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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Einleitung.

Die Forschung besteht darauf (maintains), dass dies der Fall ist,
nämlich dass sie alle hinsteuern auf ein Endziel (gerichtet, angepasst
sind, are .. adapted to an end), nämlich das: den Glauben mit der
Zeit gewissen vorbestimmten Erkenntnissen entgegenzuführen (that of
carrying belief, in the long run, toward certain predestinate conclu-
sions), welche die nämlichen sind für alle Menschen und welche bleiben.

Dies ist der "Glaube" (the faith) des Forschers.

Auf dieser stillschweigend angenommenen Thatsache beruhen alle
Maximen des Überlegens (maxims of reasoning) und auf Grund der-
selben wird das, was zuletzt geglaubt werden muss, unabhängig sein
von dem, was bisher geglaubt worden ist, und wird den Charakter der
Wahrheit (reality) haben.

Kommt diese Wahrheit auch für den Einzelnen vielfach noch nicht
zum Durchbruch, so wird sie doch (mehr und mehr auf jedem Gebiete)
einst ihre Herrschaft entfalten für das Geschlecht. Der Glaube an ihre
Erkennbarkeit, an ihren endlichen und definitiven (endgültigen) Sieg oder
Triumph, liegt ganz gewiss der Forschung zugrunde und an der Verwirk-
lichung dieses Ideals mitzuarbeiten schwebt jedem Forscher vor.

Diesen Glauben nimmt nun Peirce auch für den Logiker in Anspruch
(dem Wortlaute nach sogar nur für diesen) und sagt:

Wenn darum eine gegebene Gewohnheit des Folgerns (a given
habit, considered as determining an inference) von solcher Art ist,
dass sie auf das gemeinsame Endziel hinwirkt (is of such a sort, as
to tend toward the final result), so ist sie korrekt und andernfalles
nicht. So zerfallen die Schlussfolgerungen (inferences become divisible)
in gültige (the valid) und in ungültige (the invalid), und daraus schöpft
die Logik ihre Existenzberechtigung.

Man sieht, dass hier Peirce dem Ergebnisse der Erkenntnisstheorie
sozusagen teleologisch vorgreift.

Da nun diese Auffassung der Folgerichtigkeit die Ergänzung, deren
sie bedürftig erscheint, durch Sigwart bereits gefunden hat -- vergl.
unter A der Einleitung die Absätze b) und x ... i) -- so glauben wir der
Auseinandersetzung nach dieser Richtung nichts mehr hinzufügen zu sollen.

i3) Das Eigentümliche und Verdienstliche an dieser den Kern der
Sache jedenfalls nahe streifenden Auseinandersetzung von Peirce
scheint mir zu sein: die nachdrückliche Hervorhebung des Moments
der Gewohnheit in Bezug auf das Urteilen (mit Überzeugung, das
Glauben) sowol, wie auf das Folgern oder Schliessen.

Ein spezielles, individuelles Handeln kann niemals selbst als eine
Gewohnheit bezeichnet werden; es kann, als ein einmaliges, höchstens
zum Ausgangspunkt für eine solche werden oder ein Ausfluss einer

Einleitung.

Die Forschung besteht darauf (maintains), dass dies der Fall ist,
nämlich dass sie alle hinsteuern auf ein Endziel (gerichtet, angepasst
sind, are ‥ adapted to an end), nämlich das: den Glauben mit der
Zeit gewissen vorbestimmten Erkenntnissen entgegenzuführen (that of
carrying belief, in the long run, toward certain predestinate conclu-
sions), welche die nämlichen sind für alle Menschen und welche bleiben.

Dies ist der „Glaube“ (the faith) des Forschers.

Auf dieser stillschweigend angenommenen Thatsache beruhen alle
Maximen des Überlegens (maxims of reasoning) und auf Grund der-
selben wird das, was zuletzt geglaubt werden muss, unabhängig sein
von dem, was bisher geglaubt worden ist, und wird den Charakter der
Wahrheit (reality) haben.

Kommt diese Wahrheit auch für den Einzelnen vielfach noch nicht
zum Durchbruch, so wird sie doch (mehr und mehr auf jedem Gebiete)
einst ihre Herrschaft entfalten für das Geschlecht. Der Glaube an ihre
Erkennbarkeit, an ihren endlichen und definitiven (endgültigen) Sieg oder
Triumph, liegt ganz gewiss der Forschung zugrunde und an der Verwirk-
lichung dieses Ideals mitzuarbeiten schwebt jedem Forscher vor.

