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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Einleitung.
haben; und hier scheinen mir zunächst die jahrtausendlangen Be-
mühungen, von der Betrachtung des Begriffsinhaltes aus die Logik in
ein gesund fortschreitendes Wachstum zu bringen, gescheitert.

Schlagender dürfte dies kaum zu konstatiren sein, als es von einem
der heftigsten Gegner der Umfangslogik selbst geschieht, nämlich von
Prantl, indem dieser in der Vorrede zum 4ten Bande seines Riesenwerkes1
als den Hauptgewinn seiner eingehenden Studien über die Logik-Erzeugnisse
von mehrern der neueren und neuesten Jahrhunderte mit drastischen Worten
den hinstellt, dass Andere all' den Wust nun nicht mehr durchzulesen
brauchen! Sollte da die Disziplin nicht fortgesetzt doch auf dem Holzwege
gewesen sein?

d3) Ich möchte hiernächst noch einem Vorurteile entgegentreten,
welches der Aufstellung einer "Logik des Umfanges" entgegensteht.

Es ist besonders in Deutschland bei geistreichen Philosophen
Mode geworden -- und neuerdings in verstärktem Maasse*) -- die
Versinnlichung von Begriffsumfängen durch die Euler'schen Kreise
(vergl. § 3) eine dürre oder öde zu nennen, überhaupt von der Be-
trachtung der Umfangsverhältnisse als von etwas Trockenem, Lang-
weiligen
oder Unfruchtbaren mit einer gewissen Geringschätzung zu
sprechen, und vollends einen auf diese Betrachtung gegründeten Kalkul
als einen toten Formalismus oder leeren Schematismus zu qualifiziren,
solchen von vornherein zu verdammen.

Die Frage, ob dem wirklich so ist, scheint mir von ganz kapi-
taler Bedeutung zu sein und es besonders im Interesse der deutschen
Philosophie zu liegen, dass derselben auf den Grund gegangen werde.

Bei dem Versuche, dies zu thun, wende ich mich nicht an Diejenigen,
die (vielleicht mehr oder minder bewusst) solche Äusserungen im Grunde
blos als einen Deckmantel, eine scheinbare Rechtfertigung für ihre Bequem-
lichkeit benutzen, zufolge deren sie die Mühe scheuen, welche es unver-
meidlich kostet, in den Geist einer konsequent aufgebauten, exakten Wissen-
schaft einzudringen, die Herrschaft über einen Kalkul sich zu erringen.
Diese würden, weil ihnen die Überzeugung unwillkommen, auch schwerlich
zu überzeugen sein.

Denjenigen aber, die unbeeinflusst von solch' persönlichem Motive auf-
richtig meinen, dass die Sache sich also verhalte, möchte ich folgende Be-
trachtung nahe legen.

Bringen wir uns einmal zum Bewusstsein, was denn eigentlich

*) Es würden sich eine Menge Citate beibringen lassen; ich halte mich aber
durch das "nomina sunt odiosa" gerechtfertigt, wenn ich möglichst davon ab-
stehe, solche Beispiele anzuführen, die vielleicht als eine persönliche Invektive
aufgefasst werden könnten.
Selbstverständlich indess sind zu obigem auch erfreuliche Ausnahmen zu
koustatiren.

Einleitung.
haben; und hier scheinen mir zunächst die jahrtausendlangen Be-
mühungen, von der Betrachtung des Begriffsinhaltes aus die Logik in
ein gesund fortschreitendes Wachstum zu bringen, gescheitert.

Schlagender dürfte dies kaum zu konstatiren sein, als es von einem
der heftigsten Gegner der Umfangslogik selbst geschieht, nämlich von
Prantl, indem dieser in der Vorrede zum 4ten Bande seines Riesenwerkes1
als den Hauptgewinn seiner eingehenden Studien über die Logik-Erzeugnisse
von mehrern der neueren und neuesten Jahrhunderte mit drastischen Worten
den hinstellt, dass Andere all' den Wust nun nicht mehr durchzulesen
brauchen! Sollte da die Disziplin nicht fortgesetzt doch auf dem Holzwege
gewesen sein?

δ3) Ich möchte hiernächst noch einem Vorurteile entgegentreten,
welches der Aufstellung einer „Logik des Umfanges“ entgegensteht.

Es ist besonders in Deutschland bei geistreichen Philosophen
Mode geworden — und neuerdings in verstärktem Maasse*) — die
Versinnlichung von Begriffsumfängen durch die Euler'schen Kreise
(vergl. § 3) eine dürre oder öde zu nennen, überhaupt von der Be-
trachtung der Umfangsverhältnisse als von etwas Trockenem, Lang-
weiligen
oder Unfruchtbaren mit einer gewissen Geringschätzung zu
sprechen, und vollends einen auf diese Betrachtung gegründeten Kalkul
als einen toten Formalismus oder leeren Schematismus zu qualifiziren,
solchen von vornherein zu verdammen.

