Eigenart klar zum Bewusstsein gebracht haben, haben wir die Fähig- keit erworben, sind wir vorbereitet, die wahre Bedeutung der Kopula "ist" (oder "sind") zu erfassen, und uns nach einem geeigneten Be- ziehungszeichen zur Darstellung derselben umzusehen.
Die Kopula "ist" wird bald die eine, bald die andere der beiden Beziehungen ausdrücken, die wir mittelst der Zeichen und = dar- gestellt haben. Zu ihrer Darstellung wird sich darum ein aus den beiden letzten zusammengesetztes Zeichen als ein ohne weiteres, sozusagen nunmehr von selbst, verständliches und dem Gedächtniss sich einprägendes vor allen andern empfehlen. Ausführlichst wird dieses Zeichen als "untergeordnet oder gleich" zu lesen sein. Und so- ferne sich herausstellen wird, dass den an unsern Beispielen gemachten Wahruehmungen allgemeine Gültigkeit zukommt, können wir sagen:
Das kategorische Urteil drückt immer aus, dass das Subjekt (der Subjektbegriff) dem Prädikate (Prädikatbegriffe) entweder untergeordnet oder aber mit ihm identisch sei. Es wird demnach ursprünglich oder von hause aus: SubjektPrädikat die gemeinsame Form aller kategorischen Urteile sein.*)
Indem wir nachher an dem Leitfaden ihres sprachlichen Aus- drucks die verschiedenen Arten kategorischer Aussagen möglichst voll- ständig durchgehen, werden wir in der That sehen, dass sich diese Behauptung durchaus bewahrheitet, dass die erwähnte Auffassung sich wenigstens unbeschadet des logischen Gehaltes der betreffenden Urteile überall anbringen, allgemein durchführen lässt -- allerdings nicht selten bedingt durch eine Abänderung des "psychologischen Gehaltes" der betreffenden Urteile, sowie auf Kosten der Eleganz ihres sprach- lichen Ausdruckes, unter Verletzung, mitunter auch, des Sprachgefühles, in einer Weise, die wol in der That den Eindruck, erkünstelt zu sein, hervorbringen kann. Lässt aber dadurch sich nur bewirken, dass alle Urteile in einer gemeinsamen Form erscheinen, und so einer allgemeinen Behandlung zugänglich werden, so ist durch die Erzielung solch' un- absehbaren Vorteils doch der gedachte modus procedendi vollauf ge- rechtfertigt.
Eine Behauptung der Form 10) ab
*) Zufolge der später zu vollziehenden Einfübrung, Adjungirung des Begriffs des "Nichts" wird die Wirksamkeit obiger Bemerkung für unsre Disziplin nach- träglich eingeschränkt, sodass nicht alle Urteile in jener typischen Form der Sub- sumtion ihren angemessenen Ansdruck im Kalkul werden finden können.
Erste Vorlesung.
Eigenart klar zum Bewusstsein gebracht haben, haben wir die Fähig- keit erworben, sind wir vorbereitet, die wahre Bedeutung der Kopula „ist“ (oder „sind“) zu erfassen, und uns nach einem geeigneten Be- ziehungszeichen zur Darstellung derselben umzusehen.
Die Kopula „ist“ wird bald die eine, bald die andere der beiden Beziehungen ausdrücken, die wir mittelst der Zeichen ⊂ und = dar- gestellt haben. Zu ihrer Darstellung wird sich darum ein aus den beiden letzten zusammengesetztes Zeichen ⋹ als ein ohne weiteres, sozusagen nunmehr von selbst, verständliches und dem Gedächtniss sich einprägendes vor allen andern empfehlen. Ausführlichst wird dieses Zeichen als „untergeordnet oder gleich“ zu lesen sein. Und so- ferne sich herausstellen wird, dass den an unsern Beispielen gemachten Wahruehmungen allgemeine Gültigkeit zukommt, können wir sagen:
Das kategorische Urteil drückt immer aus, dass das Subjekt (der Subjektbegriff) dem Prädikate (Prädikatbegriffe) entweder untergeordnet oder aber mit ihm identisch sei. Es wird demnach ursprünglich oder von hause aus: Subjekt ⋹ Prädikat die gemeinsame Form aller kategorischen Urteile sein.*)
Indem wir nachher an dem Leitfaden ihres sprachlichen Aus- drucks die verschiedenen Arten kategorischer Aussagen möglichst voll- ständig durchgehen, werden wir in der That sehen, dass sich diese Behauptung durchaus bewahrheitet, dass die erwähnte Auffassung sich wenigstens unbeschadet des logischen Gehaltes der betreffenden Urteile überall anbringen, allgemein durchführen lässt — allerdings nicht selten bedingt durch eine Abänderung des „psychologischen Gehaltes“ der betreffenden Urteile, sowie auf Kosten der Eleganz ihres sprach- lichen Ausdruckes, unter Verletzung, mitunter auch, des Sprachgefühles, in einer Weise, die wol in der That den Eindruck, erkünstelt zu sein, hervorbringen kann. Lässt aber dadurch sich nur bewirken, dass alle Urteile in einer gemeinsamen Form erscheinen, und so einer allgemeinen Behandlung zugänglich werden, so ist durch die Erzielung solch' un- absehbaren Vorteils doch der gedachte modus procedendi vollauf ge- rechtfertigt.
