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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Einleitung.
geschlagen. Zufolge dieser Vorzüge ist die rechnerische Behandlung
der Logik in der Lage, mancherlei Lücken der älteren blos verbalen
Behandlungen nachzuweisen und auszufüllen, zuweilen auch Fehler
derselben zu berichtigen, darunter solche von grösserer Tragweite, von
fundamentaler Bedeutung.

Jener enge Anschluss an die Wortsprache hat nämlich für die
älteren Behandlungen der logischen Disziplin erhebliche Gefahren ge-
bracht, denen sie auch grossenteils zum Opfer fielen. Auch die ge-
bildetsten Kultursprachen haben ja als die Produkte einer von zahl-
losen Zufälligkeiten beeinflussten Entwickelung viele und gewichtige
Mängel, bestehend vor allem in der Übereinstimmung der üblichen
sprachlichen Einkleidungsformen für wesentlich verschiedene Gedanken-
beziehungen. Mit der dadurch so oft, ja regelmässig bewirkten Ver-
hüllung des wahren Sachverhältnisses war es nahe gelegt, dieses selbst
zu verkennen, seinen Unterschied von andern, mittelst gleicher Wort-
verbindung ausgedrückten zu übersehen -- wogegen andrerseits an die
Verschiedenheiten zugebote stehender verbaler Ausdrucksformen manch
überflüssige Distinktionen geknüpft werden mochten. Der Zweideutig-
keiten und Unbestimmtheiten zufolge schwankenden Gebrauches, der
unsymmetrischen Einkleidung so vieler symmetrischen Verhältnisse,
sowie der empfindlichen Abwesenheit von angemessen kurzen Ausdrucks-
formen für manche wesentliche und charakteristisch häufig wieder-
kehrende Beziehungen nicht zu gedenken.

Man wird hiefür in dem Buche als solche gekennzeichnete Belege
genugsam finden.

Die rechnerische Behandlung der logischen Materie -- zuerst von
Leibniz1 angeregt, dann auch von Lambert2...5 und Ploucquet1 ver-
folgt, ist in dem grundlegenden Werke "Laws of thought" zum ersten-
mal durch George Boole4 zu einem in seiner Art nahezu voll-
ständigen, auch auf die Lösung von Problemen zugespitzten Systeme
ausgebildet worden.

Nahezu vollständig allerdings nur innerhalb jenes schon erwähnten
Gebietes, welches, von Peirce als die "logic of absolute terms" bezeichnet,
sich weiterhin von selbst schärfer charakterisiren wird. Wie schon an-
gedeutet, beschäftigt sich diese Disziplin nur mit den alleräusserlichsten
logischen Aufgaben, welche auch den Tummelplatz der alten Logik bilden,
sofern diese etwa in der Lehre von den Syllogismen gipfelte. Naturgemäss
muss indess die Erledigung dieser Aufgaben allen feineren Untersuchungen
aus der Logik der Beziehungen überhaupt, es muss der "logic of relatives"
die elementarere Disziplin vorangehen, so wie etwa die Geometrie der
Mechanik und diese der Elasticitätslehre voraufzugehen hat.

Einleitung.
geschlagen. Zufolge dieser Vorzüge ist die rechnerische Behandlung
der Logik in der Lage, mancherlei Lücken der älteren blos verbalen
Behandlungen nachzuweisen und auszufüllen, zuweilen auch Fehler
derselben zu berichtigen, darunter solche von grösserer Tragweite, von
fundamentaler Bedeutung.

Jener enge Anschluss an die Wortsprache hat nämlich für die
älteren Behandlungen der logischen Disziplin erhebliche Gefahren ge-
bracht, denen sie auch grossenteils zum Opfer fielen. Auch die ge-
bildetsten Kultursprachen haben ja als die Produkte einer von zahl-
losen Zufälligkeiten beeinflussten Entwickelung viele und gewichtige
Mängel, bestehend vor allem in der Übereinstimmung der üblichen
sprachlichen Einkleidungsformen für wesentlich verschiedene Gedanken-
beziehungen. Mit der dadurch so oft, ja regelmässig bewirkten Ver-
hüllung des wahren Sachverhältnisses war es nahe gelegt, dieses selbst
zu verkennen, seinen Unterschied von andern, mittelst gleicher Wort-
verbindung ausgedrückten zu übersehen — wogegen andrerseits an die
Verschiedenheiten zugebote stehender verbaler Ausdrucksformen manch
überflüssige Distinktionen geknüpft werden mochten. Der Zweideutig-
keiten und Unbestimmtheiten zufolge schwankenden Gebrauches, der
unsymmetrischen Einkleidung so vieler symmetrischen Verhältnisse,
sowie der empfindlichen Abwesenheit von angemessen kurzen Ausdrucks-
formen für manche wesentliche und charakteristisch häufig wieder-
kehrende Beziehungen nicht zu gedenken.

