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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Einleitung.
Anspruch darauf, mit ihren Gesetzen unser ganzes Denken zu um-
fassen, oder die erforderliche Allgemeinheit zu besitzen.

Übrigens steht es auch gar nicht so schlimm um die Einseitig-
keit eines Studiums der blossen Begriffsumfänge (ohne Rücksicht auf
den Inhalt der zugehörigen Begriffe) -- aus dem Grunde, weil sich
zeigen wird, dass bestimmten Umfangsverhältnissen der Begriffe (wo
solche vorhanden) allemal die "umgekehrten" Verhältnisse zwischen
ihren Inhalten parallel gehen, z. B. einer Überordnung hier eine Unter-
ordnung dort.

Es wird also das eine zwar unbehelligt vom andern dennoch
grossenteils zugleich mit ihm erledigt. Und die Frage: ob Logik des
Inhalts oder des Umfangs? müsste darnach sogar für irrelevant er-
klärt werden, hätte sich nicht jene durch die Anforderung, u. a. immer
nur begrifflich bestimmte Subjektklassen zu bilden, ganz übermässig
eingeschränkt gesehen, und wäre sie nicht in Reaktion gegen solche
Einengung notgedrungen allemal über ihre Grenzen hinaus getreten,
und -- inkonsequent geworden! [Konsequenterweise könnte z. B. die
Logik des Inhalts partikulare Urteile überhaupt nicht bilden -- es
sei denn als identische oder "nichtssagende" Urteile -- vergl. die Aus-
führungen am Schlusse des § 44.]

Was eine "Klasse" ist, scheint auch viel leichter zu begreifen, als
der Komplex der psychologischen Motive, welche zu ihrer Aufstellung
Veranlassung bieten könnten. Stellte man letztere, d. i. eben den "In-
halt" des zugeordneten Begriffes (falls anerkannt werden mag, dass
es einen solchen gibt) in den Vordergrund der Betrachtung und be-
gänne, dergleichen Motive selbst aufzuzählen, so vermöchte niemand
vorab zu ersehen, ob nicht die Wissenschaft noch ganz andere Motive
zur Klassenbildung dereinst aufdrängen wird, als diejenigen sind, die
man heutzutage als einen regelrechten Begriff konstituirend gelten
lassen will. Wie schon unter v2) angedeutet und in Einstimmung mit
Dedekind1 pag. 2, Fussnote können wir es nicht als berechtigt an-
erkennen, dass man der Freiheit der Begriffsbildung irgend welche
Schranken von vornherein auferlege.

Gerade indem sie die Klasse als eine möglicherweise auch ganz
willkürlich zusammengesetzte -- um nicht zu sagen "zusammengewür-
felte" -- in's Auge fasst, wird die Logik der Klassen, unter denen von
selbst auch die Umfänge aller Begriffe mit figuriren, eine wesentlich
höhere Allgemeinheit erzielen als jede Logik, welche von vornherein
nur von den Inhalten der Begriffe handeln will.

Das letzte Wort über die Frage dürfte der Erfolg zu sprechen

Einleitung.
Anspruch darauf, mit ihren Gesetzen unser ganzes Denken zu um-
fassen, oder die erforderliche Allgemeinheit zu besitzen.

Übrigens steht es auch gar nicht so schlimm um die Einseitig-
keit eines Studiums der blossen Begriffsumfänge (ohne Rücksicht auf
den Inhalt der zugehörigen Begriffe) — aus dem Grunde, weil sich
zeigen wird, dass bestimmten Umfangsverhältnissen der Begriffe (wo
solche vorhanden) allemal die „umgekehrten“ Verhältnisse zwischen
ihren Inhalten parallel gehen, z. B. einer Überordnung hier eine Unter-
ordnung dort.

Es wird also das eine zwar unbehelligt vom andern dennoch
grossenteils zugleich mit ihm erledigt. Und die Frage: ob Logik des
Inhalts oder des Umfangs? müsste darnach sogar für irrelevant er-
klärt werden, hätte sich nicht jene durch die Anforderung, u. a. immer
nur begrifflich bestimmte Subjektklassen zu bilden, ganz übermässig
eingeschränkt gesehen, und wäre sie nicht in Reaktion gegen solche
Einengung notgedrungen allemal über ihre Grenzen hinaus getreten,
und — inkonsequent geworden! [Konsequenterweise könnte z. B. die
Logik des Inhalts partikulare Urteile überhaupt nicht bilden — es
sei denn als identische oder „nichtssagende“ Urteile — vergl. die Aus-
führungen am Schlusse des § 44.]

