeziehungen als das Subsumtions-<lb/>
urteil dar: &#x201E;Eine totale Sonnenfinsterniss ist enthalten in der Klasse der<lb/>
Ereignisse (Dinge), welche am 9. August 1896 stattfinden (werden)&#x201C;.<note place="foot" n="*)">Es sei darauf aufmerksam gemacht, dass bei genauer Angabe eines Zeit-<lb/>
punktes oder eines Zeitraums, einer Epoche, ein unterscheidender Gebrauch der<lb/>
Temporalformen beim Verbum überflüssig wird, wie denn auch die Sprache meist<lb/>
das Präsens in solchen Fällen beibehält.</note><lb/>
In dieser Fassung erscheint indess das Urteil als ein &#x201E;unbestimmtes&#x201C;, und<lb/>
es gibt sich in der Verbindung des Subjektbegriffes &#x201E;totale Sonnenfinster-<lb/>
niss&#x201C; mit dem unbestimmten Artikel &#x201E;Eine&#x201C; zu erkennen, dass das Urteil<lb/>
eigentlich ein &#x201E;Existenzialurteil&#x201C; ist. Man könnte in der That mit der-<lb/>
selben logischen Tragweite auch sagen: &#x201E;<hi rendition="#i">Es gibt</hi> eine &#x2026; Sonnenfinsterniss,<lb/>
welche auf den &#x2025; Aug. 1896 fällt&#x201C;. Am angemessensten würde darnach<lb/>
(abermals als Subsumtion) das Urteil dahin zu interpretiren sein: Die Vor-<lb/>
stellung einer auf den 9. Aug. 1896 fallenden Sonnenfinsterniss gehört<lb/>
zu (ist enthalten in) der Klasse derjenigen Vorstellungen, denen Wirk-<lb/>
liches entspricht. Analog möge der Leser das Urteil interpretiren: &#x201E;In die<lb/>
Jahre 1870 und 71 fällt ein deutsch-französischer Krieg&#x201C;.</p><lb/>
          <p>Auch der abgekürzte Gefechtsbericht: &#x201E;Tote 20, Verwundete 100&#x201C;<lb/>
kann so einerseits als Existenzialurteil dargestellt werden; doch lässt er<lb/>
andrerseits auch sich als das umkehrbare Urteil deuten: Die Anzahl der<lb/>
bei jenem Gefechte (tot)Gebliebenen ist (einerlei mit, gleich) 20 u. s. w.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0173] § 2. Darstellbarkeit der Urteile als Subsumtionsurteile. Positiv, Komparativ oder Superlativ. Auch Beispiele zu den letzteren Fällen wird man schon unter den vorstehend betrachteten finden. Statt durch die vom Hülfszeitwort „sein“ abgeleitete Kopula mit dem Subjekt des Urteils verknüpft zu sein, ist das Prädikat desselben in den allermeisten Fällen mit einem Verbum konstruirt, und oft besteht es nur aus einem solchen. Einerlei ob dieses Verbum transitiv — vielleicht ein reflexivum — oder intransitiv ist, ob es im Aktivum oder Passivum steht, auch einerlei in welchem Tempus, ob in einem Präteritum, im Präsens oder im Futu- rum, stets wird sich — sei es vermittelst einer Partizipialkonstruktion, sei es durch Zuhülfenahme eines Relativsatzes — das Urteil durch ein anderes vom selben logischen Gehalt umschreiben lassen, in welchem die Kopula „ist“ steht und das Prädikat als eine Klasse hervortritt, der die Subjekt- klasse sich einordnet. Es würde ermüdend sein, dies für alle Fälle durch- zusprechen, die sich in grammatikalischer Hinsicht irgend unterscheiden lassen, und werden ein paar Beispiele genügen. „Die Erde dreht sich“ sagt das nämliche wie „die Erde ist sich drehend (Etwas sich drehendes), sie ist in Rotation befindlich, enthalten in der Klasse der Körper oder Dinge, welche sich im Zustande der Drehung befinden“. Der Satz „Caesar wurde ermordet“ passt sich nicht minder unserem allgemeinen Schema der kategorischen Urteile an, indem er besagt: die (singuläre) Klasse, bestehend aus dem einen Individuum (der bekannten histo- rischen Person des römischen Imperators) Caesar, ist enthalten in der Klasse der Personen, welche ermordet wurden. „Am 9. August 1896 wird eine totale Sonnenfinsterniss stattfinden“ stellt sich bei Reflexion auf die Umfangsbeziehungen als das Subsumtions- urteil dar: „Eine totale Sonnenfinsterniss ist enthalten in der Klasse der Ereignisse (Dinge), welche am 9. August 1896 stattfinden (werden)“. *) In dieser Fassung erscheint indess das Urteil als ein „unbestimmtes“, und es gibt sich in der Verbindung des Subjektbegriffes „totale Sonnenfinster- niss“ mit dem unbestimmten Artikel „Eine“ zu erkennen, dass das Urteil eigentlich ein „Existenzialurteil“ ist. Man könnte in der That mit der- selben logischen Tragweite auch sagen: „Es gibt eine … Sonnenfinsterniss, welche auf den ‥ Aug. 1896 fällt“. Am angemessensten würde darnach (abermals als Subsumtion) das Urteil dahin zu interpretiren sein: Die Vor- stellung einer auf den 9. Aug. 1896 fallenden Sonnenfinsterniss gehört zu (ist enthalten in) der Klasse derjenigen Vorstellungen, denen Wirk- liches entspricht. Analog möge der Leser das Urteil interpretiren: „In die Jahre 1870 und 71 fällt ein deutsch-französischer Krieg“. Auch der abgekürzte Gefechtsbericht: „Tote 20, Verwundete 100“ kann so einerseits als Existenzialurteil dargestellt werden; doch lässt er andrerseits auch sich als das umkehrbare Urteil deuten: Die Anzahl der bei jenem Gefechte (tot)Gebliebenen ist (einerlei mit, gleich) 20 u. s. w. *) Es sei darauf aufmerksam gemacht, dass bei genauer Angabe eines Zeit- punktes oder eines Zeitraums, einer Epoche, ein unterscheidender Gebrauch der Temporalformen beim Verbum überflüssig wird, wie denn auch die Sprache meist das Präsens in solchen Fällen beibehält.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/173
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/173>, abgerufen am 24.11.2024.