fortschreitende Erkenntniss bedingten Zuwachses) verknüpfen. Zur Auf- stellung aller ferneren Begriffe von unbegrenzt allgemeiner Anwend- barkeit steht uns dann, wie gezeigt, nur das Mittel der Definition zur Verfügung, bei dessen Anwendung allemal die Logik schon voraus- gesetzt werden musste.
Dieser Umstand legt mir erstmalig eine Bemerkung nahe, für die ich noch anderweitige und ausschlaggebende Gründe in's Feld zu führen haben werde. Schon im Hinblick darauf scheint mir nämlich das Be- streben: die Logik selbst als eine Logik des Begriffsinhaltes darzu- stellen, wie es seit Jahrtausenden vorwiegend zu verwirklichen gesucht worden, ein Hysteron-proteron zu sein; es wird damit, wie mich dünkt, das unterste zu oberst gekehrt, genauer: das oberste zu unterst.
Es würde mir bedauerlich erscheinen, es würde ja zu einem Zirkel nötigen, wenn die Grundgesetze folgerichtigen Denkens sich nicht darlegen liessen, ohne diesen subtilsten und schwierigsten Teil der Logik, wenn man will auch den höchsten, schon vorauszusetzen, als welcher die Lehre von den Inhalten der Begriffe (den Endzielen der Wissenschaft überhaupt) scheint hingestellt werden zu müssen.
In der That aber zeigt schon in ihrer bisherigen Entwickelung -- wie F. A. Lange1 pag. 147 hervorhebt -- die Logik eine zunehmende Tendenz, von einer Lehre des Inhalts eine solche des Umfangs zu werden. Der letztern, deren konsequente Durchführung von diesem scharfsinnigen Autor bislang vermisst wird, weissagt derselbe eine "Zukunft" -- mit reicher Entfaltung.
Wir versuchen hier, die Verwirklichung dieser Voraussagung mit an- zubahnen. Wenn wir auch die verschiedenen Seiten der Frage noch ein- gehend beleuchten werden, so sei es doch hier schon ausgesprochen, dass wir die Logik als Lehre von den Urteilen und Schlüssen rein nur als eine "Logik des Umfanges" darstellen werden -- desgleichen zunächst auch die Lehre von den Begriffen. Damit glauben wir auch den leichtesten Weg einzuschlagen, auf welchem sich mit gegebenen Kräften am weitesten wird kommen lassen.
ps2) Auch das individuelle oder Einzelding wird als "Begriff" mit zugelassen; es ist der Komplex aller seiner Merkmale, durch deren eigenartige Verbindung miteinander es sich von allen andern Objekten des Denkens unterscheidet und so als ein vollkommen bestimmtes sich darstellt. In ihm und mit ihm selbst fällt Inhalt und Umfang seines Begriffes in eins zusammen.
Durch diese Einziehung des Einzeldinges unter die (bisher nur als "allgemeine" betrachteten) "Begriffe" erweitern wir die Auffassung, die wir mit dem Worte "Begriff" verbinden. Wir geben damit kund, dass uns als das Charakteristische beim Begriffe (als das Wesen vom Begriff des Begriffes) nur eben das erscheint, dass unter seinem Namen
Einleitung.
fortschreitende Erkenntniss bedingten Zuwachses) verknüpfen. Zur Auf- stellung aller ferneren Begriffe von unbegrenzt allgemeiner Anwend- barkeit steht uns dann, wie gezeigt, nur das Mittel der Definition zur Verfügung, bei dessen Anwendung allemal die Logik schon voraus- gesetzt werden musste.
Dieser Umstand legt mir erstmalig eine Bemerkung nahe, für die ich noch anderweitige und ausschlaggebende Gründe in's Feld zu führen haben werde. Schon im Hinblick darauf scheint mir nämlich das Be- streben: die Logik selbst als eine Logik des Begriffsinhaltes darzu- stellen, wie es seit Jahrtausenden vorwiegend zu verwirklichen gesucht worden, ein Hysteron-proteron zu sein; es wird damit, wie mich dünkt, das unterste zu oberst gekehrt, genauer: das oberste zu unterst.
Es würde mir bedauerlich erscheinen, es würde ja zu einem Zirkel nötigen, wenn die Grundgesetze folgerichtigen Denkens sich nicht darlegen liessen, ohne diesen subtilsten und schwierigsten Teil der Logik, wenn man will auch den höchsten, schon vorauszusetzen, als welcher die Lehre von den Inhalten der Begriffe (den Endzielen der Wissenschaft überhaupt) scheint hingestellt werden zu müssen.