Die Frage, ob dem wirklich so ist, scheint mir von ganz kapi-
taler Bedeutung zu sein und es besonders im Interesse der deutschen
Philosophie zu liegen, dass derselben auf den Grund gegangen werde.

Bei dem Versuche, dies zu thun, wende ich mich nicht an Diejenigen,
die (vielleicht mehr oder minder bewusst) solche Äusserungen im Grunde
blos als einen Deckmantel, eine scheinbare Rechtfertigung für ihre Bequem-
lichkeit benutzen, zufolge deren sie die Mühe scheuen, welche es unver-
meidlich kostet, in den Geist einer konsequent aufgebauten, exakten Wissen-
schaft einzudringen, die Herrschaft über einen Kalkul sich zu erringen.
Diese würden, weil ihnen die Überzeugung unwillkommen, auch schwerlich
zu überzeugen sein.

Denjenigen aber, die unbeeinflusst von solch' persönlichem Motive auf-
richtig meinen, dass die Sache sich also verhalte, möchte ich folgende Be-
trachtung nahe legen.

Bringen wir uns einmal zum Bewusstsein, was denn eigentlich

*) Es würden sich eine Menge Citate beibringen lassen; ich halte mich aber
durch das „nomina sunt odiosa“ gerechtfertigt, wenn ich möglichst davon ab-
stehe, solche Beispiele anzuführen, die vielleicht als eine persönliche Invektive
aufgefasst werden könnten.
Selbstverständlich indess sind zu obigem auch erfreuliche Ausnahmen zu
koustatiren.
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[101/0121] Einleitung. haben; und hier scheinen mir zunächst die jahrtausendlangen Be- mühungen, von der Betrachtung des Begriffsinhaltes aus die Logik in ein gesund fortschreitendes Wachstum zu bringen, gescheitert. Schlagender dürfte dies kaum zu konstatiren sein, als es von einem der heftigsten Gegner der Umfangslogik selbst geschieht, nämlich von Prantl, indem dieser in der Vorrede zum 4ten Bande seines Riesenwerkes1 als den Hauptgewinn seiner eingehenden Studien über die Logik-Erzeugnisse von mehrern der neueren und neuesten Jahrhunderte mit drastischen Worten den hinstellt, dass Andere all' den Wust nun nicht mehr durchzulesen brauchen! Sollte da die Disziplin nicht fortgesetzt doch auf dem Holzwege gewesen sein? δ3) Ich möchte hiernächst noch einem Vorurteile entgegentreten, welches der Aufstellung einer „Logik des Umfanges“ entgegensteht. Es ist besonders in Deutschland bei geistreichen Philosophen Mode geworden — und neuerdings in verstärktem Maasse *) — die Versinnlichung von Begriffsumfängen durch die Euler'schen Kreise (vergl. § 3) eine dürre oder öde zu nennen, überhaupt von der Be- trachtung der Umfangsverhältnisse als von etwas Trockenem, Lang- weiligen oder Unfruchtbaren mit einer gewissen Geringschätzung zu sprechen, und vollends einen auf diese Betrachtung gegründeten Kalkul als einen toten Formalismus oder leeren Schematismus zu qualifiziren, solchen von vornherein zu verdammen. Die Frage, ob dem wirklich so ist, scheint mir von ganz kapi- taler Bedeutung zu sein und es besonders im Interesse der deutschen Philosophie zu liegen, dass derselben auf den Grund gegangen werde. Bei dem Versuche, dies zu thun, wende ich mich nicht an Diejenigen, die (vielleicht mehr oder minder bewusst) solche Äusserungen im Grunde blos als einen Deckmantel, eine scheinbare Rechtfertigung für ihre Bequem- lichkeit benutzen, zufolge deren sie die Mühe scheuen, welche es unver- meidlich kostet, in den Geist einer konsequent aufgebauten, exakten Wissen- schaft einzudringen, die Herrschaft über einen Kalkul sich zu erringen. Diese würden, weil ihnen die Überzeugung unwillkommen, auch schwerlich zu überzeugen sein. Denjenigen aber, die unbeeinflusst von solch' persönlichem Motive auf- richtig meinen, dass die Sache sich also verhalte, möchte ich folgende Be- trachtung nahe legen. Bringen wir uns einmal zum Bewusstsein, was denn eigentlich *) Es würden sich eine Menge Citate beibringen lassen; ich halte mich aber durch das „nomina sunt odiosa“ gerechtfertigt, wenn ich möglichst davon ab- stehe, solche Beispiele anzuführen, die vielleicht als eine persönliche Invektive aufgefasst werden könnten. Selbstverständlich indess sind zu obigem auch erfreuliche Ausnahmen zu koustatiren.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/121>, abgerufen am 27.11.2024.