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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Einleitung.

Die Anlehnung an das Vorbild eines bereits bekannten Kalkuls,
als welcher sich derjenige der arithmetischen vier Spezies naturgemäss
in den Vordergrund drängte, hat allerdings auch seinerseits diesem
ob zwar genialen und bewunderungswürdigen Systeme gewisse Ubel-
stände aufgeprägt, von welchen es jedoch rasch genug durch neuere
Bearbeiter gereinigt worden ist.

m3) Nun aber schien diese neuere Darstellung des gewichtigsten
Inhaltsstoffes der (alten) Logik in einer eigenen Zeichensprache, in
der Form eines Kalkuls, dem Althergebrachten ganz unvermittelt,
schroff gegenüberzustehen. War sie doch auch nicht aus diesem un-
mittelbar herausgewachsen, sondern hatte sozusagen einen selbständigen
Ursprung: Mathematiker zumeist, nicht Berufsphilosophen, hatten sie
aufgebaut.

Kein Wunder, dass dieselbe im andern Lager ungemessenes Be-
fremden*) erregte, verständnissvollem Entgegenkommen oft nicht be-
gegnete, vielmehr manch' abfällige Beurteilung erfuhr, namentlich ab-
seiten Solcher, die überhaupt keinen Kalkul beherrschen.

Zuzugeben ist, dass ein Übergang von dem älteren zum neueren
Systeme grösstenteils fehlte, und berechtigt war wenigstens das Ver-
langen, dass die Grundlagen des Kalkuls aus den Prinzipien der alten
Logik abgeleitet und bewiesen würden -- wohlbemerkt: soferne dieses
möglich ist
-- ein Punkt, auf den ich zurückzukommen habe.

Die vermisste Brücke geschlagen zu haben ist nun das Verdienst
der grundlegenden Arbeit5 in Bd. III des American Journ. des Herrn
Charles S. Peirce, zu welcher ihm, wie er sagt, Betrachtungen von
Augustus de Morgan die Anregung gegeben haben.

Dasjenige vor allem, was uns in dieser Arbeit an Errungenschaften
gesichert ist, desgleichen auch, was alsdann noch -- und zum Teile
unter seiner Leitung -- Herrn Peirce's Schüler hinzugefügt haben,
besonders in1, 1 Miss Ladd und Herr Mitchell -- dieses zunächst
habe ich mich bestrebt, in systematischer Darstellung zu einem wissen-
schaftlichen Systeme zu vereinigen.

Dass mir dabei nicht blos eine reproduzirende Thätigkeit zufiel, sondern
ich auch kritisch und sichtend, lückenergänzend und schliesslich an dem

*) Jenem durch das Vermissen einer Brücke vom Einen zum Andern bedingten
Befremden hat beispielsweise Hermann Lotze1 in der "Anmerkung über logischen
Calcül", durch welche sich die zweite Auflage seiner Logik von der ersten unter-
scheidet, in drastischer Weise Ausdruck gegeben -- vergl. die Schlussworte seiner
"Anmerkung".
Einleitung.

Die Anlehnung an das Vorbild eines bereits bekannten Kalkuls,
als welcher sich derjenige der arithmetischen vier Spezies naturgemäss
in den Vordergrund drängte, hat allerdings auch seinerseits diesem
ob zwar genialen und bewunderungswürdigen Systeme gewisse Ubel-
stände aufgeprägt, von welchen es jedoch rasch genug durch neuere
Bearbeiter gereinigt worden ist.

μ3) Nun aber schien diese neuere Darstellung des gewichtigsten
Inhaltsstoffes der (alten) Logik in einer eigenen Zeichensprache, in
der Form eines Kalkuls, dem Althergebrachten ganz unvermittelt,
schroff gegenüberzustehen. War sie doch auch nicht aus diesem un-
mittelbar herausgewachsen, sondern hatte sozusagen einen selbständigen
Ursprung: Mathematiker zumeist, nicht Berufsphilosophen, hatten sie
aufgebaut.

Kein Wunder, dass dieselbe im andern Lager ungemessenes Be-
fremden*) erregte, verständnissvollem Entgegenkommen oft nicht be-
gegnete, vielmehr manch' abfällige Beurteilung erfuhr, namentlich ab-
seiten Solcher, die überhaupt keinen Kalkul beherrschen.