In der That aber zeigt schon in ihrer bisherigen Entwickelung — wie F. A. Lange1 pag. 147 hervorhebt — die Logik eine zunehmende Tendenz, von einer Lehre des Inhalts eine solche des Umfangs zu werden. Der letztern, deren konsequente Durchführung von diesem scharfsinnigen Autor bislang vermisst wird, weissagt derselbe eine „Zukunft“ — mit reicher Entfaltung.
Wir versuchen hier, die Verwirklichung dieser Voraussagung mit an- zubahnen. Wenn wir auch die verschiedenen Seiten der Frage noch ein- gehend beleuchten werden, so sei es doch hier schon ausgesprochen, dass wir die Logik als Lehre von den Urteilen und Schlüssen rein nur als eine „Logik des Umfanges“ darstellen werden — desgleichen zunächst auch die Lehre von den Begriffen. Damit glauben wir auch den leichtesten Weg einzuschlagen, auf welchem sich mit gegebenen Kräften am weitesten wird kommen lassen.
ψ2) Auch das individuelle oder Einzelding wird als „Begriff“ mit zugelassen; es ist der Komplex aller seiner Merkmale, durch deren eigenartige Verbindung miteinander es sich von allen andern Objekten des Denkens unterscheidet und so als ein vollkommen bestimmtes sich darstellt. In ihm und mit ihm selbst fällt Inhalt und Umfang seines Begriffes in eins zusammen.
Durch diese Einziehung des Einzeldinges unter die (bisher nur als „allgemeine“ betrachteten) „Begriffe“ erweitern wir die Auffassung, die wir mit dem Worte „Begriff“ verbinden. Wir geben damit kund, dass uns als das Charakteristische beim Begriffe (als das Wesen vom Begriff des Begriffes) nur eben das erscheint, dass unter seinem Namen
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Einleitung.
fortschreitende Erkenntniss bedingten Zuwachses) verknüpfen. Zur Auf-
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Verfügung, bei dessen Anwendung allemal die Logik schon voraus-
gesetzt werden musste.
Dieser Umstand legt mir erstmalig eine Bemerkung nahe, für die
ich noch anderweitige und ausschlaggebende Gründe in's Feld zu führen
haben werde. Schon im Hinblick darauf scheint mir nämlich das Be-
streben: die Logik selbst als eine Logik des Begriffsinhaltes darzu-
stellen, wie es seit Jahrtausenden vorwiegend zu verwirklichen gesucht
worden, ein Hysteron-proteron zu sein; es wird damit, wie mich
dünkt, das unterste zu oberst gekehrt, genauer: das oberste zu unterst.
Es würde mir bedauerlich erscheinen, es würde ja zu einem Zirkel
nötigen, wenn die Grundgesetze folgerichtigen Denkens sich nicht darlegen
liessen, ohne diesen subtilsten und schwierigsten Teil der Logik, wenn
man will auch den höchsten, schon vorauszusetzen, als welcher die Lehre
von den Inhalten der Begriffe (den Endzielen der Wissenschaft überhaupt)
scheint hingestellt werden zu müssen.
In der That aber zeigt schon in ihrer bisherigen Entwickelung —
wie F. A. Lange1 pag. 147 hervorhebt — die Logik eine zunehmende
Tendenz, von einer Lehre des Inhalts eine solche des Umfangs zu werden.
Der letztern, deren konsequente Durchführung von diesem scharfsinnigen
Autor bislang vermisst wird, weissagt derselbe eine „Zukunft“ — mit
reicher Entfaltung.
Wir versuchen hier, die Verwirklichung dieser Voraussagung mit an-
zubahnen. Wenn wir auch die verschiedenen Seiten der Frage noch ein-
gehend beleuchten werden, so sei es doch hier schon ausgesprochen, dass
wir die Logik als Lehre von den Urteilen und Schlüssen rein nur als eine
„Logik des Umfanges“ darstellen werden — desgleichen zunächst auch die
Lehre von den Begriffen. Damit glauben wir auch den leichtesten Weg
einzuschlagen, auf welchem sich mit gegebenen Kräften am weitesten wird
kommen lassen.
ψ2) Auch das individuelle oder Einzelding wird als „Begriff“ mit
zugelassen; es ist der Komplex aller seiner Merkmale, durch deren
eigenartige Verbindung miteinander es sich von allen andern Objekten
des Denkens unterscheidet und so als ein vollkommen bestimmtes sich
darstellt. In ihm und mit ihm selbst fällt Inhalt und Umfang seines
Begriffes in eins zusammen.
Durch diese Einziehung des Einzeldinges unter die (bisher nur
als „allgemeine“ betrachteten) „Begriffe“ erweitern wir die Auffassung,
die wir mit dem Worte „Begriff“ verbinden. Wir geben damit kund,
dass uns als das Charakteristische beim Begriffe (als das Wesen vom
Begriff des Begriffes) nur eben das erscheint, dass unter seinem Namen
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/109>, abgerufen am 28.11.2024.
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