Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Als ich in den Hof hinab stieg, kam mir Max entgegen, der schon vom Felde zurückkehrte. Er grüßte mich recht munter, und da ich fragte, wo er hingehe, antwortete er offen, er wolle sehen, wie Gretchen geschlafen habe. -- O, sehr gut, erwiderte ich, grüße sie von mir; und nachdem ich mich auf meinen Gaul geschwungen, ritt ich zum Thore hinaus. Der schöne Morgen und die Heuernte, obschon sich das Volk rüstig genug dazu anstellte, wollten keine rechte Wirkung auf mich thun. Ich ließ mein Roß ziemlich zerstreut und nachlässig gegen den Wald hinschlendern, als mir der Oberförster aufstieß und mich durch einen wackeren Waidmannsgruß aus meiner Träumerei weckte. Er fragte mich nach Gretchens Befinden; denn er hatte das Mädchen während meiner Abwesenheit kennen gelernt, und ihren gestrigen Unfall erfahren. Der gute Max, sagte er, muß außer sich gewesen sein; denn ich habe wohl gemerkt, daß die jungen Leute einander lieb haben. Als ich in den Hof hinab stieg, kam mir Max entgegen, der schon vom Felde zurückkehrte. Er grüßte mich recht munter, und da ich fragte, wo er hingehe, antwortete er offen, er wolle sehen, wie Gretchen geschlafen habe. — O, sehr gut, erwiderte ich, grüße sie von mir; und nachdem ich mich auf meinen Gaul geschwungen, ritt ich zum Thore hinaus. Der schöne Morgen und die Heuernte, obschon sich das Volk rüstig genug dazu anstellte, wollten keine rechte Wirkung auf mich thun. Ich ließ mein Roß ziemlich zerstreut und nachlässig gegen den Wald hinschlendern, als mir der Oberförster aufstieß und mich durch einen wackeren Waidmannsgruß aus meiner Träumerei weckte. Er fragte mich nach Gretchens Befinden; denn er hatte das Mädchen während meiner Abwesenheit kennen gelernt, und ihren gestrigen Unfall erfahren. Der gute Max, sagte er, muß außer sich gewesen sein; denn ich habe wohl gemerkt, daß die jungen Leute einander lieb haben. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="17"> <p><pb facs="#f0086"/> Als ich in den Hof hinab stieg, kam mir Max entgegen, der schon vom Felde zurückkehrte. Er grüßte mich recht munter, und da ich fragte, wo er hingehe, antwortete er offen, er wolle sehen, wie Gretchen geschlafen habe. — O, sehr gut, erwiderte ich, grüße sie von mir; und nachdem ich mich auf meinen Gaul geschwungen, ritt ich zum Thore hinaus.</p><lb/> <p>Der schöne Morgen und die Heuernte, obschon sich das Volk rüstig genug dazu anstellte, wollten keine rechte Wirkung auf mich thun. Ich ließ mein Roß ziemlich zerstreut und nachlässig gegen den Wald hinschlendern, als mir der Oberförster aufstieß und mich durch einen wackeren Waidmannsgruß aus meiner Träumerei weckte. Er fragte mich nach Gretchens Befinden; denn er hatte das Mädchen während meiner Abwesenheit kennen gelernt, und ihren gestrigen Unfall erfahren. Der gute Max, sagte er, muß außer sich gewesen sein; denn ich habe wohl gemerkt, daß die jungen Leute einander lieb haben.<lb/> — Das ist natürlich! erwiderte ich schnell. — Ja wohl! war seine Antwort. Da sollten Sie ein Einsehen haben, Herr Brink, und ein Paar aus den hübschen Kindern machen. Mamsell Berger ist ganz dazu geschaffen, die Frau eines braven Forstmannes zu werden.<lb/> — So? sagt' ich. — Ja, ja! erwiderte er lachend; ich habe sie vorgestern Abends eine ganze Stunde examinirt und mich an ihren kunstfertigen Antworten recht ergötzt. Sie könnte zur Noth selbst einem kleinen Forste vorstehen. Und das Mädchen ist guter Leute Kind,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0086]
Als ich in den Hof hinab stieg, kam mir Max entgegen, der schon vom Felde zurückkehrte. Er grüßte mich recht munter, und da ich fragte, wo er hingehe, antwortete er offen, er wolle sehen, wie Gretchen geschlafen habe. — O, sehr gut, erwiderte ich, grüße sie von mir; und nachdem ich mich auf meinen Gaul geschwungen, ritt ich zum Thore hinaus.
Der schöne Morgen und die Heuernte, obschon sich das Volk rüstig genug dazu anstellte, wollten keine rechte Wirkung auf mich thun. Ich ließ mein Roß ziemlich zerstreut und nachlässig gegen den Wald hinschlendern, als mir der Oberförster aufstieß und mich durch einen wackeren Waidmannsgruß aus meiner Träumerei weckte. Er fragte mich nach Gretchens Befinden; denn er hatte das Mädchen während meiner Abwesenheit kennen gelernt, und ihren gestrigen Unfall erfahren. Der gute Max, sagte er, muß außer sich gewesen sein; denn ich habe wohl gemerkt, daß die jungen Leute einander lieb haben.
— Das ist natürlich! erwiderte ich schnell. — Ja wohl! war seine Antwort. Da sollten Sie ein Einsehen haben, Herr Brink, und ein Paar aus den hübschen Kindern machen. Mamsell Berger ist ganz dazu geschaffen, die Frau eines braven Forstmannes zu werden.
— So? sagt' ich. — Ja, ja! erwiderte er lachend; ich habe sie vorgestern Abends eine ganze Stunde examinirt und mich an ihren kunstfertigen Antworten recht ergötzt. Sie könnte zur Noth selbst einem kleinen Forste vorstehen. Und das Mädchen ist guter Leute Kind,
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Zitationshilfe: | Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/86>, abgerufen am 27.07.2024. |