Eine Behauptung der Form 10) a ⋹ b
*) Zufolge der später zu vollziehenden Einfübrung, Adjungirung des Begriffs des „Nichts“ wird die Wirksamkeit obiger Bemerkung für unsre Disziplin nach- träglich eingeschränkt, sodass nicht alle Urteile in jener typischen Form der Sub- sumtion ihren angemessenen Ansdruck im Kalkul werden finden können.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0152"n="132"/><fwplace="top"type="header">Erste Vorlesung.</fw><lb/>
Eigenart klar zum Bewusstsein gebracht haben, haben wir die Fähig-<lb/>
keit erworben, sind wir vorbereitet, die wahre <hirendition="#i">Bedeutung der Kopula</hi><lb/>„ist“ (oder „sind“) zu erfassen, und uns nach einem geeigneten Be-<lb/>
ziehungszeichen zur Darstellung derselben umzusehen.</p><lb/><p>Die Kopula „ist“ wird bald die eine, bald die andere der beiden<lb/>
Beziehungen ausdrücken, die wir mittelst der Zeichen ⊂ und = dar-<lb/>
gestellt haben. Zu ihrer Darstellung wird sich darum ein aus den<lb/>
beiden letzten zusammengesetztes Zeichen ⋹ als ein ohne weiteres,<lb/>
sozusagen nunmehr von selbst, verständliches und dem Gedächtniss<lb/>
sich einprägendes vor allen andern empfehlen. Ausführlichst wird<lb/>
dieses Zeichen als „<hirendition="#i">untergeordnet oder gleich</hi>“ zu lesen sein. Und so-<lb/>
ferne sich herausstellen wird, dass den an unsern Beispielen gemachten<lb/>
Wahruehmungen allgemeine Gültigkeit zukommt, können wir sagen:</p><lb/><p><hirendition="#i">Das kategorische Urteil drückt immer aus</hi>, <hirendition="#i">dass das Subjekt</hi> (<hirendition="#i">der<lb/>
Subjektbegriff</hi>) <hirendition="#i">dem Prädikate</hi> (<hirendition="#i">Prädikatbegriffe</hi>) <hirendition="#i">entweder untergeordnet<lb/>
oder aber mit ihm identisch sei</hi>. Es wird demnach ursprünglich oder<lb/>
von hause aus:<lb/><hirendition="#c"><hirendition="#i">Subjekt</hi>⋹<hirendition="#i">Prädikat</hi></hi><lb/>
die gemeinsame Form aller kategorischen Urteile sein.<noteplace="foot"n="*)">Zufolge der später zu vollziehenden Einfübrung, Adjungirung des Begriffs<lb/>
des „Nichts“ wird die Wirksamkeit obiger Bemerkung für unsre Disziplin nach-<lb/>
träglich eingeschränkt, sodass nicht alle Urteile in jener typischen Form der Sub-<lb/>
sumtion ihren angemessenen Ansdruck im Kalkul werden finden können.</note></p><lb/><p>Indem wir nachher an dem Leitfaden ihres sprachlichen Aus-<lb/>
drucks die verschiedenen Arten kategorischer Aussagen möglichst voll-<lb/>
ständig durchgehen, werden wir in der That sehen, dass sich diese<lb/>
Behauptung durchaus bewahrheitet, dass die erwähnte Auffassung sich<lb/>
wenigstens <hirendition="#i">unbeschadet des logischen Gehaltes</hi> der betreffenden Urteile<lb/>
überall anbringen, allgemein durchführen lässt — allerdings nicht<lb/>
selten bedingt durch eine Abänderung des „psychologischen Gehaltes“<lb/>
der betreffenden Urteile, sowie auf Kosten der Eleganz ihres sprach-<lb/>
lichen Ausdruckes, unter Verletzung, mitunter auch, des Sprachgefühles,<lb/>
in einer Weise, die wol in der That den Eindruck, erkünstelt zu sein,<lb/>
