Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Erste Vorlesung.
schwimmen, sind enthalten in der Klasse derjenigen Vorstellungen, denen
(als das Vorgestellte) Wirkliches entspricht. Der Klasse gedachter Dinge,
denen Realität zukommt, welche existiren, wird auch hier eine Subjektklasse
eingeordnet. Die Existenzialurteile gehören jedoch wieder zu denen, für
welche die Fussnote auf S. 132 Platz greift, weshalb zu ihrer Einkleidung
doch in unsrer Technik zu andern Mitteln wird gegriffen werden müssen
und wir mit besondrer Sorgfalt auf dieselben zurückzukommen haben. Der
vorstehenden Betrachtung kommt daher eine praktische Tragweite nicht zu
sondern nur ein theoretischer Wert, sofern sie beiträgt vollends zu er-
härten, dass wirklich alles Urteilen sich in Subsumtionen bewegt.

In vielen Fällen vertritt das Wörtchen "es" blos provisorisch das
Subjekt, welches dann ausführlicher hinter dem Prädikate beschrieben wird;
z. B. "es weht ein heftiger Wind" oder "es ist bequem, Andere für sich
arbeiten zu lassen"; so auch bei "es ist leicht ...", "es ist nützlich ..". Etc.

Auch bei den impersonalen Urteilen im engsten Sinne des Worts, wie
"es regnet, donnert, blitzt" ... "es riecht nach Moschus", "es ist vier Uhr
(Nachmittags)" etc. wird der Leser unschwer die Subjekt- und zugehörige
Prädikatklasse ausfindig machen. So im ersten Beispiel: der gegenwärtige
Zustand der Atmosphäre am hiesigen Platze ordnet sich ein in die Klasse
der Zustände, die wir als Regen(wetter) bezeichnen; ein Geruch nach
Moschus (etwas diesen Geruch Hervorrufendes) ist vorhanden in der uns
umgebenden Luft (Existenzialurteil); der gegenwärtige Augenblick ist iden-
tisch mit dem durch die Zeitbestimmung 4 Uhr Nachm. der hiesigen Ortszeit
charakterisirten Momente. Und so weiter.

Nachdem wir so die wichtigsten Formen sprachlichen Ausdrucks durch-
gegangen haben, welche beim Subjekt eines Urteils vorkommen mögen, er-
übrigt es, ein gleiches in Bezug auf das Prädikat desselben zu thun.

Ist das Prädikat ein Substantiv mit oder ohne determinirende Neben-
bestimmungen, oder auch ein Aggregat von solchen (mittelst Konjunktionen
verbundenen), so liegt keine Schwierigkeit vor, sich den Umfang des Prä-
dikatbegriffes oder die Prädikatklasse zum Bewusstsein zu bringen.

Desgleichen haben wir dazu wiederholt schon Anleitung gegeben für
den Fall, wo das Prädikat ein Adjektivum ist -- wie denn der Satz "die
Erde ist rund" nichts anderes aussagt als: die Erde gehört zu der Klasse
der als "rund" zu bezeichnenden Dinge, sie ist "Etwas rundes", ein rundes
Ding. Nach diesem Vorbild konnte überhaupt ein Adjektivum allemal in
die substantivische Form sogleich umgesetzt werden; die Adjektiva stehen
den Substantiven am nächsten, erscheinen nur grammatikalisch von solchen
verschieden. In der Thatsache allerdings, dass sie ihrer logischen Gleich-
wertigkeit mit Substantiven ungeachtet, doch nicht allgemein wie diese als
Subjekt eines Urteils stehen können, offenbart sich eine psychologische
Eigentümlichkeit der Wortsprache -- wie denn z. B. Mill hervorhebt, dass
man nicht sagen könne: "rund ist leicht zu bewegen".*) -- Obige Sub-
stantivirung des Adjektivs ist auch gleichermassen ausführbar, in was immer
für einem Grad oder Vergleichungsmodus dasselbe steht, einerlei ob im

*) Vereinzelte Ausnahmen kommen in Sprüchwörtern vor, wie: Allzuscharf
macht schartig, u. a.