Zuzugeben ist, dass ein Übergang von dem älteren zum neueren
Systeme grösstenteils fehlte, und berechtigt war wenigstens das Ver-
langen, dass die Grundlagen des Kalkuls aus den Prinzipien der alten
Logik abgeleitet und bewiesen würden — wohlbemerkt: soferne dieses
möglich ist
— ein Punkt, auf den ich zurückzukommen habe.

Die vermisste Brücke geschlagen zu haben ist nun das Verdienst
der grundlegenden Arbeit5 in Bd. III des American Journ. des Herrn
Charles S. Peirce, zu welcher ihm, wie er sagt, Betrachtungen von
Augustus de Morgan die Anregung gegeben haben.

Dasjenige vor allem, was uns in dieser Arbeit an Errungenschaften
gesichert ist, desgleichen auch, was alsdann noch — und zum Teile
unter seiner Leitung — Herrn Peirce's Schüler hinzugefügt haben,
besonders in1, 1 Miss Ladd und Herr Mitchell — dieses zunächst
habe ich mich bestrebt, in systematischer Darstellung zu einem wissen-
schaftlichen Systeme zu vereinigen.

Dass mir dabei nicht blos eine reproduzirende Thätigkeit zufiel, sondern
ich auch kritisch und sichtend, lückenergänzend und schliesslich an dem

*) Jenem durch das Vermissen einer Brücke vom Einen zum Andern bedingten
Befremden hat beispielsweise Hermann Lotze1 in der „Anmerkung über logischen
Calcül“, durch welche sich die zweite Auflage seiner Logik von der ersten unter-
scheidet, in drastischer Weise Ausdruck gegeben — vergl. die Schlussworte seiner
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[120/0140] Einleitung. Die Anlehnung an das Vorbild eines bereits bekannten Kalkuls, als welcher sich derjenige der arithmetischen vier Spezies naturgemäss in den Vordergrund drängte, hat allerdings auch seinerseits diesem ob zwar genialen und bewunderungswürdigen Systeme gewisse Ubel- stände aufgeprägt, von welchen es jedoch rasch genug durch neuere Bearbeiter gereinigt worden ist. μ3) Nun aber schien diese neuere Darstellung des gewichtigsten Inhaltsstoffes der (alten) Logik in einer eigenen Zeichensprache, in der Form eines Kalkuls, dem Althergebrachten ganz unvermittelt, schroff gegenüberzustehen. War sie doch auch nicht aus diesem un- mittelbar herausgewachsen, sondern hatte sozusagen einen selbständigen Ursprung: Mathematiker zumeist, nicht Berufsphilosophen, hatten sie aufgebaut. Kein Wunder, dass dieselbe im andern Lager ungemessenes Be- fremden *) erregte, verständnissvollem Entgegenkommen oft nicht be- gegnete, vielmehr manch' abfällige Beurteilung erfuhr, namentlich ab- seiten Solcher, die überhaupt keinen Kalkul beherrschen. Zuzugeben ist, dass ein Übergang von dem älteren zum neueren Systeme grösstenteils fehlte, und berechtigt war wenigstens das Ver- langen, dass die Grundlagen des Kalkuls aus den Prinzipien der alten Logik abgeleitet und bewiesen würden — wohlbemerkt: soferne dieses möglich ist — ein Punkt, auf den ich zurückzukommen habe. Die vermisste Brücke geschlagen zu haben ist nun das Verdienst der grundlegenden Arbeit5 in Bd. III des American Journ. des Herrn Charles S. Peirce, zu welcher ihm, wie er sagt, Betrachtungen von Augustus de Morgan die Anregung gegeben haben. Dasjenige vor allem, was uns in dieser Arbeit an Errungenschaften gesichert ist, desgleichen auch, was alsdann noch — und zum Teile unter seiner Leitung — Herrn Peirce's Schüler hinzugefügt haben, besonders in1, 1 Miss Ladd und Herr Mitchell — dieses zunächst habe ich mich bestrebt, in systematischer Darstellung zu einem wissen- schaftlichen Systeme zu vereinigen. Dass mir dabei nicht blos eine reproduzirende Thätigkeit zufiel, sondern ich auch kritisch und sichtend, lückenergänzend und schliesslich an dem *) Jenem durch das Vermissen einer Brücke vom Einen zum Andern bedingten Befremden hat beispielsweise Hermann Lotze1 in der „Anmerkung über logischen Calcül“, durch welche sich die zweite Auflage seiner Logik von der ersten unter- scheidet, in drastischer Weise Ausdruck gegeben — vergl. die Schlussworte seiner „Anmerkung“.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/140>, abgerufen am 25.11.2024.