hervorbringen kann. Lässt aber dadurch sich nur bewirken, dass alle<lb/>
Urteile in einer gemeinsamen Form erscheinen, und so einer <hirendition="#i">allgemeinen</hi><lb/>
Behandlung zugänglich werden, so ist durch die Erzielung solch' un-<lb/>
absehbaren Vorteils doch der gedachte modus procedendi vollauf ge-<lb/>
rechtfertigt.</p><lb/><p>Eine Behauptung der Form<lb/>
1<hirendition="#sup">0</hi>) <hirendition="#et"><hirendition="#i">a</hi>⋹<hirendition="#i">b</hi></hi><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[132/0152]
Erste Vorlesung.
Eigenart klar zum Bewusstsein gebracht haben, haben wir die Fähig-
keit erworben, sind wir vorbereitet, die wahre Bedeutung der Kopula
„ist“ (oder „sind“) zu erfassen, und uns nach einem geeigneten Be-
ziehungszeichen zur Darstellung derselben umzusehen.
Die Kopula „ist“ wird bald die eine, bald die andere der beiden
Beziehungen ausdrücken, die wir mittelst der Zeichen ⊂ und = dar-
gestellt haben. Zu ihrer Darstellung wird sich darum ein aus den
beiden letzten zusammengesetztes Zeichen ⋹ als ein ohne weiteres,
sozusagen nunmehr von selbst, verständliches und dem Gedächtniss
sich einprägendes vor allen andern empfehlen. Ausführlichst wird
dieses Zeichen als „untergeordnet oder gleich“ zu lesen sein. Und so-
ferne sich herausstellen wird, dass den an unsern Beispielen gemachten
Wahruehmungen allgemeine Gültigkeit zukommt, können wir sagen:
Das kategorische Urteil drückt immer aus, dass das Subjekt (der
Subjektbegriff) dem Prädikate (Prädikatbegriffe) entweder untergeordnet
oder aber mit ihm identisch sei. Es wird demnach ursprünglich oder
von hause aus:
Subjekt ⋹ Prädikat
die gemeinsame Form aller kategorischen Urteile sein. *)
Indem wir nachher an dem Leitfaden ihres sprachlichen Aus-
drucks die verschiedenen Arten kategorischer Aussagen möglichst voll-
ständig durchgehen, werden wir in der That sehen, dass sich diese
Behauptung durchaus bewahrheitet, dass die erwähnte Auffassung sich
wenigstens unbeschadet des logischen Gehaltes der betreffenden Urteile
überall anbringen, allgemein durchführen lässt — allerdings nicht
selten bedingt durch eine Abänderung des „psychologischen Gehaltes“
der betreffenden Urteile, sowie auf Kosten der Eleganz ihres sprach-
lichen Ausdruckes, unter Verletzung, mitunter auch, des Sprachgefühles,
in einer Weise, die wol in der That den Eindruck, erkünstelt zu sein,
hervorbringen kann. Lässt aber dadurch sich nur bewirken, dass alle
Urteile in einer gemeinsamen Form erscheinen, und so einer allgemeinen
Behandlung zugänglich werden, so ist durch die Erzielung solch' un-
absehbaren Vorteils doch der gedachte modus procedendi vollauf ge-
rechtfertigt.
Eine Behauptung der Form
10) a ⋹ b
*) Zufolge der später zu vollziehenden Einfübrung, Adjungirung des Begriffs
des „Nichts“ wird die Wirksamkeit obiger Bemerkung für unsre Disziplin nach-
träglich eingeschränkt, sodass nicht alle Urteile in jener typischen Form der Sub-
sumtion ihren angemessenen Ansdruck im Kalkul werden finden können.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/152>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.