Die Einteilung kann geradezu auf eine "Klassifikation" hinaus- laufen, sofern man nämlich bei ihr nicht (oder nicht durchaus) auf die Individuen selbst zurückgeht, sondern dabei sich auf gewisse Unter- klassen als dem Umfange nach schon bekannte Begriffe (die sog. "Einteilungsglieder", membra divisionis) beruft. Durch an sie gestellte wissenschaftliche Anforderungen wird indess der Begriff der "Klassi- fikation" noch weiter eingeengt.
Fortgesetzte Einteilung auch der zunächst sich darbietenden Unter- klassen oder Teilungsglieder führt in letzter Instanz (zuguterletzt) immer auf die Individuen als etwas (dem "Umfange" nach) "nicht" weiter "Teilbares" (zurück).
Umfasst -- wie in der grossen Mehrzahl der Fälle -- der Um- fang eines Begriffes unbegrenzt viele Individuen, ist deren Klasse eine offenc, so lässt sich dieser Umfang niemals erschöpfend angeben da- durch, dass man auf die Individuen selbst zurückgeht; vielmehr sieht man sich alsdann genötigt, zur Umfangsangabe auch solche Unter- klassen heranzuziehen, die selbst wieder offene sind, und entweder als schon bekannte vorauszusetzen sind, oder, wenn sie erklärt werden sollen, dies nur vermittelst Inhaltsangabe, Definition eines ihnen zu- gehörigen Begriffes zu werden vermögen. Bekannt wiederum konnten zwar die Individuen einer beliebig grossen Menge noch einzeln, der unbegrenzte Rest jedoch ebenfalls nur durch Innewerdung ihres begriff- lichen Inhalts geworden sein.
Exempel: Die unbegrenzte Reihe der Individuen, welche wir "natür- liche Zahlen" nennen, lässt sich zwar beliebig weit, doch niemals fertig aufzählen. Irgendeinmal muss die begriffliche Bestimmung derselben ein- treten, und am besten geschieht dies gleich von vornherein; man wird sie "definiren" als "Summen von Einern", d. i. als die Ergebnisse eines Ver- fahrens, durch welches hinter 1 fort und fort + 1 angehängt wird.
Ebenso lassen sich die Punkte, die innerhalb einer gegebenen Ellipse liegen, nur durch ebendies Merkmal, oder auf eine darauf zurückkommende Weise, sie lassen nur begrifflich sich allesamt bestimmen.
Die Umfangsangabe erscheint darum als das unvollkommnere der beiden Mittel, einen Begriff zu bestimmen. Zudem überlässt sie uns noch ungelöst die Aufgabe, erst den Komplex der in allen unter den Begriff fallenden Individuen übereinstimmenden Merkmale ausfindig zu machen, zu entdecken, durch deren Verknüpftsein dieselben von allen nicht unter diesen Begriff fallenden Individuen unterscheidbar sind. Sie lässt somit das Wesen des Begriffes unerörtert, lässt uns den Reifen vermissen, der gleichsam als Fassdauben die Individuen erst zusammenhält.
Einleitung.
Die Einteilung kann geradezu auf eine „Klassifikation“ hinaus- laufen, sofern man nämlich bei ihr nicht (oder nicht durchaus) auf die Individuen selbst zurückgeht, sondern dabei sich auf gewisse Unter- klassen als dem Umfange nach schon bekannte Begriffe (die sog. „Einteilungsglieder“, membra divisionis) beruft. Durch an sie gestellte wissenschaftliche Anforderungen wird indess der Begriff der „Klassi- fikation“ noch weiter eingeengt.
Fortgesetzte Einteilung auch der zunächst sich darbietenden Unter- klassen oder Teilungsglieder führt in letzter Instanz (zuguterletzt) immer auf die Individuen als etwas (dem „Umfange“ nach) „nicht“ weiter „Teilbares“ (zurück).
Umfasst — wie in der grossen Mehrzahl der Fälle — der Um- fang eines Begriffes unbegrenzt viele Individuen, ist deren Klasse eine offenc, so lässt sich dieser Umfang niemals erschöpfend angeben da- durch, dass man auf die Individuen selbst zurückgeht; vielmehr sieht man sich alsdann genötigt, zur Umfangsangabe auch solche Unter- klassen heranzuziehen, die selbst wieder offene sind, und entweder als schon bekannte vorauszusetzen sind, oder, wenn sie erklärt werden sollen, dies nur vermittelst Inhaltsangabe, Definition eines ihnen zu- gehörigen Begriffes zu werden vermögen. Bekannt wiederum konnten zwar die Individuen einer beliebig grossen Menge noch einzeln, der unbegrenzte Rest jedoch ebenfalls nur durch Innewerdung ihres begriff- lichen Inhalts geworden sein.