Erste Vorlesung.
schwimmen, sind enthalten in der Klasse derjenigen Vorstellungen, denen
(als das Vorgestellte) Wirkliches entspricht. Der Klasse gedachter Dinge,
denen Realität zukommt, welche existiren, wird auch hier eine Subjektklasse
eingeordnet. Die Existenzialurteile gehören jedoch wieder zu denen, für
welche die Fussnote auf S. 132 Platz greift, weshalb zu ihrer Einkleidung
doch in unsrer Technik zu andern Mitteln wird gegriffen werden müssen
und wir mit besondrer Sorgfalt auf dieselben zurückzukommen haben. Der
vorstehenden Betrachtung kommt daher eine praktische Tragweite nicht zu
sondern nur ein theoretischer Wert, sofern sie beiträgt vollends zu er-
härten, dass wirklich alles Urteilen sich in Subsumtionen bewegt.

In vielen Fällen vertritt das Wörtchen „es“ blos provisorisch das
Subjekt, welches dann ausführlicher hinter dem Prädikate beschrieben wird;
z. B. „es weht ein heftiger Wind“ oder „es ist bequem, Andere für sich
arbeiten zu lassen“; so auch bei „es ist leicht …“, „es ist nützlich ‥“. Etc.

Auch bei den impersonalen Urteilen im engsten Sinne des Worts, wie
„es regnet, donnert, blitzt“ … „es riecht nach Moschus“, „es ist vier Uhr
(Nachmittags)“ etc. wird der Leser unschwer die Subjekt- und zugehörige
Prädikatklasse ausfindig machen. So im ersten Beispiel: der gegenwärtige
Zustand der Atmosphäre am hiesigen Platze ordnet sich ein in die Klasse
der Zustände, die wir als Regen(wetter) bezeichnen; ein Geruch nach
Moschus (etwas diesen Geruch Hervorrufendes) ist vorhanden in der uns
umgebenden Luft (Existenzialurteil); der gegenwärtige Augenblick ist iden-
tisch mit dem durch die Zeitbestimmung 4 Uhr Nachm. der hiesigen Ortszeit
charakterisirten Momente. Und so weiter.

Nachdem wir so die wichtigsten Formen sprachlichen Ausdrucks durch-
gegangen haben, welche beim Subjekt eines Urteils vorkommen mögen, er-
übrigt es, ein gleiches in Bezug auf das Prädikat desselben zu thun.

Ist das Prädikat ein Substantiv mit oder ohne determinirende Neben-
bestimmungen, oder auch ein Aggregat von solchen (mittelst Konjunktionen
verbundenen), so liegt keine Schwierigkeit vor, sich den Umfang des Prä-
dikatbegriffes oder die Prädikatklasse zum Bewusstsein zu bringen.

Desgleichen haben wir dazu wiederholt schon Anleitung gegeben für
den Fall, wo das Prädikat ein Adjektivum ist — wie denn der Satz „die
Erde ist rund“ nichts anderes aussagt als: die Erde gehört zu der Klasse
der als „rund“ zu bezeichnenden Dinge, sie ist „Etwas rundes“, ein rundes
Ding. Nach diesem Vorbild konnte überhaupt ein Adjektivum allemal in
die substantivische Form sogleich umgesetzt werden; die Adjektiva stehen
den Substantiven am nächsten, erscheinen nur grammatikalisch von solchen
verschieden. In der Thatsache allerdings, dass sie ihrer logischen Gleich-
wertigkeit mit Substantiven ungeachtet, doch nicht allgemein wie diese als
Subjekt eines Urteils stehen können, offenbart sich eine psychologische
Eigentümlichkeit der Wortsprache — wie denn z. B. Mill hervorhebt, dass
man nicht sagen könne: „rund ist leicht zu bewegen“.*) — Obige Sub-
stantivirung des Adjektivs ist auch gleichermassen ausführbar, in was immer
für einem Grad oder Vergleichungsmodus dasselbe steht, einerlei ob im