Man wird hiefür in dem Buche als solche gekennzeichnete Belege
genugsam finden.

Die rechnerische Behandlung der logischen Materie — zuerst von
Leibniz1 angeregt, dann auch von Lambert2…5 und Ploucquet1 ver-
folgt, ist in dem grundlegenden Werke „Laws of thought“ zum ersten-
mal durch George Boole4 zu einem in seiner Art nahezu voll-
ständigen, auch auf die Lösung von Problemen zugespitzten Systeme
ausgebildet worden.

Nahezu vollständig allerdings nur innerhalb jenes schon erwähnten
Gebietes, welches, von Peirce als die „logic of absolute terms“ bezeichnet,
sich weiterhin von selbst schärfer charakterisiren wird. Wie schon an-
gedeutet, beschäftigt sich diese Disziplin nur mit den alleräusserlichsten
logischen Aufgaben, welche auch den Tummelplatz der alten Logik bilden,
sofern diese etwa in der Lehre von den Syllogismen gipfelte. Naturgemäss
muss indess die Erledigung dieser Aufgaben allen feineren Untersuchungen
aus der Logik der Beziehungen überhaupt, es muss der „logic of relatives“
die elementarere Disziplin vorangehen, so wie etwa die Geometrie der
Mechanik und diese der Elasticitätslehre voraufzugehen hat.

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[119/0139] Einleitung. geschlagen. Zufolge dieser Vorzüge ist die rechnerische Behandlung der Logik in der Lage, mancherlei Lücken der älteren blos verbalen Behandlungen nachzuweisen und auszufüllen, zuweilen auch Fehler derselben zu berichtigen, darunter solche von grösserer Tragweite, von fundamentaler Bedeutung. Jener enge Anschluss an die Wortsprache hat nämlich für die älteren Behandlungen der logischen Disziplin erhebliche Gefahren ge- bracht, denen sie auch grossenteils zum Opfer fielen. Auch die ge- bildetsten Kultursprachen haben ja als die Produkte einer von zahl- losen Zufälligkeiten beeinflussten Entwickelung viele und gewichtige Mängel, bestehend vor allem in der Übereinstimmung der üblichen sprachlichen Einkleidungsformen für wesentlich verschiedene Gedanken- beziehungen. Mit der dadurch so oft, ja regelmässig bewirkten Ver- hüllung des wahren Sachverhältnisses war es nahe gelegt, dieses selbst zu verkennen, seinen Unterschied von andern, mittelst gleicher Wort- verbindung ausgedrückten zu übersehen — wogegen andrerseits an die Verschiedenheiten zugebote stehender verbaler Ausdrucksformen manch überflüssige Distinktionen geknüpft werden mochten. Der Zweideutig- keiten und Unbestimmtheiten zufolge schwankenden Gebrauches, der unsymmetrischen Einkleidung so vieler symmetrischen Verhältnisse, sowie der empfindlichen Abwesenheit von angemessen kurzen Ausdrucks- formen für manche wesentliche und charakteristisch häufig wieder- kehrende Beziehungen nicht zu gedenken. Man wird hiefür in dem Buche als solche gekennzeichnete Belege genugsam finden. Die rechnerische Behandlung der logischen Materie — zuerst von Leibniz1 angeregt, dann auch von Lambert2…5 und Ploucquet1 ver- folgt, ist in dem grundlegenden Werke „Laws of thought“ zum ersten- mal durch George Boole4 zu einem in seiner Art nahezu voll- ständigen, auch auf die Lösung von Problemen zugespitzten Systeme ausgebildet worden. Nahezu vollständig allerdings nur innerhalb jenes schon erwähnten Gebietes, welches, von Peirce als die „logic of absolute terms“ bezeichnet, sich weiterhin von selbst schärfer charakterisiren wird. Wie schon an- gedeutet, beschäftigt sich diese Disziplin nur mit den alleräusserlichsten logischen Aufgaben, welche auch den Tummelplatz der alten Logik bilden, sofern diese etwa in der Lehre von den Syllogismen gipfelte. Naturgemäss muss indess die Erledigung dieser Aufgaben allen feineren Untersuchungen aus der Logik der Beziehungen überhaupt, es muss der „logic of relatives“ die elementarere Disziplin vorangehen, so wie etwa die Geometrie der Mechanik und diese der Elasticitätslehre voraufzugehen hat.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/139>, abgerufen am 25.11.2024.