Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Erste Vorlesung.
Eigenart klar zum Bewusstsein gebracht haben, haben wir die Fähig-
keit erworben, sind wir vorbereitet, die wahre Bedeutung der Kopula
"ist" (oder "sind") zu erfassen, und uns nach einem geeigneten Be-
ziehungszeichen zur Darstellung derselben umzusehen.

Die Kopula "ist" wird bald die eine, bald die andere der beiden
Beziehungen ausdrücken, die wir mittelst der Zeichen und = dar-
gestellt haben. Zu ihrer Darstellung wird sich darum ein aus den
beiden letzten zusammengesetztes Zeichen als ein ohne weiteres,
sozusagen nunmehr von selbst, verständliches und dem Gedächtniss
sich einprägendes vor allen andern empfehlen. Ausführlichst wird
dieses Zeichen als "untergeordnet oder gleich" zu lesen sein. Und so-
ferne sich herausstellen wird, dass den an unsern Beispielen gemachten
Wahruehmungen allgemeine Gültigkeit zukommt, können wir sagen:

Das kategorische Urteil drückt immer aus, dass das Subjekt (der
Subjektbegriff
) dem Prädikate (Prädikatbegriffe) entweder untergeordnet
oder aber mit ihm identisch sei
. Es wird demnach ursprünglich oder
von hause aus:
Subjekt Prädikat
die gemeinsame Form aller kategorischen Urteile sein.*)

Indem wir nachher an dem Leitfaden ihres sprachlichen Aus-
drucks die verschiedenen Arten kategorischer Aussagen möglichst voll-
ständig durchgehen, werden wir in der That sehen, dass sich diese
Behauptung durchaus bewahrheitet, dass die erwähnte Auffassung sich
wenigstens unbeschadet des logischen Gehaltes der betreffenden Urteile
überall anbringen, allgemein durchführen lässt -- allerdings nicht
selten bedingt durch eine Abänderung des "psychologischen Gehaltes"
der betreffenden Urteile, sowie auf Kosten der Eleganz ihres sprach-
lichen Ausdruckes, unter Verletzung, mitunter auch, des Sprachgefühles,
in einer Weise, die wol in der That den Eindruck, erkünstelt zu sein,
hervorbringen kann. Lässt aber dadurch sich nur bewirken, dass alle
Urteile in einer gemeinsamen Form erscheinen, und so einer allgemeinen
Behandlung zugänglich werden, so ist durch die Erzielung solch' un-
absehbaren Vorteils doch der gedachte modus procedendi vollauf ge-
rechtfertigt.

Eine Behauptung der Form
10) a b

*) Zufolge der später zu vollziehenden Einfübrung, Adjungirung des Begriffs
des "Nichts" wird die Wirksamkeit obiger Bemerkung für unsre Disziplin nach-
träglich eingeschränkt, sodass nicht alle Urteile in jener typischen Form der Sub-
sumtion ihren angemessenen Ansdruck im Kalkul werden finden können.

Erste Vorlesung.
Eigenart klar zum Bewusstsein gebracht haben, haben wir die Fähig-
keit erworben, sind wir vorbereitet, die wahre Bedeutung der Kopula
„ist“ (oder „sind“) zu erfassen, und uns nach einem geeigneten Be-
ziehungszeichen zur Darstellung derselben umzusehen.

Die Kopula „ist“ wird bald die eine, bald die andere der beiden
Beziehungen ausdrücken, die wir mittelst der Zeichen ⊂ und = dar-
gestellt haben. Zu ihrer Darstellung wird sich darum ein aus den
beiden letzten zusammengesetztes Zeichen ⋹ als ein ohne weiteres,
sozusagen nunmehr von selbst, verständliches und dem Gedächtniss
sich einprägendes vor allen andern empfehlen. Ausführlichst wird
dieses Zeichen als „untergeordnet oder gleich“ zu lesen sein. Und so-
ferne sich herausstellen wird, dass den an unsern Beispielen gemachten
Wahruehmungen allgemeine Gültigkeit zukommt, können wir sagen:

Das kategorische Urteil drückt immer aus, dass das Subjekt (der
Subjektbegriff
) dem Prädikate (Prädikatbegriffe) entweder untergeordnet
oder aber mit ihm identisch sei
. Es wird demnach ursprünglich oder
von hause aus:
SubjektPrädikat
die gemeinsame Form aller kategorischen Urteile sein.*)

