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Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sich ihrer zu großen Aengstlichkeit überhaupt zu schämen.

Allmählich wurde sie ruhiger, doch blieb immer noch eine Spur von Nachdenken und Sorglichkeit auf ihrem schönen Gesichte.

Als uns Paul auf einige Augenblicke verließ, machte ich ihr den bestimmten Antrag, noch einige Tage in meinem Hause zu bleiben, wo sie vollkommen sicher wäre. In der Zwischenzeit fände sich vielleicht eine andere Aussicht, wobei ja auch Mad. Miller zu Rathe gezogen werden könnte. Gretchen hörte mir mit gesenkten Blicken zu; endlich sah sie auf, und mit dem Ausdrucke großer Innigkeit, worein sich einige Wehmuth mischte, sagte sie: Was soll ich Ihnen antworten, theurer Herr? Ich kann Ihre Güte nicht entbehren, und ich muß fürchten, sie schon gemißbraucht zu haben. Alles, was mir seit Kurzem begegnet, scheint darauf abgesehen, mein ganzes Schicksal in die Hände eines großmüthigen Mannes zu legen, dem ich vor zwei Tagen noch völlig fremd war. In allem Dem ist etwas Außerordentliches, daß ich mich nicht zu fassen weiß und vor dem Glücke, welches mich Sie finden ließ, beinahe nicht weniger erschrecke, als vor den Unfällen, die mich betroffen haben. -- Wie, Gretchen! sagte ich, sollten Sie mir mißtrauen? -- Ich Ihnen mißtrauen? rief sie. Wäre ich dann noch Ihres Schutzes und der sichtbaren Vorsorge des Himmels werth, der Sie mir, in meiner größten Trübsal, als einen seiner Engel gesandt hat? Aber ach, mein Herr! es ist ein so drückendes Gefühl, so ohne alle Selbständig-

sich ihrer zu großen Aengstlichkeit überhaupt zu schämen.

Allmählich wurde sie ruhiger, doch blieb immer noch eine Spur von Nachdenken und Sorglichkeit auf ihrem schönen Gesichte.

Als uns Paul auf einige Augenblicke verließ, machte ich ihr den bestimmten Antrag, noch einige Tage in meinem Hause zu bleiben, wo sie vollkommen sicher wäre. In der Zwischenzeit fände sich vielleicht eine andere Aussicht, wobei ja auch Mad. Miller zu Rathe gezogen werden könnte. Gretchen hörte mir mit gesenkten Blicken zu; endlich sah sie auf, und mit dem Ausdrucke großer Innigkeit, worein sich einige Wehmuth mischte, sagte sie: Was soll ich Ihnen antworten, theurer Herr? Ich kann Ihre Güte nicht entbehren, und ich muß fürchten, sie schon gemißbraucht zu haben. Alles, was mir seit Kurzem begegnet, scheint darauf abgesehen, mein ganzes Schicksal in die Hände eines großmüthigen Mannes zu legen, dem ich vor zwei Tagen noch völlig fremd war. In allem Dem ist etwas Außerordentliches, daß ich mich nicht zu fassen weiß und vor dem Glücke, welches mich Sie finden ließ, beinahe nicht weniger erschrecke, als vor den Unfällen, die mich betroffen haben. — Wie, Gretchen! sagte ich, sollten Sie mir mißtrauen? — Ich Ihnen mißtrauen? rief sie. Wäre ich dann noch Ihres Schutzes und der sichtbaren Vorsorge des Himmels werth, der Sie mir, in meiner größten Trübsal, als einen seiner Engel gesandt hat? Aber ach, mein Herr! es ist ein so drückendes Gefühl, so ohne alle Selbständig-

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[0036] sich ihrer zu großen Aengstlichkeit überhaupt zu schämen. Allmählich wurde sie ruhiger, doch blieb immer noch eine Spur von Nachdenken und Sorglichkeit auf ihrem schönen Gesichte. Als uns Paul auf einige Augenblicke verließ, machte ich ihr den bestimmten Antrag, noch einige Tage in meinem Hause zu bleiben, wo sie vollkommen sicher wäre. In der Zwischenzeit fände sich vielleicht eine andere Aussicht, wobei ja auch Mad. Miller zu Rathe gezogen werden könnte. Gretchen hörte mir mit gesenkten Blicken zu; endlich sah sie auf, und mit dem Ausdrucke großer Innigkeit, worein sich einige Wehmuth mischte, sagte sie: Was soll ich Ihnen antworten, theurer Herr? Ich kann Ihre Güte nicht entbehren, und ich muß fürchten, sie schon gemißbraucht zu haben. Alles, was mir seit Kurzem begegnet, scheint darauf abgesehen, mein ganzes Schicksal in die Hände eines großmüthigen Mannes zu legen, dem ich vor zwei Tagen noch völlig fremd war. In allem Dem ist etwas Außerordentliches, daß ich mich nicht zu fassen weiß und vor dem Glücke, welches mich Sie finden ließ, beinahe nicht weniger erschrecke, als vor den Unfällen, die mich betroffen haben. — Wie, Gretchen! sagte ich, sollten Sie mir mißtrauen? — Ich Ihnen mißtrauen? rief sie. Wäre ich dann noch Ihres Schutzes und der sichtbaren Vorsorge des Himmels werth, der Sie mir, in meiner größten Trübsal, als einen seiner Engel gesandt hat? Aber ach, mein Herr! es ist ein so drückendes Gefühl, so ohne alle Selbständig-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:30:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:30:04Z)

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Zitationshilfe: Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/36>, abgerufen am 24.11.2024.