Was eine „Klasse“ ist, scheint auch viel leichter zu begreifen, als
der Komplex der psychologischen Motive, welche zu ihrer Aufstellung
Veranlassung bieten könnten. Stellte man letztere, d. i. eben den „In-
halt“ des zugeordneten Begriffes (falls anerkannt werden mag, dass
es einen solchen gibt) in den Vordergrund der Betrachtung und be-
gänne, dergleichen Motive selbst aufzuzählen, so vermöchte niemand
vorab zu ersehen, ob nicht die Wissenschaft noch ganz andere Motive
zur Klassenbildung dereinst aufdrängen wird, als diejenigen sind, die
man heutzutage als einen regelrechten Begriff konstituirend gelten
lassen will. Wie schon unter v2) angedeutet und in Einstimmung mit
Dedekind1 pag. 2, Fussnote können wir es nicht als berechtigt an-
erkennen, dass man der Freiheit der Begriffsbildung irgend welche
Schranken von vornherein auferlege.

Gerade indem sie die Klasse als eine möglicherweise auch ganz
willkürlich zusammengesetzte — um nicht zu sagen „zusammengewür-
felte“ — in's Auge fasst, wird die Logik der Klassen, unter denen von
selbst auch die Umfänge aller Begriffe mit figuriren, eine wesentlich
höhere Allgemeinheit erzielen als jede Logik, welche von vornherein
nur von den Inhalten der Begriffe handeln will.

Das letzte Wort über die Frage dürfte der Erfolg zu sprechen

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[100/0120] Einleitung. Anspruch darauf, mit ihren Gesetzen unser ganzes Denken zu um- fassen, oder die erforderliche Allgemeinheit zu besitzen. Übrigens steht es auch gar nicht so schlimm um die Einseitig- keit eines Studiums der blossen Begriffsumfänge (ohne Rücksicht auf den Inhalt der zugehörigen Begriffe) — aus dem Grunde, weil sich zeigen wird, dass bestimmten Umfangsverhältnissen der Begriffe (wo solche vorhanden) allemal die „umgekehrten“ Verhältnisse zwischen ihren Inhalten parallel gehen, z. B. einer Überordnung hier eine Unter- ordnung dort. Es wird also das eine zwar unbehelligt vom andern dennoch grossenteils zugleich mit ihm erledigt. Und die Frage: ob Logik des Inhalts oder des Umfangs? müsste darnach sogar für irrelevant er- klärt werden, hätte sich nicht jene durch die Anforderung, u. a. immer nur begrifflich bestimmte Subjektklassen zu bilden, ganz übermässig eingeschränkt gesehen, und wäre sie nicht in Reaktion gegen solche Einengung notgedrungen allemal über ihre Grenzen hinaus getreten, und — inkonsequent geworden! [Konsequenterweise könnte z. B. die Logik des Inhalts partikulare Urteile überhaupt nicht bilden — es sei denn als identische oder „nichtssagende“ Urteile — vergl. die Aus- führungen am Schlusse des § 44.] Was eine „Klasse“ ist, scheint auch viel leichter zu begreifen, als der Komplex der psychologischen Motive, welche zu ihrer Aufstellung Veranlassung bieten könnten. Stellte man letztere, d. i. eben den „In- halt“ des zugeordneten Begriffes (falls anerkannt werden mag, dass es einen solchen gibt) in den Vordergrund der Betrachtung und be- gänne, dergleichen Motive selbst aufzuzählen, so vermöchte niemand vorab zu ersehen, ob nicht die Wissenschaft noch ganz andere Motive zur Klassenbildung dereinst aufdrängen wird, als diejenigen sind, die man heutzutage als einen regelrechten Begriff konstituirend gelten lassen will. Wie schon unter v2) angedeutet und in Einstimmung mit Dedekind1 pag. 2, Fussnote können wir es nicht als berechtigt an- erkennen, dass man der Freiheit der Begriffsbildung irgend welche Schranken von vornherein auferlege. Gerade indem sie die Klasse als eine möglicherweise auch ganz willkürlich zusammengesetzte — um nicht zu sagen „zusammengewür- felte“ — in's Auge fasst, wird die Logik der Klassen, unter denen von selbst auch die Umfänge aller Begriffe mit figuriren, eine wesentlich höhere Allgemeinheit erzielen als jede Logik, welche von vornherein nur von den Inhalten der Begriffe handeln will. Das letzte Wort über die Frage dürfte der Erfolg zu sprechen

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/120>, abgerufen am 27.11.2024.