Indem wir nachher an dem Leitfaden ihres sprachlichen Aus-
drucks die verschiedenen Arten kategorischer Aussagen möglichst voll-
ständig durchgehen, werden wir in der That sehen, dass sich diese
Behauptung durchaus bewahrheitet, dass die erwähnte Auffassung sich
wenigstens unbeschadet des logischen Gehaltes der betreffenden Urteile
überall anbringen, allgemein durchführen lässt — allerdings nicht
selten bedingt durch eine Abänderung des „psychologischen Gehaltes“
der betreffenden Urteile, sowie auf Kosten der Eleganz ihres sprach-
lichen Ausdruckes, unter Verletzung, mitunter auch, des Sprachgefühles,
in einer Weise, die wol in der That den Eindruck, erkünstelt zu sein,
hervorbringen kann. Lässt aber dadurch sich nur bewirken, dass alle
Urteile in einer gemeinsamen Form erscheinen, und so einer allgemeinen
Behandlung zugänglich werden, so ist durch die Erzielung solch' un-
absehbaren Vorteils doch der gedachte modus procedendi vollauf ge-
rechtfertigt.

Eine Behauptung der Form
10) ab

*) Zufolge der später zu vollziehenden Einfübrung, Adjungirung des Begriffs
des „Nichts“ wird die Wirksamkeit obiger Bemerkung für unsre Disziplin nach-
träglich eingeschränkt, sodass nicht alle Urteile in jener typischen Form der Sub-
sumtion ihren angemessenen Ansdruck im Kalkul werden finden können.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0152" n="132"/><fw place="top" type="header">Erste Vorlesung.</fw><lb/>
Eigenart klar zum Bewusstsein gebracht haben, haben wir die Fähig-<lb/>
keit erworben, sind wir vorbereitet, die wahre <hi rendition="#i">Bedeutung der Kopula</hi><lb/>
&#x201E;ist&#x201C; (oder &#x201E;sind&#x201C;) zu erfassen, und uns nach einem geeigneten Be-<lb/>
ziehungszeichen zur Darstellung derselben umzusehen.</p><lb/>
          <p>Die Kopula &#x201E;ist&#x201C; wird bald die eine, bald die andere der beiden<lb/>
Beziehungen ausdrücken, die wir mittelst der Zeichen &#x2282; und = dar-<lb/>
gestellt haben. Zu ihrer Darstellung wird sich darum ein aus den<lb/>
beiden letzten zusammengesetztes Zeichen &#x22F9; als ein ohne weiteres,<lb/>
sozusagen nunmehr von selbst, verständliches und dem Gedächtniss<lb/>
sich einprägendes vor allen andern empfehlen. Ausführlichst wird<lb/>
dieses Zeichen als &#x201E;<hi rendition="#i">untergeordnet oder gleich</hi>&#x201C; zu lesen sein. Und so-<lb/>
ferne sich herausstellen wird, dass den an unsern Beispielen gemachten<lb/>
Wahruehmungen allgemeine Gültigkeit zukommt, können wir sagen:</p><lb/>
          <p><hi rendition="#i">Das kategorische Urteil drückt immer aus</hi>, <hi rendition="#i">dass das Subjekt</hi> (<hi rendition="#i">der<lb/>
Subjektbegriff</hi>) <hi rendition="#i">dem Prädikate</hi> (<hi rendition="#i">Prädikatbegriffe</hi>) <hi rendition="#i">entweder untergeordnet<lb/>
oder aber mit ihm identisch sei</hi>. Es wird demnach ursprünglich oder<lb/>
von hause aus:<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#i">Subjekt</hi> &#x22F9; <hi rendition="#i">Prädikat</hi></hi><lb/>
die gemeinsame Form aller kategorischen Urteile sein.<note place="foot" n="*)">Zufolge der später zu vollziehenden Einfübrung, Adjungirung des Begriffs<lb/>
des &#x201E;Nichts&#x201C; wird die Wirksamkeit obiger Bemerkung für unsre Disziplin nach-<lb/>
träglich eingeschränkt, sodass nicht alle Urteile in jener typischen Form der Sub-<lb/>
sumtion ihren angemessenen Ansdruck im Kalkul werden finden können.</note></p><lb/>
          <p>Indem wir nachher an dem Leitfaden ihres sprachlichen Aus-<lb/>
drucks die verschiedenen Arten kategorischer Aussagen möglichst voll-<lb/>
ständig durchgehen, werden wir in der That sehen, dass sich diese<lb/>
Behauptung durchaus bewahrheitet, dass die erwähnte Auffassung sich<lb/>