*) Vereinzelte Ausnahmen kommen in Sprüchwörtern vor, wie: Allzuscharf
macht schartig, u. a.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0172" n="152"/><fw place="top" type="header">Erste Vorlesung.</fw><lb/>
schwimmen, sind enthalten in der Klasse derjenigen Vorstellungen, denen<lb/>
(als das Vorgestellte) Wirkliches entspricht. Der Klasse gedachter Dinge,<lb/>
denen Realität zukommt, welche <hi rendition="#i">existiren,</hi> wird auch hier eine Subjektklasse<lb/>
eingeordnet. Die Existenzialurteile gehören jedoch wieder zu denen, für<lb/>
welche die Fussnote auf S. 132 Platz greift, weshalb zu ihrer Einkleidung<lb/>
doch in unsrer Technik zu andern Mitteln wird gegriffen werden müssen<lb/>
und wir mit besondrer Sorgfalt auf dieselben zurückzukommen haben. Der<lb/>
vorstehenden Betrachtung kommt daher eine praktische Tragweite nicht zu<lb/>
sondern nur ein theoretischer Wert, sofern sie beiträgt vollends zu er-<lb/>
härten, dass wirklich alles Urteilen sich in Subsumtionen bewegt.</p><lb/>
          <p>In vielen Fällen vertritt das Wörtchen &#x201E;es&#x201C; blos provisorisch das<lb/>
Subjekt, welches dann ausführlicher <hi rendition="#i">hinter</hi> dem Prädikate beschrieben wird;<lb/>
z. B. &#x201E;es weht ein heftiger Wind&#x201C; oder &#x201E;es ist bequem, Andere für sich<lb/>
arbeiten zu lassen&#x201C;; so auch bei &#x201E;es ist leicht &#x2026;&#x201C;, &#x201E;es ist nützlich &#x2025;&#x201C;. Etc.</p><lb/>
          <p>Auch bei den impersonalen Urteilen im engsten Sinne des Worts, wie<lb/>
&#x201E;es regnet, donnert, blitzt&#x201C; &#x2026; &#x201E;es riecht nach Moschus&#x201C;, &#x201E;es ist vier Uhr<lb/>
(Nachmittags)&#x201C; etc. wird der Leser unschwer die Subjekt- und zugehörige<lb/>
Prädikatklasse ausfindig machen. So im ersten Beispiel: der gegenwärtige<lb/>
Zustand der Atmosphäre am hiesigen Platze ordnet sich ein in die Klasse<lb/>
der Zustände, die wir als Regen(wetter) bezeichnen; ein Geruch nach<lb/>
Moschus (etwas diesen Geruch Hervorrufendes) ist vorhanden in der uns<lb/>
umgebenden Luft (Existenzialurteil); der gegenwärtige Augenblick ist iden-<lb/>
tisch mit dem durch die Zeitbestimmung 4 Uhr Nachm. der hiesigen Ortszeit<lb/>
charakterisirten Momente. Und so weiter.</p><lb/>
          <p>Nachdem wir so die wichtigsten Formen sprachlichen Ausdrucks durch-<lb/>
gegangen haben, welche beim <hi rendition="#i">Subjekt</hi> eines Urteils vorkommen mögen, er-<lb/>
übrigt es, ein gleiches in Bezug auf das <hi rendition="#i">Prädikat</hi> desselben zu thun.</p><lb/>
          <p>Ist das Prädikat ein Substantiv mit oder ohne determinirende Neben-<lb/>
bestimmungen, oder auch ein Aggregat von solchen (mittelst Konjunktionen<lb/>
verbundenen), so liegt keine Schwierigkeit vor, sich den Umfang des Prä-<lb/>
dikatbegriffes oder die Prädikatklasse zum Bewusstsein zu bringen.</p><lb/>
          <p>Desgleichen haben wir dazu wiederholt schon Anleitung gegeben für<lb/>
den Fall, wo das Prädikat ein Adjektivum ist &#x2014; wie denn der Satz &#x201E;die<lb/>
Erde ist rund&#x201C; nichts anderes aussagt als: die Erde gehört zu der Klasse<lb/>
der als &#x201E;rund&#x201C; zu bezeichnenden Dinge, sie ist &#x201E;Etwas rundes&#x201C;, ein rundes<lb/>
Ding. Nach diesem Vorbild konnte überhaupt ein Adjektivum allemal in<lb/>
die substantivische Form sogleich umgesetzt werden; die Adjektiva stehen<lb/>
den Substantiven am nächsten, erscheinen nur grammatikalisch von solchen<lb/>
verschieden. In der Thatsache allerdings, dass sie ihrer logischen Gleich-<lb/>
wertigkeit mit Substantiven ungeachtet, doch nicht allgemein wie diese als<lb/>
Subjekt eines Urteils stehen können, offenbart sich eine psychologische<lb/>
Eigentümlichkeit der Wortsprache &#x2014; wie denn z. B. Mill hervorhebt, dass<lb/>