Exempel: Die unbegrenzte Reihe der Individuen, welche wir „natür- liche Zahlen“ nennen, lässt sich zwar beliebig weit, doch niemals fertig aufzählen. Irgendeinmal muss die begriffliche Bestimmung derselben ein- treten, und am besten geschieht dies gleich von vornherein; man wird sie „definiren“ als „Summen von Einern“, d. i. als die Ergebnisse eines Ver- fahrens, durch welches hinter 1 fort und fort + 1 angehängt wird.
Ebenso lassen sich die Punkte, die innerhalb einer gegebenen Ellipse liegen, nur durch ebendies Merkmal, oder auf eine darauf zurückkommende Weise, sie lassen nur begrifflich sich allesamt bestimmen.
Die Umfangsangabe erscheint darum als das unvollkommnere der beiden Mittel, einen Begriff zu bestimmen. Zudem überlässt sie uns noch ungelöst die Aufgabe, erst den Komplex der in allen unter den Begriff fallenden Individuen übereinstimmenden Merkmale ausfindig zu machen, zu entdecken, durch deren Verknüpftsein dieselben von allen nicht unter diesen Begriff fallenden Individuen unterscheidbar sind. Sie lässt somit das Wesen des Begriffes unerörtert, lässt uns den Reifen vermissen, der gleichsam als Fassdauben die Individuen erst zusammenhält.
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Einleitung.
Die Einteilung kann geradezu auf eine „Klassifikation“ hinaus-
laufen, sofern man nämlich bei ihr nicht (oder nicht durchaus) auf
die Individuen selbst zurückgeht, sondern dabei sich auf gewisse Unter-
klassen als dem Umfange nach schon bekannte Begriffe (die sog.
„Einteilungsglieder“, membra divisionis) beruft. Durch an sie gestellte
wissenschaftliche Anforderungen wird indess der Begriff der „Klassi-
fikation“ noch weiter eingeengt.
Fortgesetzte Einteilung auch der zunächst sich darbietenden Unter-
klassen oder Teilungsglieder führt in letzter Instanz (zuguterletzt)
immer auf die Individuen als etwas (dem „Umfange“ nach) „nicht“
weiter „Teilbares“ (zurück).
Umfasst — wie in der grossen Mehrzahl der Fälle — der Um-
fang eines Begriffes unbegrenzt viele Individuen, ist deren Klasse eine
offenc, so lässt sich dieser Umfang niemals erschöpfend angeben da-
durch, dass man auf die Individuen selbst zurückgeht; vielmehr sieht
man sich alsdann genötigt, zur Umfangsangabe auch solche Unter-
klassen heranzuziehen, die selbst wieder offene sind, und entweder als
schon bekannte vorauszusetzen sind, oder, wenn sie erklärt werden
sollen, dies nur vermittelst Inhaltsangabe, Definition eines ihnen zu-
gehörigen Begriffes zu werden vermögen. Bekannt wiederum konnten
zwar die Individuen einer beliebig grossen Menge noch einzeln, der
unbegrenzte Rest jedoch ebenfalls nur durch Innewerdung ihres begriff-
lichen Inhalts geworden sein.
Exempel: Die unbegrenzte Reihe der Individuen, welche wir „natür-
liche Zahlen“ nennen, lässt sich zwar beliebig weit, doch niemals fertig
aufzählen. Irgendeinmal muss die begriffliche Bestimmung derselben ein-
treten, und am besten geschieht dies gleich von vornherein; man wird sie
„definiren“ als „Summen von Einern“, d. i. als die Ergebnisse eines Ver-
fahrens, durch welches hinter 1 fort und fort + 1 angehängt wird.
Ebenso lassen sich die Punkte, die innerhalb einer gegebenen Ellipse
liegen, nur durch ebendies Merkmal, oder auf eine darauf zurückkommende
Weise, sie lassen nur begrifflich sich allesamt bestimmen.
Die Umfangsangabe erscheint darum als das unvollkommnere der
beiden Mittel, einen Begriff zu bestimmen. Zudem überlässt sie uns
noch ungelöst die Aufgabe, erst den Komplex der in allen unter den
Begriff fallenden Individuen übereinstimmenden Merkmale ausfindig zu
machen, zu entdecken, durch deren Verknüpftsein dieselben von allen
nicht unter diesen Begriff fallenden Individuen unterscheidbar sind.
Sie lässt somit das Wesen des Begriffes unerörtert, lässt uns den
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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/105>, abgerufen am 28.11.2024.
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