wenigstens <hi rendition="#i">unbeschadet des logischen Gehaltes</hi> der betreffenden Urteile<lb/>
überall anbringen, allgemein durchführen lässt &#x2014; allerdings nicht<lb/>
selten bedingt durch eine Abänderung des &#x201E;psychologischen Gehaltes&#x201C;<lb/>
der betreffenden Urteile, sowie auf Kosten der Eleganz ihres sprach-<lb/>
lichen Ausdruckes, unter Verletzung, mitunter auch, des Sprachgefühles,<lb/>
in einer Weise, die wol in der That den Eindruck, erkünstelt zu sein,<lb/>
hervorbringen kann. Lässt aber dadurch sich nur bewirken, dass alle<lb/>
Urteile in einer gemeinsamen Form erscheinen, und so einer <hi rendition="#i">allgemeinen</hi><lb/>
Behandlung zugänglich werden, so ist durch die Erzielung solch' un-<lb/>
absehbaren Vorteils doch der gedachte modus procedendi vollauf ge-<lb/>
rechtfertigt.</p><lb/>
          <p>Eine Behauptung der Form<lb/>
1<hi rendition="#sup">0</hi>) <hi rendition="#et"><hi rendition="#i">a</hi> &#x22F9; <hi rendition="#i">b</hi></hi><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0152] Erste Vorlesung. Eigenart klar zum Bewusstsein gebracht haben, haben wir die Fähig- keit erworben, sind wir vorbereitet, die wahre Bedeutung der Kopula „ist“ (oder „sind“) zu erfassen, und uns nach einem geeigneten Be- ziehungszeichen zur Darstellung derselben umzusehen. Die Kopula „ist“ wird bald die eine, bald die andere der beiden Beziehungen ausdrücken, die wir mittelst der Zeichen ⊂ und = dar- gestellt haben. Zu ihrer Darstellung wird sich darum ein aus den beiden letzten zusammengesetztes Zeichen ⋹ als ein ohne weiteres, sozusagen nunmehr von selbst, verständliches und dem Gedächtniss sich einprägendes vor allen andern empfehlen. Ausführlichst wird dieses Zeichen als „untergeordnet oder gleich“ zu lesen sein. Und so- ferne sich herausstellen wird, dass den an unsern Beispielen gemachten Wahruehmungen allgemeine Gültigkeit zukommt, können wir sagen: Das kategorische Urteil drückt immer aus, dass das Subjekt (der Subjektbegriff) dem Prädikate (Prädikatbegriffe) entweder untergeordnet oder aber mit ihm identisch sei. Es wird demnach ursprünglich oder von hause aus: Subjekt ⋹ Prädikat die gemeinsame Form aller kategorischen Urteile sein. *) Indem wir nachher an dem Leitfaden ihres sprachlichen Aus- drucks die verschiedenen Arten kategorischer Aussagen möglichst voll- ständig durchgehen, werden wir in der That sehen, dass sich diese Behauptung durchaus bewahrheitet, dass die erwähnte Auffassung sich wenigstens unbeschadet des logischen Gehaltes der betreffenden Urteile überall anbringen, allgemein durchführen lässt — allerdings nicht selten bedingt durch eine Abänderung des „psychologischen Gehaltes“ der betreffenden Urteile, sowie auf Kosten der Eleganz ihres sprach- lichen Ausdruckes, unter Verletzung, mitunter auch, des Sprachgefühles, in einer Weise, die wol in der That den Eindruck, erkünstelt zu sein, hervorbringen kann. Lässt aber dadurch sich nur bewirken, dass alle Urteile in einer gemeinsamen Form erscheinen, und so einer allgemeinen Behandlung zugänglich werden, so ist durch die Erzielung solch' un- absehbaren Vorteils doch der gedachte modus procedendi vollauf ge- rechtfertigt. Eine Behauptung der Form 10) a ⋹ b *) Zufolge der später zu vollziehenden Einfübrung, Adjungirung des Begriffs des „Nichts“ wird die Wirksamkeit obiger Bemerkung für unsre Disziplin nach- träglich eingeschränkt, sodass nicht alle Urteile in jener typischen Form der Sub- sumtion ihren angemessenen Ansdruck im Kalkul werden finden können.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/152
Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/152>, abgerufen am 22.11.2024.