man nicht sagen könne: &#x201E;rund ist leicht zu bewegen&#x201C;.<note place="foot" n="*)">Vereinzelte Ausnahmen kommen in Sprüchwörtern vor, wie: Allzuscharf<lb/>
macht schartig, u. a.</note> &#x2014; Obige Sub-<lb/>
stantivirung des Adjektivs ist auch gleichermassen ausführbar, in was immer<lb/>
für einem Grad oder Vergleichungsmodus dasselbe steht, einerlei ob im<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0172] Erste Vorlesung. schwimmen, sind enthalten in der Klasse derjenigen Vorstellungen, denen (als das Vorgestellte) Wirkliches entspricht. Der Klasse gedachter Dinge, denen Realität zukommt, welche existiren, wird auch hier eine Subjektklasse eingeordnet. Die Existenzialurteile gehören jedoch wieder zu denen, für welche die Fussnote auf S. 132 Platz greift, weshalb zu ihrer Einkleidung doch in unsrer Technik zu andern Mitteln wird gegriffen werden müssen und wir mit besondrer Sorgfalt auf dieselben zurückzukommen haben. Der vorstehenden Betrachtung kommt daher eine praktische Tragweite nicht zu sondern nur ein theoretischer Wert, sofern sie beiträgt vollends zu er- härten, dass wirklich alles Urteilen sich in Subsumtionen bewegt. In vielen Fällen vertritt das Wörtchen „es“ blos provisorisch das Subjekt, welches dann ausführlicher hinter dem Prädikate beschrieben wird; z. B. „es weht ein heftiger Wind“ oder „es ist bequem, Andere für sich arbeiten zu lassen“; so auch bei „es ist leicht …“, „es ist nützlich ‥“. Etc. Auch bei den impersonalen Urteilen im engsten Sinne des Worts, wie „es regnet, donnert, blitzt“ … „es riecht nach Moschus“, „es ist vier Uhr (Nachmittags)“ etc. wird der Leser unschwer die Subjekt- und zugehörige Prädikatklasse ausfindig machen. So im ersten Beispiel: der gegenwärtige Zustand der Atmosphäre am hiesigen Platze ordnet sich ein in die Klasse der Zustände, die wir als Regen(wetter) bezeichnen; ein Geruch nach Moschus (etwas diesen Geruch Hervorrufendes) ist vorhanden in der uns umgebenden Luft (Existenzialurteil); der gegenwärtige Augenblick ist iden- tisch mit dem durch die Zeitbestimmung 4 Uhr Nachm. der hiesigen Ortszeit charakterisirten Momente. Und so weiter. Nachdem wir so die wichtigsten Formen sprachlichen Ausdrucks durch- gegangen haben, welche beim Subjekt eines Urteils vorkommen mögen, er- übrigt es, ein gleiches in Bezug auf das Prädikat desselben zu thun. Ist das Prädikat ein Substantiv mit oder ohne determinirende Neben- bestimmungen, oder auch ein Aggregat von solchen (mittelst Konjunktionen verbundenen), so liegt keine Schwierigkeit vor, sich den Umfang des Prä- dikatbegriffes oder die Prädikatklasse zum Bewusstsein zu bringen. Desgleichen haben wir dazu wiederholt schon Anleitung gegeben für den Fall, wo das Prädikat ein Adjektivum ist — wie denn der Satz „die Erde ist rund“ nichts anderes aussagt als: die Erde gehört zu der Klasse der als „rund“ zu bezeichnenden Dinge, sie ist „Etwas rundes“, ein rundes Ding. Nach diesem Vorbild konnte überhaupt ein Adjektivum allemal in die substantivische Form sogleich umgesetzt werden; die Adjektiva stehen den Substantiven am nächsten, erscheinen nur grammatikalisch von solchen verschieden. In der Thatsache allerdings, dass sie ihrer logischen Gleich- wertigkeit mit Substantiven ungeachtet, doch nicht allgemein wie diese als Subjekt eines Urteils stehen können, offenbart sich eine psychologische Eigentümlichkeit der Wortsprache — wie denn z. B. Mill hervorhebt, dass man nicht sagen könne: „rund ist leicht zu bewegen“. *) — Obige Sub- stantivirung des Adjektivs ist auch gleichermassen ausführbar, in was immer für einem Grad oder Vergleichungsmodus dasselbe steht, einerlei ob im *) Vereinzelte Ausnahmen kommen in Sprüchwörtern vor, wie: Allzuscharf macht schartig, u. a.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/172
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/172>, abgerufen am 25.11.2024.