Diesen Glauben nimmt nun Peirce auch für den Logiker in Anspruch
(dem Wortlaute nach sogar nur für diesen) und sagt:

Wenn darum eine gegebene Gewohnheit des Folgerns (a given
habit, considered as determining an inference) von solcher Art ist,
dass sie auf das gemeinsame Endziel hinwirkt (is of such a sort, as
to tend toward the final result), so ist sie korrekt und andernfalles
nicht. So zerfallen die Schlussfolgerungen (inferences become divisible)
in gültige (the valid) und in ungültige (the invalid), und daraus schöpft
die Logik ihre Existenzberechtigung.

Man sieht, dass hier Peirce dem Ergebnisse der Erkenntnisstheorie
sozusagen teleologisch vorgreift.

Da nun diese Auffassung der Folgerichtigkeit die Ergänzung, deren
sie bedürftig erscheint, durch Sigwart bereits gefunden hat — vergl.
unter A der Einleitung die Absätze β) und ξι) — so glauben wir der
Auseinandersetzung nach dieser Richtung nichts mehr hinzufügen zu sollen.

ι3) Das Eigentümliche und Verdienstliche an dieser den Kern der
Sache jedenfalls nahe streifenden Auseinandersetzung von Peirce
scheint mir zu sein: die nachdrückliche Hervorhebung des Moments
der Gewohnheit in Bezug auf das Urteilen (mit Überzeugung, das
Glauben) sowol, wie auf das Folgern oder Schliessen.

Ein spezielles, individuelles Handeln kann niemals selbst als eine
Gewohnheit bezeichnet werden; es kann, als ein einmaliges, höchstens
zum Ausgangspunkt für eine solche werden oder ein Ausfluss einer

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[112/0132] Einleitung. Die Forschung besteht darauf (maintains), dass dies der Fall ist, nämlich dass sie alle hinsteuern auf ein Endziel (gerichtet, angepasst sind, are ‥ adapted to an end), nämlich das: den Glauben mit der Zeit gewissen vorbestimmten Erkenntnissen entgegenzuführen (that of carrying belief, in the long run, toward certain predestinate conclu- sions), welche die nämlichen sind für alle Menschen und welche bleiben. Dies ist der „Glaube“ (the faith) des Forschers. Auf dieser stillschweigend angenommenen Thatsache beruhen alle Maximen des Überlegens (maxims of reasoning) und auf Grund der- selben wird das, was zuletzt geglaubt werden muss, unabhängig sein von dem, was bisher geglaubt worden ist, und wird den Charakter der Wahrheit (reality) haben. Kommt diese Wahrheit auch für den Einzelnen vielfach noch nicht zum Durchbruch, so wird sie doch (mehr und mehr auf jedem Gebiete) einst ihre Herrschaft entfalten für das Geschlecht. Der Glaube an ihre Erkennbarkeit, an ihren endlichen und definitiven (endgültigen) Sieg oder Triumph, liegt ganz gewiss der Forschung zugrunde und an der Verwirk- lichung dieses Ideals mitzuarbeiten schwebt jedem Forscher vor. Diesen Glauben nimmt nun Peirce auch für den Logiker in Anspruch (dem Wortlaute nach sogar nur für diesen) und sagt: Wenn darum eine gegebene Gewohnheit des Folgerns (a given habit, considered as determining an inference) von solcher Art ist, dass sie auf das gemeinsame Endziel hinwirkt (is of such a sort, as to tend toward the final result), so ist sie korrekt und andernfalles nicht. So zerfallen die Schlussfolgerungen (inferences become divisible) in gültige (the valid) und in ungültige (the invalid), und daraus schöpft die Logik ihre Existenzberechtigung. Man sieht, dass hier Peirce dem Ergebnisse der Erkenntnisstheorie sozusagen teleologisch vorgreift. Da nun diese Auffassung der Folgerichtigkeit die Ergänzung, deren sie bedürftig erscheint, durch Sigwart bereits gefunden hat — vergl. unter A der Einleitung die Absätze β) und ξ … ι) — so glauben wir der Auseinandersetzung nach dieser Richtung nichts mehr hinzufügen zu sollen. ι3) Das Eigentümliche und Verdienstliche an dieser den Kern der Sache jedenfalls nahe streifenden Auseinandersetzung von Peirce scheint mir zu sein: die nachdrückliche Hervorhebung des Moments der Gewohnheit in Bezug auf das Urteilen (mit Überzeugung, das Glauben) sowol, wie auf das Folgern oder Schliessen. Ein spezielles, individuelles Handeln kann niemals selbst als eine Gewohnheit bezeichnet werden; es kann, als ein einmaliges, höchstens zum Ausgangspunkt für eine solche werden oder ein Ausfluss einer

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/132>, abgerufen am 26.11.2024.